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Österreich gegen Frankreich vor 200 Jahren -Geschichte und Schauplätze

Kanonenrohre in Strohballen

Von Gerhard Stadler

Viele Pariser Straßennamen erzählen Geschichte, vor allem die gewonnener Kriege: Von Arcole bis Wagram reicht der Unterricht für Spaziergänger, über Austerlitz, Castiglioni, Eylau, Friedland, Lobau, Magenta, Pyramides, Rivoli und Solferino. Verlorene Schlachten kennt die jeweilige Stadtgeographie nicht; was zur Ehre eines Straßennamens kam, sind Siege, ergänzt um die Namen ihrer Generäle. Viele Orte finden wir wieder in den Reliefs des Triumphbogens am Etoile und in der Schlachtengalerie von Versailles. Da sich ein guter Teil der französischen Geschichte, von Ludwig XIV. bis zu Napoleon I und III, in Kriegen mit den Habsburgern ereignete, ist es auch die Geschichte Österreichs.

1797 hatte Österreich im Frieden von Campo Formio die Bildung eines französischen Vasallenstaates in Norditalien zugestehen und auf die Lombardei und die Niederlande verzichten müssen, dafür Venedig erhalten und Salzburg in Aussicht gestellt bekommen. Der Friede hielt nicht lange; die Gegensätze zwischen dem nachrevolutionären Frankreich und den konservativen Monarchien England, Österreich und Russland - die ein Ausbreiten der Ideen von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit unter allen Umständen verhindern wollten - waren zu groß. Schon im März 1799 begannen die Kriegshandlungen erneut, in Süddeutschland und Oberitalien. Zunächst waren die von den Russen unterstützten Österreicher erfolgreich, Erzherzog Karl siegte bei Stockach am Bodensee, die Lombardei und die Schweiz wurden von den Franzosen befreit; das französische Genua wurde von den Engländern von See her blockiert und von den Österreichern von Land her. Die Situation würde für die Franzosen prekär werden, wenn die Österreicher nach dem Fall von Genua über Nizza bis in die Provence ziehen könnten.

Napoleons Geniestreiche

Jetzt trat Napoleon Bonaparte auf den Plan. Noch war er nicht Kaiser der Franzosen, sondern einer der vielen Generäle der Revolutionsarmee - aber ein bekannter, weil erfolgreicher: 1797 hatte er Österreich aus der Lombardei verdrängt und sich danach mit den Engländern und dem Sultan um Ägypten geschlagen. Aber er wollte politische Macht. Daher kehrte er vor Ende des ägyptischen Feldzuges rasch nach Paris zurück und ideenreich gelang es ihm, am 18. Brumaire des Jahres VIII (9. November 1799) die Mitglieder des Direktoriums der revolutionären Verfassung zum Rücktritt zu veranlassen. Am nächsten Tag sprengte er an der Spitze ihm ergebener Truppen die Parlamentsversammlung im (heute zerstörten) Schloss von St. Cloud. Der Rest der Abgeordneten wählte ein neues Direktorium mit drei Konsuln. Zu ihrem ersten wurde Bonaparte gewählt. Aber noch war seine Macht fragil. Er brauchte Erfolge, um wirklich der Erste zu werden.

Sein erster Geniestreich war der Marsch einer eilends aufgestellten Reservearmee von 40.000 Mann über die Alpen, über mehrere im Mai noch verschneite Alpenpässe. Bonaparte selbst überquerte vom 16. bis 20. Mai 1800 den 2.500 Meter hohen Großen St. Bernhard-Pass, nach dem Vorbild Hannibals und Karls des Großen. Er war geschichtsbewusst: In der Bibliothek des Klosters auf der Passhöhe soll er bei Livius nachgelesen haben, wie es damals Hannibal gemacht habe. Beim Abstieg umging man das kleine österreichische Fort bei Bard im Aosta-Tal nachts, die Hufe der Tiere mit Fetzen umwickelt, die Kanonenrohre in Strohballen oder ausgehöhlten Baumstämmen verpackt rollend.

Die lombardische Hauptstadt Mailand wird von den über den Alpenübergang völlig überraschten Österreichern zwar zurückerobert, aber zum Entsatz von Genua kommt Bonaparte zu spät. Nach kleineren Gefechten trifft er, dessen Truppen weit gestreut durch die Lombardei ziehen, bei Alessandria unvorbereitet auf die Hauptmacht der Österreicher. Die eröffnen, gestützt auf ihre Stellungen in der befestigten Stadt und in Kenntnis ihrer Übermacht, am Morgen des 14. Juni 1800 in der Ebene von Marengo östlich von Alessandria die Schlacht. Ihr General Melas befehligt 30.000 Mann und hat 100 Kanonen gegen 22.000 Franzosen mit 14 Kanonen (die schwere Artillerie hatte man über die Alpen nicht mitgenommen). Am Nachmittag glauben die Österreicher die Schlacht gewonnen; Melas kehrt nach Alessandria zurück, mit seinen 71 Jahren rechtschaffen müde. Da trifft eine Verstärkung der Franzosen ein, General Desaix attackiert die sich in Paradeformation nach Alessandria zurückziehenden Österreicher - der Angriff gelingt, die Österreicher flüchten. Am 15. Juni schließt Melas übereilt Waffenstillstand, der ihm ehrenvollen Abzug sichert, aber den Franzosen Oberitalien bis zum Mincio, d. h. bis zum Gardasee und Mantua, überlässt.

Aus der Niederlage um 17 Uhr ist um 19 Uhr ein Sieg geworden. Die Österreicher sind zwar nicht entscheidend geschlagen, aber der Waffenstillstand gibt den Franzosen eine Atempause. Bonaparte will aber nicht in Italien den Erfolg nützen, sondern in Paris. Er eilt zurück, um seine Position und seinen Ruhm zu festigen - sein zweiter Geniestreich. Er bastelt an der Legende, wozu ein 1801 fertiggestelltes Gemälde von J. L. David wesentlich beiträgt: Bonaparte, auf einem Schimmel bergwärts reitend, auf die Überwindung aller Hindernisse weisend, gekleidet in prächtiger Uniform. Nur das Pferd scheint angestrengt, bewegt, sein schöner Reiter selbst ist ruhig, besonnen, sich des Weges nach oben gewiss. Die Pose des Reiterbildes war bis dahin gekrönten Häuptern vorbehalten, vielleicht hat David sich an Tizians "Karl V. vor der Schlacht bei Mühlberg" oder an der Statue Peter des Großen von Falconet in St. Petersburg orientiert. Das sind Bilder, die Ruhm verbreiten. David malte "Bonaparte franchissant le Grand-Saint-Bernard" in fünf Fassungen, denen unzählige Drucke folgten.

Die erste ist heute nördlich von Paris in Schloss Malmaison zu sehen (in dessen Garten Napoleons Noch-Gattin Josephine die heute mächtige Marengo-Zeder pflanzte), eine andere im Berliner Schloss Charlottenburg und eine in der Österreichischen Galerie im Wiener Unteren Belvedere; sie war bis 1834 in der Villa Reale in Mailand, die bis 1859 Residenz des österreichischen Vizekönigs war. David malte die Gemälde im Atelier. Da jemand wie Bonaparte keine Zeit hatte, stand ein anderer Mann in Uniform Modell. Die Wirklichkeit am St. Bernhard war anders: Bonaparte ritt auf einem Maultier, bekleidet mit seinem üblichen grauen Feldmantel, ohne Distinktionen.

Auch ein toter Held wurde zur Legendenbildung herangezogen: Der nach seiner Sieg entscheidenden Attacke von einer österreichischen Kugel getötete General Desaix fand auf Befehl Bonapartes sein Grab in einem monumentalen Sarkophag in der Kirche am Großen St. Bernhard Pass - den er selbst aber nicht überschritten hatte.

In Italien war der Krieg zu Ende. In Süddeutschland wurde weiter gekämpft. Waffenstillstände wurden geschlossen, von den Franzosen aber bald wieder gekündigt; ihre Armee wurde mit der Wirkung der "levée en masse", der Konskription aller wehrfähigen Männer, rasch größer. Nach mehreren Gefechten besetzen die Franzosen München, die Österreicher ziehen sich bis zum Inn zurück. Erzherzog Karl wird als Befehlshaber durch den achtzehnjährigen Erzherzog Johann, auch er einer der Brüder von Kaiser Franz, abgelöst. Der erste Fehler der österreichischen Generäle ist, nach Wintereinbruch die günstigen Stellungen am Ostufer des Inns zu verlassen und offensiv gegen München vorzugehen; der zweite, nicht bis zur Vereinigung mit einer aus Regensburg kommenden zweiten Armee zu warten. Bei Hohenlinden, östlich von München, treffen 60.000 Österreicher auf 40.000 Franzosen unter General Moreau. Deren Taktik ist flexibler, sie kämpfen in mehreren Kolonnen, drängen die Österreicher in Wälder ab, wohin die Artillerie nicht mitgenommen werden kann, und nehmen sie am Ausgang des Waldes wieder unter Feuer. Am Abend des 3. Dezembers 1800 ist die Schlacht für die Franzosen gewonnen; 9.000 Männer sind gestorben.

Friede von Lunéville 1901

Für die Franzosen ist der Weg nach Österreich frei. Am 15. Dezember wird Salzburg besetzt und Morau bezieht die erzbischöflichen Zimmer in der Residenz; 12.000 Soldaten müssen einquartiert und verpflegt werden, hohe Kontributionen werden gefordert und auch bezahlt. Warum Moreau nicht nach Wien weiter marschiert, sondern am 25. Dezember in Steyr einen Waffenstillstand schließt, bleibt unbekannt; vielleicht wollte er seinen beruflichen wie privaten Rivalen Bonaparte nicht zu eifersüchtig machen. Der dritte Geniestreich Bonapartes war, jetzt die Zeit für sich arbeiten zu lassen. Zwar hatten schon im Sommer 1800 Friedensverhandlungen begonnen, doch Bonaparte blufft nicht nur die österreichischen Unterhändler, sondern stellt auch bewusst unannehmbare Forderungen. Geschickt spielt er auf den Instrumenten Waffenstillstand, Friedensangebot und Aufkündigung des Waffenstillstandes.

Nach Hohenlinden muss der Graf Cobenzl, Bevollmächtiger von Kaiser Franz, in Lunéville die französischen Bedingungen annehmen, schon am 9. Februar 1801 wird der Friede unterschrieben. Zusätzlich zu den Erfolgen des Friedens von Campo Formio erhält Frankreich das linke Rheinufer; die deutschen Fürsten, die Gebiete verlieren, sollen in Deutschland entschädigt werden - womit nur geistliches Gebiet gemeint sein kann. Realisiert wird dies 1802 - im Reichsdeputationshauptschluss werden bis auf das Bistum Mainz alle geistlichen Fürstentümer im Reich aufgehoben. Für Österreich bis heute gültige Folge des Friedens von Lunéville ist die Abdankung des letzten Salzburger Fürstbischofes, Graf Hieronymus Colloredo, am 11. Februar 1803 im Wiener Exil unterschrieben. Colloredo, der am 10. Dezember 1800 vor Moreau aus Salzburg geflüchtet war, übergibt Salzburg an den aus Florenz vertriebenen Erzherzog Ferdinand von Toskana. Nach einer neuerlichen französischen Besetzung kommt Salzburg im Wiener Kongress 1815 endgültig zu Österreich.

Auf rotweißroten Spuren

Was blieb sonst, außer Straßennamen, von jener Zeit? Wer durch Europa fährt, kann auf der Suche nach rotweißroten Spuren noch Einiges vor Ort finden. Campoformido liegt fünf Kilometer westlich von Udine, an der Staatsstraße 13 nach Pordenone. Ein kleines, 1997 errichtetes Denkmal westlich des Ortszentrums und gegenüber, über dem Eingang des Dorfwirtshauses, eine Tafel erinnern, dass hier am 17. Oktober 1797 der Friede unterzeichnet wurde. Nur: Wahrscheinlich ist dies nicht hier, sondern in der Villa Manin in Passariano, 20 Kilometer weiter westlich, geschehen. Dort, eine Residenz des letzten Dogen von Venedig, hatte Bonaparte sein Quartier; die Österreicher waren in Udine. Es entsprach zwar den diplomatischen Usancen, dass derartige Akte auf neutralem Boden, gewissermaßen im Niemandsland, abgeschlossen wurden. Aber der österreichische Bevollmächtigte Graf Cobenzl soll so neugierig gewesen sein, Bonaparte kennenzulernen, dass er sich über das Protokoll hinweg setzte und den Weg bis in die Residenz des Gegners machte. Die Villa Manin, eine der großen Villen der "terra ferma" der Dogenrepublik, ist sehenswert und oft Ort historischer Ausstellungen. (Siehe auch Bericht auf gegenüberliegender Seite, Red.)

Alessandria, halben Wegs zwischen Mailand und Genua, ist Eingangstor ins Piemont, der Region Italiens, die mit Weinen, Spumantes und Trüffeln besonders wohlbestückt ist. In Marengo Spinetta (an der Staatsstraße 10 Richtung Genua) ist ein an die Schlacht erinnerndes Museum und ein Gedenkstein - für die von Napoleon hier geplante "Ville des victoires" konnte er als Kaiser zwar 1805 den Grundstein legen, aber für die Errichtung reichte ihm die Zeit nicht mehr.

Wer Österreich in Braunau verlässt, kommt auf der Bundesstraße 12 über Mühldorf am Inn 35 Kilometer vor München nach Hohenlinden. Kein Denkmal, nur eine kleine, alte, an die Gefallenen der Schlacht erinnernde Tafel am ersten Stock eines modernen Haus auf der rechten Seite der Hauptstraße, westlich der Kirche: "Neuntausend ist eine große Zahl".

Lunéville liegt an der Nationalstraße 4 zwischen Strasbourg und Nancy, 35 Kilometer östlich der sehenswerten Hauptstadt Lothringens. Der Friede wurde nicht im Schloss des Städtchen abgeschlossen, sondern im Hotel de Beauveau. Wien war weit weg und die Verhandler des deutschen Reiches auf sich selbst angewiesen. Bonaparte aber wusste, dass im Vorteil ist, wer die besseren Informationen hat: Während der Friedensverhandlungen war Lunéville mit dem 350 Kilometer entfernten Paris mittels optischer Telegraphie verbunden, in Minutenschnelle konnten mit Semaphoren Nachrichten übermittelt werden.

Mit dem Schloss von Lunéville, heute ein Museum, ist ein anderer "Österreicher" verbunden: Franz Stephan regierte hier 1729 bis 1731 als Herzog, bevor er 1737 Maria Theresia heiratete und damit das Haus Habsburg-Lothringen gründete. In Lunéville gründete er einen Tiergarten, der vielleicht Vorbild für Schönbrunn war. Den Architekten für die Menageriebauten in Schönbrunn brachte er mit: den 1710 in Lunéville geborenen Jean Nicolas de Ville-Issey.

Freitag, 26. Jänner 2001

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