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Geschichten rund um das Schloss Schönbrunn

Prügel für Joseph Haydn

Von Thomas Veser

Die Götter hatten ihr Urteil gefällt und Herkules zum Vollstrecker bestimmt. Mit seinen übernatürlichen Kräften bewegte der Held das Meer, dessen gewaltige Wogen das unbotmäßige Karthago dem Erdboden gleichmachten. Wie sich die Menschen des Barockzeitalters den Triumph der göttlichen Ordnung vorgestellt hatten, lässt sich im Garten von Schloss Schönbrunn noch heute gut nachempfinden: Auf einer sanften Anhöhe errichteten die Gartenbaumeister eine Säule mit der Büste des Herkules. Von dort aus erstrecken sich bis zur imposanten Ruine von Karthago am tiefsten Punkt wellenartig abfallende Rasenflächen, die das zerstörerische Meer symbolisieren.

Üblicherweise "Römische Ruine" genannt, erinnert das Baudenkmal im Garten der einstigen Kaiserresidenz an die Glanzzeit der österreichischen Habsburger. Ihr Schlosspalast bildete mit der ausgedehnten Gartenanlage, die den Sieg des Menschen über die Natur darstellte, eine untrennbare Einheit. Ohne falsche Bescheidenheit empfanden sich diese Herrscher als würdige Nachfolger der römischen Cäsaren.

Als malerische Kulisse für festliche Anlässe gedacht, entspricht das Schönbrunner Karthago nicht unbedingt den heutigen Vorstellungen einer Ruine. Ihre Erbauer nahmen dafür den gesamten mittleren Gebäudeteil des abgebrochenen Schlosses Neugebäude bei Simmering und setzten ihn halbversunken in den Boden. Dann drapierten sie ihr Werk nach dem damaligen Geschmack mit Säulen und Friesen.

Dass Karthago heutzutage tatsächlich wie eine baufällige Ruine aussieht, geht vor allem auf die unsachgemäße Restaurierung der Vergangenheit zurück. Erbaut auf einer Wasserader, litt das Bauwerk Jahrhunderte lang unter Salzen, die das Mauerwerk aus Ziegelstein allmählich zersetzten. Anstatt schadhafte Stellen mit Ziegeln auszubessern, füllte man sie in neuerer Zeit mit Beton. Der Zerfall war schon weit fortgeschritten, da beschloss die staatliche Schlossverwaltung, die Ruine umfassend zu sanieren. Bis die Arbeiten abgeschlossen sind, wird man sich noch einige Jahre gedulden müssen.

Und auch die vor einigen Jahren begonnene Rettung der Figurengruppe um den Obelisken kam keinen Moment zu früh: Frostwasser hatte die Köpfe der aus Einzelteilen zusammengesetzten Statuen gesprengt. In einigen Fällen waren die Skulpturen auseinandergefallen, da schlecht verbleite Eisenklammern völlig vom Rost zerfressen wurden. Von diesen Baustellen abgesehen, hat Schönbrunns barocker Garten sein Erscheinungsbild des 18. Jahrhunderts inzwischen in weiten Teilen wiedergewonnen. Die geniale Parklandschaft, in der sich früher so eindrucksvoll obrigkeitliche Kraft und Herrlichkeit inszenieren ließ, war im vorigen Jahrhundert vollständig verwildert. Heute pflegt man Bäume und Hecken des Gartens, der jährlich fünf Millionen Besucher anzieht, nach den traditionellen Arbeitstechniken des Barockzeitalters.

Und auch Hetzendorf, von Hohenbergs berühmter Irrgarten aus kunstvoll beschnittenen Hecken, wird bald wiederhergestellt sein. Das Herrscherhaus hatte ihn im vorigen Jahrhundert schließen lassen, da sich zeitgenössischen Chroniken zufolge dort "des Nachts Dinge abspielten, die der öffentlichen Moral nicht zuträglich waren."

Noch stehen die Großplastiken des Bildhauers Wilhelm Bayer hinter Bäumen und Bosketten. Wenn sie wieder freistehen, sieht der Garten wohl wieder aus wie im letzten Regierungsjahr der Kaiserin Maria Theresia, die 1780 ihre Augen für immer schloss. Als sie noch Erzherzogin war, verlor die Herrscherin spontan ihr Herz an das verlassene Jagdschloss in Schönbrunn. Sie ernannte Nikolaus von Pacassi zum Oberhofarchitekten; er formte das Schloss, das sein Vorgänger Johann Bernhard Fischer von Erlach als monumentale Anlage nach dem Vorbild des französischen Versailles geplant hatte, frühklassizistisch um. Schönbrunn stieg zur ständigen Kaiserresidenz auf.

Die baufreudige Kaiserin

Maria Theresia verbrachte einen großen Teil ihres Lebens in Schönbrunn, dessen Säle und Audienzzimmer eine würdige Kulisse für Bankette, Empfänge und kulturelle Veranstaltungen lieferten. Gast am Hof war auch regelmäßig der preußische Gesandte Graf Podewils, der die Herrscherin in seinen Memoiren mit einer gehörigen Portion Boshaftigkeit beschrieb: "Sie hat Freude am Bauen, ohne etwas davon zu verstehen, davon das Haus in Schönbrunn, das sie nach ihrem Geschmack hat bauen lassen, Zeugnis ablegt."

Maria Theresia besaß einen ausgeprägten Familiensinn. Und daher stellte sie ihre Kinder ganz in den Mittelpunkt des Hoflebens. "Spektakel müssen sein, ohne dies kann man nicht hier in einer solchen Residenz bleiben", pflegte die Kaiserin zu sagen und verlegte Theater- und Ballettvorführungen auf schwimmende Inseln in den Wasserflächen des Landschaftsparks. Dort bot man den Gästen sogar aufwendig inszenierte Seeschlachten, die von Feuerwerk und barocken Klängen umrahmt wurden. Als Geburtstagsgeschenk für die Mutter bemalte der Nachwuchs einmal Porzellanstücke, die später den Wandschmuck des Porzellanzimmers bildeten. Tierporträts zieren das Rösselzimmer: Ganze Generationen von Hoftiermalern lebten davon, die Lieblingspferde und Windhunde der kaiserlichen Familie zu porträtieren.

Selbst als vermögende Erbin übte sich Maria Theresia gelegentlich im Maßhalten, sehr zum Leidwesen des Genfer Malers Jean Etienne Liotard. Dieser trug während seines Aufenthalts in Schönbrunn einen Vollbart und türkische Kleider und übernahm damit am kaiserlichen Hof die Rolle eines Paradiesvogels.

Um ihre Prunksäle kostensparend zu schmücken, hatte ihm die Kaiserin viele seiner Personenporträts regelrecht abgeschwatzt. Mit seiner Bitte, als Gegenleistung die Kaiserin malen zu dürfen, stieß Liotard allerdings auf taube Ohren. Dazu habe sie keine Zeit, er könne ja während einer Pferdeparade vor ihrem Regiment auf dem Schlosshof Skizzen anfertigen.

Der selbstbewusste Künstler ließ sich nicht so einfach abspeisen; Liotard übermittelte der Kaiserin der Legende nach einen Brief, in dem er ihr keck die Frage stellte, ob sie es nicht als Ehre betrachten dürfe, von ihm porträtiert zu werden. Die Herrscherin über das mächtige Habsburgerreich willigte schließlich ein. Jean-Etienne Liotard schuf mit der Darstellung Maria Theresias sein reifstes Werk; heute neben ihrem prachtvollen Baldachinbett aufgestellt, zeigt es eine Herrscherin mit ausgeprägt menschlichen Zügen. Verewigte sie Hofmaler Martin Meytens auf seinem Monumentalgemälde im Zeremoniensaal als weltentrückte, gottgleiche Herrscherin, erblickt man auf Liotards Werk eine selbstbewusste schöne Frau mit milden Gesichtszügen und Augen, die stets auf dem Betrachter zu ruhen scheinen, ganz gleich, wo dieser steht.

Sie hatte jedoch auch ein anderes Gesicht: Als Mutter von 16 Kindern trat die alternde Kaiserin zunehmend autoritär auf. Eines Tages bemerkte sie, wie die Wiener Sängerknaben nach einem Konzert im Schloss die Gelegenheit ergriffen und übermütig ein Baugerüst erkletterten. Auf ihre Anordnung hin mussten sie unverzüglich den luftigen Ort verlassen. Wer sich nochmals auf dem Gerüst erwischen lasse, erhalte eine ordentliche Tracht Prügel, ließ sie ihnen als Warnung mit auf den Heimweg geben.

Tags darauf holten die Lakaien dennoch einen unbelehrbaren Sängerknaben auf den Boden der Tatsachen zurück: Joseph Haydn, so der Name des Unglücklichen, blieb als Denkzettel die angekündigte Strafe nicht erspart. Bei einem weiteren Auftritt der Sängerknaben deutete Maria Theresia auf Haydn, bei dem sich allmählich der Stimmbruch bemerkbar machte und rief vernehmlich "Der kräht ja"; Haydns Karriere als Wiener Sängerknabe war unwiderruflich beendet.

Ihre schwersten Stunden erlebte die Kaiserin, als sie ihr geliebter Ehemann Franz Stephan verließ. In tiefer Trauer über den Tod des kaiserlichen Gemahls, der ihretwillen sein Herzogtum Lothringen aufgegeben hatte, ließ sie das schwarze Vieux-Lacque-Zimmer mit chinesischen Kunstwerken einrichten.

Von der exotischen Tier- und Pflanzenwelt fasziniert, hatte die Kaiserin, die sich selbst der Pflanzenzucht widmete, Schönbrunn mit Europas größter Orangerie ausgestattet. Sechs Jahre nach dem Tode Maria Theresias, die tatkräftig die Gründung eines Naturhistorischen Museums gefördert hatte, fand dort der legendäre Wettstreit zwischen dem Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart und seinem Widersacher, dem Italiener Antonio Salieri, statt.

Als Sommerresidenz bevorzugte sie das ebenerdige Bergl-Zimmer im Ostflügel. Seine herrlichen Wandgemälde mit natürlichen und exotischen Szenerien, die der Maler Johann Wenzel Bergl geschaffen hatte, lagen bis zu ihrer Wiederentdeckung vor einem Jahrhundert unter einer grauen Damastdecke verborgen.

Inzwischen hat die Schlossverwaltung das einzigartige Bergl-Zimmer geschlossen. Daneben liegen Weiß-Gold-Zimmer und Kaiserin Elisabeths Turnsaal. Diese Räume werden heute mit der Orangerie für gesellschaftliche Anlässe und Kongresse vermietet. Die Einnahmen tragen dazu bei, die übrigen Zimmer der Schlossanlage, die jährlich bis zu eineinhalb Millionen Menschen aufsuchen, zu restaurieren.

Wie schnell der einst leuchtende Stern von Schönbrunn nach dem Tode der populären Kaiserin zu verblassen begann, lässt sich in den Räumen des vorigen Jahrhunderts nachvollziehen. Schon Maria Theresias Sohn Joseph II. zeigte Schönbrunn die kalte Schulter. Am liebsten hätte der Wegbereiter der österreichischen Aufklärung die ganze Anlage, deren Unterhalt Unsummen verschlang, nach Art der Kapuzinergruft, die er vermauern ließ, mit Brettern zunageln lassen.

Als Kaiser Franz Joseph I. mit seiner bayerischen Gemahlin Elisabeth von Wittelsbach im Schloss einzog, diente es schon überwiegend als Museum. Vor der Wiener Weltausstellung 1872, als sich die Doppelmonarchie von ihrer besten Seite zeigen wollte, wurden die Säle renoviert und oft völlig neu und prunkvoller als je zuvor ausgestattet. Aus jener Zeit stammt das legendäre Schönbrunner Schlossgelb an den Fassaden.

Der genügsame Kaiser

Der vorletzte Habsburger Herrscher, der sich als "Erster Diener des Staates" betrachtete, verachtete den Luxus und lehnte es ab, das Mobiliar seiner Vorgänger zu übernehmen. "Der Kaiser haust in Polstermöbeln, die nicht einmal in den schlechtesten Bürgerhäusern stehen", stellten die Hofbeamten mit Entsetzen fest. Ein Badezimmer kam für den Monarchen nicht in Frage. Er begnügte sich mit einem schlichten Marmorwaschtisch und schlief in einem zusammenklappbaren Bett aus Gusseisen. Mit Mühe und Not hatte man ihn dazu bewegen können, eine englische Toilette einbauen zu lassen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts war Schönbrunn dann auch an das Stromnetz angeschlossen.

Stand Maria Theresia im Mittelpunkt eines bewegten höfischen und familiären Lebens, unterhielt Franz Joseph I. so gut wie keine persönlichen Beziehungen zur Umwelt. Der einzelgängerische Kaiser, der überall Bilder seiner ermordeten Frau Elisabeth hatte anbringen lassen, bezeichnete sich selbst als "Anomalie in der heutigen Welt".

Bis zu Franz Josephs Tod 1916 entwickelte sich Schloss Schönbrunn mehr und mehr zum steinernen Symbol für eine erstarrte Politik in einem Vielvölkerstaat. Im Blauen Salon, so benannt nach seinen kostbaren Reistapeten aus China, ging 1918 das letzte Kapitel der Donaumonarchie zu Ende: Karl verzichtete auf die Kaiserwürde und unterzeichnete die Abdankungsurkunde. Zita hatte ihn der Legende nach vor diesem dramatischen Auftritt geraten, einen Bleistift zu verwenden, da die Unterschrift so mit der Zeit nicht mehr zu lesen sei und die Urkunde ungültig würde.

Auch dieser Kniff hätte herzlich wenig genützt, denn kurz darauf enteignete die neugegründete Republik Deutsch-Österreich das Kaiserhaus. Seither im Besitz der Republik Österreich, diente Schönbrunn 1955 als Kulisse für einen bedeutungsvollen Festakt. Im Galeriesaal fand das Festbankett zur Unterzeichnung des Staatsvertrags statt.

Längst hat sich die Republik mit der Monarchie versöhnt und schmückt sich mit den einst verfemten Symbolen; wenn der österreichische Bundespräsident am Fernsehen eine Ansprache hält, erscheint im Hintergrund immer ein Gemälde der Kaiserin Maria Theresia. Und auch der weiss-gold-rote Schönbrunner Hofdamast darf dabei nicht fehlen; mit Ananasmuster geschmückt, war der kostbare Stoff einstmals der kaiserlichen Familie vorbehalten.

Freitag, 19. Mai 2000

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