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Auf Etzels Spuren in Pöchlarn und anderswo

Der Hunnenkönig

Von Katalin Reviczky

Die kleine Donaustadt Pöchlarn im Nibelungengau, welche schon 832 unter dem Namen Castrum Herilongoburg in die Geschichte eingegangen ist, trug kurz darauf Namen, die viel mehr auf den heutigen schließen lassen: 1042 wurde sie als Bechlare, dann Bechelaren und de Pechlarn registriert.

Pöchlarn hat auch eine bemerkenswerte literarische Bedeutung. Nämlich zu einem der erinnerungswürdigsten Denkmäler deutschsprachiger Literatur, dem Nibelungenlied. Einige seiner Straßen erinnern heute noch an die Helden der Nibelungen-Saga. 1987 errichtete die Leitung der Stadt ein Denkmal, bestehend aus 16 Mosaikwappen, Symbolen von Städten, die Schauplätze des Nibelungengeschehens sind: unter anderem der Donaustadt Esztergom, einst königliche Residenz.

Das um 1200 entstandene Nibelungenlied, welches von Goethe als uralte Heidendichtung genannt wurde, ist in mehreren Fassungen erhalten geblieben. Zwei seiner Hauptfäden sind die Geschichte von Siegfried und Brunhilde, die mit dem Tod Siegfrieds endet, und der Untergang der Burgunder. Während die erste Geschichte kaum mit historischen Unterlagen zu beweisen ist, basiert die zweite auf einer historischen Grundlage: die Zerstörung der Burgunder durch die Hunnen im Jahre 437 sowie der Tod Etzels (auch Attila genannt) im Jahr 453 stehen im zeitlichen wie auch logischen Zusammenhang miteinander. Das wird auch von dem Wiener Altgermanisten Klaus Zatloukal in seiner Studie Das Nibelungenlied und Niederösterreich bestätigt. Wenngleich die unbekannten Dichter des Nibelungenliedes davon erzählen, dass die Germanin Hildiko (oder Krimhild) sich an Attila rächt, wird Attila in den Edda-Liedern eindeutig als Mörder der Burgunderkönige angesprochen. Auch wird im Heldenepos oft über Markgraf Rüdiger von Behelaren und seine weit und breit berühmte Gastfreundschaft geschrieben. Er war es, der für Attila um die Hand Krimhilds angehalten hat, als Freund und Gastgeber der Burgunder, die über Pöchlarn auf dem Weg nach Attilas Hof unterwegs waren.

Wo residierte aber dieser Hunnenkönig? Die Szekler meinten, Attila sei in Siebenbürgen zu Hause gewesen. Die Budaer meinten, in Alt-Ofen, doch historische Beschreibungen und Volkstraditionen betrachtend scheinen die Quellen am wahrscheinlichsten zu sein, laut deren Attila sein Hauptquartier in Szeged an der Theiss hatte.

Während sich im Westen germanische Stammesverbände entfalteten, zeigten sich auch im fernen Osten ähnliche Tendenzen. Die Untertanen des von chinesischen Waffen zerstörten Hunnenreiches schlossen sich in ähnlichen Verbänden zusammen und bewegten sich ins Herz Europas. Schon im 4. Jahrhundert besetzten die Hunnen und die von ihnen unterdrückten Germanen Dacien, Pannonien, Noricum und das Gebiet zwischen Donau und Theiss. Das Hunnenreich erstreckte sich von der Donau bis zur Drau und von den Alpen bis zur Wolga. Doch der Vielvölkercharakter dieses riesigen Gebietes, welches sich nach außen als einheitliches politisches und militärisches Reich zeigte, nahm erst nach Attilas Tod Gestalt an. Die Römer und die Germanen, die vor Attila das Haupt geneigt haben, machten 453 von der Möglichkeit sofort Gebrauch, sich von den Hunnen zu trennen, die sie verachteten.

Was war Attila für ein Mensch? Mittlere Körpergröße, schwarz bebartet, muskulös, scharfen Verstandes, gebildet und ein guter Stratege - so beschrieb ihn der ungarische Schriftsteller Géza Gárdonyi, in seinem wunderschönen historischen Roman Der unsichtbare Mensch - Gárdonyi (1863 bis 1922), dessen Vater noch Alexander Ziegler hieß und 1848 von Wien nach Pest übersiedelte. Gárdonyi führt uns ins Reich Attilas und schildert sehr geschichtstreu dessen Lebensführung. So berichtet er auch über die Hochzeit mit der schönen Königstochter Ildiko aus dem Abendland, die ihren Gemahl in der Hochzeitsnacht wahrscheinlich vergiftet hatte. Und jetzt kommt das Romantischeste und Geheimnisvollste: Attila wurde in einen dreifachen Sarkophag gelegt: in einen goldenen, weil er wie die Sonne für seine Hunnen war; in einen silbernen, weil er der Komet der Welt war, und einen eisernen, weil er wie Eisen gehärtet war.

Da die Hunnen ein Wandervolk waren, schien es ihnen am besten, die Grabstätte ihres Königs unauffindbar zu machen. Nach der Legende und nach Gárdonyis Roman hielten sie einen Arm der Theiss mit einem Damm auf und legten den dreifachen Sarkophag in sein von Blumen und Laub geschmücktes Flussbett.

Dutzende von Vertrauten und Gefährten Attilas wurden in schwarze Säcke gekleidet und mit den berühmten blitzschnellen Pfeilen getötet. Auch Attilas Lieblingspferd wurde dem Helden beigelegt. Als dann die Sterne zu Mitternacht am hellsten leuchteten, wurde das Wasser wieder in sein Flussbett geleitet.

Freitag, 14. April 2000

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