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Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Ein österreichischer Künstler und Hobbyarchäologe experimentiert mit der Keramiktechnik der Jungsteinzeit

Zivilisationswurzeln aus Lehm

Seit 25 Jahren „erfindet" der Wahlburgenländer Heinz Lackinger die Geschichte der Menschheit noch einmal. Was als Versuch begonnen hat, die Keramikproduktion der
Jungsteinzeit nachzuvollziehen, hat sich inzwischen zum profunden Know-how entwickelt, das Archäologen und Keramikexperten aus der ganzen Welt für Forschungen nutzen.

Begonnen hat alles mit einer scheinbar banalen Frage: Wie konnten die Menschen der Jungsteinzeit (6.000 bis 2.000 v. Chr.) mit ihrer sehr einfachen Technik hochwertige Keramiken herstellen? Wie bei
vielen Fragen stand am Anfang auch hier das Staunen. „Als ich erstmals jungsteinzeitliche Keramik studiert habe, fand ich einen Reichtum an Formen und Mustern vor, der durch die Massenproduktion
mit der Töpferscheibe wieder verlorengegangen ist", erläutert Lackinger sein Interesse für diese Periode der Menschheitsgeschichte. „Es waren aber viele Jahre und unzählige Versuche notwendig,
um jungsteinzeitliche und bronzezeitliche Keramik mit den damals gebrauchten Werkzeugen nachzumachen." So finden sich im Landesmuseum Eisenstadt einige keltische Stücke, wie die berühmte
Stierkopfurne, die von Lackinger mit urzeitlichen Techniken exakt kopiert wurden.

Die Keramik gehört seiner Meinung nach zum Schöpfungsmythos. „Am Anfang vieler Kulturen stand die Keramik. Sie war das erste Material, das vom Menschen geschaffen wurde. Auch die Bibel spricht
davon, daß der erste Mensch aus Lehm geschaffen wurde."

Die steinzeitliche „Vergangenheitsaufarbeitung" hat für Lackinger vor 25 Jahren auf dem Kirchberg in Donnerskirchen begonnen. Unweit einer archäologischen Fundstätte aus der Keltenzeit, die bei
Ausgrabungen unzählige kleine Scherben freigab, finden sich auch die dazugehörigen Tonlagerstätten. Der Hobbyarchäologe sucht vor allem nach roten und grauen Tonen, die nicht schwarz eingefärbt sind
und daher einen geringen Humusanteil aufweisen. Der Grund liegt darin, daß der organische Humus · wie jeder Kohlenstoff · während des Brennvorganges verbrennt und die Keramik so poröser, weniger fest
und wasserdurchlässiger wird.

Lackinger hat zu dem feinzerriebenen Gestein · um das es sich bei Ton handelt · eine besonders innige Beziehung, die er bei seinen regelmäßigen Steinzeittöpferkursen für Archäologiestudenten, Keramik-
und Urzeitinteressierte vermittelt: So wird schon bei der Suche das Silikatmineral mit den Händen zerrieben, um seine Geschmeidigkeit zu testen oder machmal auch gegessen, wobei der Keramiker
betont, daß Tonerde · wegen der großen Oberfläche der Silikatteilchen · wie Tierkohle bei Magenverstimmungen heilend wirkt.

Schon allein der Transport des feuchten Tons kann zu einem Problem werden, wenn kein Plastiksackerl in der Nähe ist. Lackners Lösung: Er klebt kleine Tonklumpen an einem Ast fest und kann so über
größere Strecken den Schlamm verlustfrei transportieren. Wie ein Steinzeitmensch hat sich der Burgenländer im Laufe der Jahre auch ein Gespür für die verschiedenen Qualitäten und Lagerstätten
erarbeitet.

Ist der Ton einmal gefunden, beginnt ein ausgefeilter Verarbeitungsprozeß, der nur mit Werkzeugen durchgeführt wird, die es auch schon zu archaischen Zeiten gab: glatte Steine, rauhe Steine,
Steinmesser, Holz, Dornen aus harten Sträuchern und Wasser sind dabei die wichtigsten Hilfsmittel. Anfängern empfiehlt der Steinzeitkeramiker, immer mit kleineren Stücken zu beginnen · am besten von
der Größe eines kleinen Schnapsstamperls.

Für den Keramikexperten steht fest, daß die steinzeitliche Herstellung von Gefäßen, Amuletten und Statuen aus Ton schon von den damaligen Menschen in Form von Regeln weitergegeben wurde. Lackingers
„Steinzeitregel" Nummer 1 lautet, daß der Ton geschmeidig sein muß. Heute gelingt es dem Künstler sogar, 20 cm hohe Gefäße mit einer Wandstärke von nur 1,5 mm herzustellen. „Um einen dünnwandigen
Behälter herzustellen, benötige ich oft einen ganzen Tag", erläutert der Steinzeittöpfer.

Die feuchte Keramik wird langsam an einer offenen Feuerstelle getrocknet, wobei sie immer wieder gedreht werden muß, um einen gleichmäßigen Trocknungsvorgang zu gewährleisten. Die für die
Jungsteinzeit typischen Muster werden mit Dornen eingeritzt. Die Farben bestehen hauptsächlich aus Eisenoxiden, die schon damals ein bedeutendes Handelsgut waren.

Kurz bevor die Keramik gänzlich trocken ist, wird sie mit einem rauhen Stein und später mit einem glatten Kiesel geschliffen und poliert. Völlig falsch wäre es, das Gefäß gleich mit dem offenen Feuer
in Berührung kommen zu lassen. Regel Nummer 2 besagt nämlich, daß die Keramik erst dann gebrannt wird, wenn die Spucke beim Trocknen zischt. Zum Brennen wird unter- und oberhalb des getrockneten
Stückes eine dicke, luftundurchlässige Holzschicht (Regel Nummer 3) aufgelegt. Die Brenntemperatur beträgt 600 bis 700 Grad Celsius, die Brennzeit rund 15 Minuten. Danach wird die Keramik in einer
Wassergrube abgeschreckt · zerspringt das Gefäß nicht, so hat es keine Haarrisse und bleibt dicht.

Freitag, 13. November 1998

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