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Zwischen Erfolg und Flop: die Wiener Weltausstellung 1873

Ein zweites Königgrätz ?

Von Isabella Ackerl

In Österreich bemühten sich schon seit 1868 verschiedene Industrielle um die Abhaltung einer Weltausstellung, u. a. der Erzeuger von feuersicheren Panzerschränken Franz Wertheim. 1870 erging
ein zustimmendes kaiserliches Handschreiben, im gleichen Jahr wurde ein Garantiefonds zur Sicherung der nötigen Finanzierung zur Zeichnung aufgelegt. Mit der Ernennung von Wilhelm Schwarz-Senborn,
einem international bekannten Ausstellungsfachmann, der allerdings erst nach Ende der Belagerung der Pariser Kommune im Sommer 1871 nach Wien kam, begannen · sicherlich verspätet · die konkreten
Planungen. Ein Kreditrahmen von 6 Mill. Gulden wurde als ausreichend erachtet.

Von Anfang an wollte man der Wiener Weltausstellung ein unverwechselbares Profil geben, vor allem dadurch, daß alles größer und gewaltiger sein sollte als bisher. Als Ausstellungsfläche wurde der
Prater zwischen Donau und Donaukanal gewählt, einst kaiserliches Jagdrevier, nun Erholungsgebiet der Wiener Bevölkerung. Daß die Natur als Kulisse in die Ausstellungsgestaltung einbezogen wurde, galt
als eine zusätzliche Qualität der Ausstellung. Im Prater wurden daher alle alten Buden geschleift und durch neue, ordentlichere Gebäude ersetzt.

Die Ausstellungsfläche betrug 233 ha (zum Vergleich: das war sechsmal größer als die für die abgesagte Weltausstellung des Jahres 1995 in Wien vorgesehene Fläche). Als städtebaulich bedeutsam wurde
auch angesehen, daß mit der Lokalisierung im Prater ein starker Bezug zur Donau und damit zu diesem geopolitischen Aspekt der Stadt hergestellt wurde. Wien wollte und konnte sich als neue Metropole
an der Donau präsentieren. Nach der Schleifung der Befestigungsanlagen hatte die Stadt durch die neuangelegte Ringstraße weltstädtisches Flair erlangt.

Der spektakulärste Neubau für die Weltausstellung, die von dem Engländer Scott Russel geplante Rotunde (ein Rundbau im Durchmesser von 108 m, die Kuppelhöhe betrug 84 m), verschlang mehr als das
veranschlagte Gesamtbudget, so daß schon 1872 eine Erhöhung des Budgetrahmens um 7 Mill. Gulden erfolgen mußte. Nicht zuletzt führte der Zeitdruck, unter dem alle Neubauten standen, zu erheblichen
Mehrkosten.

Den Hauptteil der Weltausstellung bildeten die Warenausstellungen, die in 26 Gruppen gegliedert waren. Dazu kamen noch Themenausstellungen wie „Geschichte der Erfindungen" oder „Geschichte der
Gewerbe". Von den Kommentatoren sehr gelobt wurde der österreichische Schwerpunkt „Bildungswesen", dessen soziale Gewichtung beeindruckte. Ebenso gefiel die Einbeziehung des zeitgenössischen
Kunstschaffens. Für das Kunsthandwerk, dessen Leistungen traditionell bei Weltausstellungen mit zahlreichen Medaillen prämiert wurden, konnte eine positive Bilanz gezogen werden. Bei der berühmten
Preisverleihung durch den Ausstellungsprotektor Erzherzog Karl Ludwig, einen Bruder des Kaisers, in der Winterreitschule wurden insgesamt an die 40.000 Medaillen, Diplome und Preise vergeben. Mit den
Prämierungen waren natürlich auch weitere wirtschaftliche Erfolge verknüpft. Wiener Luxusgüterproduzenten wie die Firmen Haas, Lobmeyr oder Thonet begründeten so ihren Weltruf.

Enttäuschte Erwartungen

Wenige Tage nach der feierlichen Eröffnung am 1 .Mai 1873 durch den Kaiser versetzte eine schwere Wirtschaftskrise allen optimistischen Erwartungen einen Dämpfer. Am 8. Mai kam es zu einem
Börsenkrach mit weitreichenden Folgen, allein an diesem Tag ereigneten sich 110 Insolvenzen. Als weitere Katastrophe auch für die Reputation Wiens als Ausstellungsstadt erwies sich der Ausbruch einer
Choleraepidemie, die sich hemmend auf den Besucherzustrom auswirkte. Die Epidemie grassierte zwar vorwiegend in den Elendsvierteln der Stadt, deren Wasserversorgung mangelhaft war (die Wiener
Hochquellen-Wasserleitung wurde erst im Oktober 1873 fertiggestellt), doch hielt sie manchen potentiellen Besucher ab.

Insgesamt besuchten bis zum 31 .Oktober 1873 etwa 7,3 Millionen Menschen die Weltausstellung, was nicht ausreichte, um den Aufwand zu decken. Ein beachtliches Defizit · insgesamt 19 Mill. Gulden ·
war die Folge. So verwundert es nicht, daß die Zeitgenossen trotz einzelner glanzvoller Highlights, wie elegante oder exotische Staatsbesuche, die Weltausstellung insgesamt als einen schweren
Mißerfolg empfanden. Der Publizist und Autor Ferdinand Kürnberger bezeichnete die Weltausstellung als „unser zweites Königgrätz" in Anspielung auf Österreichs Niederlage gegen Preußen bei Königgrätz
im Jahr 1866.

Zunächst muß man davon ausgehen, daß man im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts den Begriff „Umwegrentabilität" nicht kannte und auch Langzeitfolgen nicht ins Kalkül zog. Wenn auch der
unmittelbare Befund enttäuschend und finanziell desaströs ausfiel, kann doch auch eine Reihe von positiven Aspekten gefunden werden. Die schon erwähnte kostspielige Rotunde blieb der Stadt als
architektonisches Wahrzeichen erhalten und diente noch Jahrzehnte bis zu ihrer Vernichtung durch einen Brand im Jahr 1937 als Ausstellungsraum bzw. Mehrzweckhalle.

Die im Zuge der Vorbereitungen für die Weltausstellung gesetzten infrastrukturellen Maßnahmen haben sich für die Stadt Wien insgesamt positiv ausgewirkt und wären sicherlich ohne die Weltausstellung
erst viel später in die Tat umgesetzt worden. Diese Reformen begannen bei der Verkehrsplanung und der Inbetriebnahme neuer Linien der Pferdebahn, gingen über die Schaffung von Luxushotels und
Beherbergungsbetrieben der gehobenen Klasse zur Errichtung von neuen Brücken über den Donaukanal. Ein ganz wesentlicher Aspekt war die weitere Regulierung der bis in die sechziger Jahre in zahlreiche
Arme sich teilenden Donau, die immer wieder schwere Überschwemmungen im Stadtgebiet verursacht hatte.

Der Erfolg von Weltausstellungen im 19. Jahrhundert ergab sich aus der Tatsache der noch mangelnden internationalen Kommunikationsmöglichkeiten. Die Menschen damals staunten und bestaunten, was
Erfindergeist in der ganzen Welt zustande bringen konnte. Man war geistig noch unterwegs zu den Utopien eines Jules Verne, der bis dahin Unvorstellbares niederzuschreiben wagte. So muß der ideelle
Effekt, die Dokumentation österreichischer Leistungen vor der ganzen Welt als hervorragend angesehen werden. Nicht weniger wichtig war die Begegnung mit dem industriellen und künstlerischen Schaffen
anderer Länder. Gerade die Kontakte zum ostasiatischen Raum wurden für die österreichischen Handelsbeziehungen der nächsten Dezennien prägend. Befruchtend erwies sich auch jener Bereich des
Ausstellungskonzepts, der neben die Präsentation von Produkten den Gedankenaustausch zu den verschiedensten Themen im Wege von Tagungen und Kongressen stellte. Insgesamt fanden 16 Kongresse statt,
die in ihren Ergebnissen unterschiedlich bewertet wurden. Eine der ganz wichtigen internationalen Zusammenkünfte war der Patentkongreß, auf dem die Wege für eine internationale Lösung des
Patentrechts gefunden wurden.

Politische Folgen

Diese Palette an Mißerfolgen gepaart mit positiven Langzeitfolgen hatte auch politische Konsequenzen. In diesem „Epochenjahr" der österreichischen Geschichte wurde der übersteigerte
Wirtschaftsoptimismus der letzten beiden Jahrzehnte gebremst. Denn nicht zuletzt hatte die Spekulationswut den Börsenkrach mitverschuldet. Der Liberalismus mit seinem schrankenlosen „Laissez faire"
mußte abdanken, am politischen Horizont tauchten die späteren Massenparteien auf, die die bisher stiefmütterlich behandelte soziale Frage auf ihre Fahnen schrieben.

Die aus Anlaß der Weltausstellung stattfindenden Besuche von Regenten und Regierungsschefs aus der ganzen WeIt verliehen dem Ereignis nicht nur gesellschaftliche Höhepunkte, sondern wurden auch Anlaß
zu wertvollen politischen Kontakten. Die Schönheit von Kaiserin Elisabeth war dabei eine wichtige Trumpfkarte des gastgebenden Kaisers. Der persische Schah Nasr-ad-Din, wegen seiner seltsamen
Eskapaden in ganz Europa bekannt, sah sich angeblich sogar zu einem Kaufangebot an Kaiser Franz Joseph veranlaßt, was dieser natürlich höflich, aber bestimmt zurückwies. Für die Balkanstaaten wie
Serbien, Montenegro oder Rumänien, die sich erst seit kurzem ihrer Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erfreuten, war die Wiener Weltausstellung eine gute Gelegenheit, sich international zu
präsentieren, zumal sie von Wien besonders herzlich willkommen geheißen wurden.

Freitag, 14. August 1998

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