Die Donauinsel hat gerade wieder Saison: Feste, Spiele, Spaß und jede Menge Erholung. Doch genauso wichtig ist sie, wenn jeder Spaß aufhört. Wenn die schöne blaue Donau zum braunen Ungeheuer wird.
In Kaisermühlen, in Aspern oder in Stadlau zu leben war noch vor 150 Jahren ein echtes Abenteuer. Etwa alle 30 Jahre gab es so verheerende Überschwemmungen, dass Mann und Maus und Haus fortgeschwemmt wurden. Die Donau grub sich immer wieder woanders ein neues Bett, die Landschaft veränderte sich dauernd, die Menschen mieden diese unsicheren Gegenden.
Doch die Hauptstadt eines riesigen Kaiserreiches brauchte Platz. Und so wurde unter Kaiser Franz Joseph um 1880 das Überschwemmungsgebiet angelegt, in das frühjährliches "Wildwasser" geregelt ausweichen konnte. Dämme wurden errichtet und die Donau in ein festes Bett gezwungen. Und der 2. Bezirk und "Transdanubien" blühten auf.
Doch die Donau zeigte sich noch immer nicht zahm genug. Weitere Regulierungspläne mussten jedoch in die Lade gelegt werden, denn der Erste und Zweite Weltkrieg waren die größeren Sorgen.
Und dann kam der Wiederaufbau. 1957 gab es die ersten Studien zur Donauregulierung, 40 Jahre später war das Werk vollbracht, die Donauinsel mit Wehren, Dammsystemen, Brücken und Begrünung, mit Wegen, Beleuchtung und Uferanlagen fertig.
500 Jahre Katastrophen
Viele werden sich noch an das Hochwasser von 1975 erinnern, als trotz Hochwasserschutz (aber noch nicht fertiger Donauinsel!) der Mexikoplatz mit Booten befahren werden konnte. Die größte Katastrophe in der verzeichneten Geschichte ist aber schon einige Zeit her und noch heute an den ältesten Häusern Wiens abzulesen, nämlich genau 500 Jahren: Am 13. August 1501 stand fast ganz Niederösterreich unter Wasser. Sogar im hoch über der Donau gelegenen Stift Melk stieg das Wasser ". . . bis über den Altartisch", in Wien umspülte es den Stefansdom, der Bisamberg wurde zur Insel.
Dieser Wasserstand, dieses "1.000-jährige Hochwasser" wurde zum Maßstab für das Ausmaß der nötigen Schutzbauten: Sie mussten, so rechnete man sich aus, eine Durchflussmenge von 14 Millionen Litern (!) pro Sekunde im Zaum halten können.
Wohin mit dem Schotter?
Da die Donau ja bereits rechts und links dicht besiedelt ist und auch hohe Dämme reißendem Hochwasser nicht immer standhalten können (siehe 1975), musste man, weil ein Verbreitern des Donaubeckens nicht möglich war, in die Tiefe gehen. Die Donau selbst lässt sich nicht tiefer eingraben, weil sie sich mit ständig nachfließendem Schotter wieder auffüllt. Also musste ein zweiter Arm gebuddelt werden.
Und da ergab sich das Aufschütten einer Insel mit dem Aushubmaterial wie von selbst. Daneben wurden noch die Dämme erhöht, und so ist der Durchfluss von 14.000 m³ pro Sekunde möglich: 8.800 m³ fließen im Hauptstrom und, wenn die Schleusen geöffnet sind, 5.200 m³ in der Neuen Donau.
Ein Einlaufbauwerk und zwei Wehre regeln den Wasserdurchfluss und die Wassertiefe, die normalerweise zwischen 2 und 6 m liegt, bei Hochwasser dann bis 11,5 m ansteigen kann.
Ein Urlaubsland
Hätte man sie nicht gebraucht, hätte man sie erfinden müssen, diese Freizeitoase der Wiener - und vieler hunderttausender Niederösterreicher, Ungarn, Tschechen und Slowaken. Sie alle, bis zu 300.000 Besucher an einem schönen Sommerwochenende, gönnen sich einen Kurzurlaub in diesem riesigen Erholungsgebiet mit 70 ha Wiesen und 180 ha Wald (zum Vergleich: ein einziger Hektar, 10.000 m² , hat etwa die Größe eines mittleren Fußballfeldes).
Dazu musste zuerst einmal der öde Schotter und Sand auf den ganzen 21 km Länge mit Humus belegt werden. Den holte man sich möglichst von anderen Großbaustellen in Wien. 20 cm Tiefe hatten zu genügen. Dann modellierte man den einförmigen Schotterhaufen hügelig und begann ein Wegenetz von etwa 60 km Hauptwegen anzulegen (die beiden Treppelwege rechts uns links am Ufer nicht mitgerechnet), das gleich wieder von der Natur umgestaltet wurde: Teiche wie der "Triton-Teich" und "Toter Grund" hatten sich gebildet, Uferschwalbenkolonien hatten bestimmte Sandhaufen in Besitz genommen. Und man ließ sie gewähren, freute sich über die ersten "Besucher".
Wenig Regen, guter Wind
Auf dem zwischen 50 und 200 m breiten Areal wurden dann 1,8 Millionen Bäume und Sträucher gesetzt, die zuerst einmal heftig bewässert werden mussten, denn diese Gegend Richtung Marchfeld - übrigens das niederschlagsärmste Gebiet Österreichs - wird zur Freude der Inselbesucher, zum Nachteil der Vegetation nur spärlich beregnet: Während im Westen Wiens 850 mm Niederschlag das Grün üppig wuchern lassen, müssen die Pflanzen auf der Donauinsel mit 600 mm im Jahr auskommen. Auch der Wind in diesem Surf-Paradies macht die Ansiedlung von Pflanzen nicht gerade einfach.
Und so wurde acht intensive Jahre lang liebevoll gegossen und gejätet, bis die richtigen Pflanzen ihre Wurzelsystem ins Grundwasser gebohrt hatten, was die heute gar nicht mehr ganz nachvollziehbaren Baukosten - nur für den direkten Inselbereich schätzt man etwa 4,5 Milliarden Schilling - um weitere 300.000 Schilling pro ha vergrößerten. Aber es hat sich ausgezahlt: Die richtige Auswahl der Bäume und Büsche wie Wildäpfel, Birne, Hagebutte oder Schlehdorn bietet einer vielfältigen Tierwelt Lebensraum.
"Jedem das Seine" wünschte man sich auch bei der Ausgestaltung für die Kurzurlauber. So wurde die Insel in drei Bereiche geteilt: Der Mittlere - etwa von der Floridsdorfer Brücke bis zur Praterbrücke - "gehört" dem Gartenbauamt der MA 42, das auch für die Grünflächen in der Stadt verantwortlich ist. Das wurde zum Unterhaltungsteil mit Liegewiesen, Wasserspielen, Skateboard-Bahnen und asphaltierten, beleuchteten Wegen, die durch die Unzahl an Lokalen und Summerstages, an Sportgeschäften und Spiel"höllen" vorbeiführen.
Für den oberen und unteren Teil der Donauinsel ist das Forstamt MA 49 zuständig: Hier gibt es echte Blumenwiesen, die nur zweimal im Jahr gemäht werden, und wildes Baum- und Buschwerk. Von der Kuchelau bis zur Floridsdorfer Brücke kann man sich wirklich wie in der Wildnis fühlen.
Und von der Praterbrücke bis zur Lobau ist man ganz traditionell wie "unter Wilden": Dort kann man nackt baden, was bei ahnungslos durchradelnden Familien immer wieder zu starren Blicken und roten Köpfen führt. Doch wem's nicht passt, der muss ja nicht hinschauen.
Friedlich geht es jedenfalls überall zu auf der Insel. Das bestätigt die Polizei, die dort regelmäßig ihren Streifendienst per Rad, zu Fuß oder mit dem Funkwagen macht. Ein paar kleinere Raufereien, verlorene Kinder und Hunde (für die es eigene Kinderfundstellen und Tierannahmestellen gibt) sind die häufigsten "kriminellen Vorkommnisse". Selbst beim Donauinselfest, wenn sich drei Millionen Besucher im größten Park Mitteleuropas drängen, passiert nur wenig. Hauptsorge der 200 zusätzlichen Beamten ist eher, dass niemand erdrückt oder niedergetrampelt wird.
Selbst Vandalismus gibt's kaum. Seit man sich Grillholz um ein paar Schillinge zu jedem der 16 fixen Grillplätze und sogar auf verschiedene Grillwiesen, wohin man seinen eigenen Griller mitbringt, bestellen kann (Tel.: 4000/96 4 96) werden auch die Tische und Bänke geschont, die früher für einige Dümmlinge als Brennholz herhalten mussten.
Was wäre, wenn . . .
Sollten wirklich wieder einmal nach einem langen, schneereichen Winter plötzlich starke und warme Regenfälle einsetzen - die beste Voraussetzung für ein heftigeres Hochwasser -, dann gibt es natürlich viele Stunden Vorwarnung. Kleinere Hochwasser finden ja jährlich statt und putzen die Neue Donau ordentlich durch.
Eigentlich weiß man schon Tage davor Bescheid, denn zuerst lässt man die Donau ansteigen, dann wird das stehende Gewässer Neue Donau zum Fluss gemacht. Dann werden rote Fahnen gehisst, das Baden verboten, und wenn das Hochwasser vorbei ist, wird noch 14 Tage gewartet, bis der feine Schlick, der, von weit hergetragen, das Flutwasser braun färbt und verschmutzt, wieder fortgerissen worden ist, das Wasser wieder klar und sauber wurde. Und die Urlaubsstimmung an der Copa Kagrana kann wieder loslegen.
Sollte es zu einer Katastrophe kommen wie 1501, dann wären viele der fröhlichen Flöße, sommerlichen Stege und trinkfreundlichen Terrassen, sind sie nicht abzumontieren, bald weggeschwemmt. Aber dazu bleiben - statistisch gesehen - noch 1.500 Jahre Zeit.
Freitag, 03. August 2001