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Der Karlsplatz ist ein altes Sorgenkind der Wiener Stadtplaner

Wo einst die Wien floss

Von Christa Veigl

Schuld ist Fischer von Erlach. Oder Karl VI.? Jedenfalls beauftragte Letzterer Ersteren 1715 mit dem Bau der Karlskirche - und das ganz ohne Rücksicht auf die Platz-Regulierungsprobleme, die sich für spätere Generationen aus der Lage der Karlskirche ergeben sollten. Dabei liegt schon der Bauplatz der Kirche zu dem später entstandenen Karlsplatz in keinem geordneten geometrischen Verhältnis. Für Karl VI. lag er allerdings richtig in der Achse Augustinerstraße-Argentinierstraße zwischen Regierungsschloss (Hofburg) und Lustschloss (Favorita, heute teils im Theresianum erhalten), zudem malerisch auf einem Hügel am weitgehend noch unverbauten Vorstadtufer der Wien.

Die Karlskirche mit mächtiger Kuppel und verdoppelter Trajansäule, Architektur der römischen Kaiserzeit zitierend und das Selbstbild Karls VI. als Kaiser des römischen Reiches deutscher Nation illustrierend, beherrschte etwa 100 Jahre lang allein das südliche Flussufer der Wien - bis von 1816 an das Polytechnikum (TU) südwestlich der Karlskirche emporwuchs. Architekt Schemerl blieb mit seiner ionischen Säulenordnung ein Register unter der korinthischen von Sankt Karl, und auch in der Bauhöhe war sein Haus ein untergeordneter Nachbar; das vierte Geschoss der Technik wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts aufgestockt.

Mit der Stadterweiterung von 1850 kam das ehemals vorstädtische Ufer der Wien - heute der südliche Teil des Karlsplatzes - zur Stadt. In dem 1858 ausgeschriebenen "Concurs zur Erlangung eines Grundplanes für die [...] Erweiterung und Regulierung der inneren Stadt Wien" ging es um Widmung und Verbauung der durch Abbruch der Befestigungswerke und Freigabe der Glacis gewonnenen Stadterweiterungsgebiete (Ringstraßenzone) und deren Verbindung mit den angrenzenden Vorstädten.

Verkleinerungsversuche

Mehrere Projektanten zähmten das inzwischen parkartige Formen zeigende Gelände am südlichen Wien-Ufer durch Verkleinerung. So auch von Sicardsburg und van der Nüll, die den Grünraum an der Westkante des Polytechnikums enden ließen und beiderseits der Wiedner Hauptstraße lang gestreckte Baukörper anordneten. Daraus wurde nichts, vielmehr bekam die Technik zwischen 1860 und 1862 einen Nachbarn in Gestalt von Theophil Hansens Evangelischer Schule. Im Übrigen blieb das ehemals vorstädtische Ufer unverbaut. Am Innenstadtufer, dem zum developing freigegebenen Glacis, wurden Lothringerstraße und Giselastraße (Bösendorferstraße) angelegt, Handelsakademie (HAK), Künstlerhaus und Musikverein entstanden, wie die Zinshausverbauung zwischen Wienfluss und Walfischgasse, in den 1860igern.

Die nächste Stadterweiterung (1890/92) gab den Anstoß zu dem seit Jahrzehnten in Planung befindlichen Stadtbahnbau. Eine der Stadtbahn-Linien, die Wiental-Linie, sollte parallel zum entsprechend zu regulierenden Flussbett geführt werden, als Tiefbahn, die bei Bedarf überall eingedeckt werden könnte. Zentrumsnah, etwa zwischen Getreidemarkt und Stadtpark, mussten Bahntrasse und Wienfluss sofort unter der Erde verschwinden. Und mit der Einwölbung des Wienflusses kamen die Uferzonen zueinander - der Karlsplatz konnte entstehen.

In einem weiteren großen Stadtplanungswettbewerb "zur Erlangung von Entwürfen für einen General-Regulierungsplan" (1892-94) waren die Teilnehmer u. a. aufgefordert, Regulierungsideen für den zukünftigen Karlsplatz einzubringen. Die Ex-aequo-Sieger Otto Wagner und Josef Stübben schlugen für den nördlichen "Stadttheil am Wienflusse" übereinstimmend eine Fortsetzung der Ringstraßenblockbebauung vor: Sie konzipierten zwischen der Lothringerstraße (heute Karlsplatz 1-6) und einer neuen Straße über der eingewölbten Wien eine Gebäudereihe, die HAK, Künstlerhaus und Musikverein vom zukünftigen Karlsplatz abgeschnitten hätte. Während Stübben einen relativ großen Bahnhof über die eingewölbte Wien in die Achse HAK - Künstlerhaus - Technik stellt, ordnet Wagner, hierin vermutlich dem offiziellen Stadtbahn-Programm folgend, in der Achse Kärntner Straße-Wiedner Hauptstraße zwei kleine Stationspavillons an. Die Haltestelle sollte, nach der bis zur Einwölbung an dieser Stelle über den Wienfluss führenden Brücke, den Namen "Elisabeth-Brücke" tragen.

Das große "Karlsplatz"-Areal hat Wagner in drei Parzellen unterteilt: in einen "Elisabeth-Platz" zwischen Operngasse und Kärntner Straße, den heute u. a. die reduzierte Kunsthalle einnimmt, daran anschließend einen langgestreckten "Techniker-Platz", dem ungefähr der Resselpark entspricht, und schließlich einen "Karlskirchen-Platz", heute von einem Becken mit einer Plastik von Henry Moore besetzt.

Realisiert wurde weder Stübbens noch Wagners Karlsplatz-Variante. Die Stationspavillons der Stadtbahn wanderten in die Achse der Akademiestraße und wurden 1899 als "Haltestelle Karlsplatz" eröffnet. Wie bei allen Stadtbahn-Stationen stammt die architektonische Gestaltung von Otto Wagner. Dass er sie von seiner Grundtype für die Tiefbahn-Stationen (Stadtpark, Pilgramgasse, Friedensbrücke . . . ) abweichen lässt, liegt an der Karlskirche, der er in Aufriss und Bogenform Tribut zollt.

Gleichzeitig mit der Einwölbung der Wien und dem Bau der Stadtbahn lief neuerlich ein "Preis-Ausschreiben", diesmal "für die Ausgestaltung der Façaden des Karlskirchenplatzes" (1898/99). Dieser Wettbewerb kam zu spät, denn zur gleichen Zeit wurde die Technik um das vierte Geschoß aufgestockt und damit wurden - so das Gutachten des Preisgerichtes - die "Bemühungen der Gemeinde um harmonische Gestaltung dieses Platzes in letzter Stunde durchkreuzt".

Otto Wagner hatte sich an diesem Wettbwerb nicht beteiligt. Sein Schüler Max Fabiani gewann den ersten Preis mit einer zurückhaltenden Fassadengestaltung. Diese war im Sinne Wagners, der argumentierte, dass die Wirkung der Karlskirche - "das schönste Bauwerk Wiens" (Otto Wagner) - nur durch eine Umgebung mit ruhigen Fassaden erhalten werden könne. Die baukünstlerischen Motive der Kirche selbst, wie Säulen, Portikus, Giebel oder Kuppel, seien daher zu vermeiden. Genau das tat Franz R. v. Neumann, dessen Projekt den zweiten Preis erhielt, nicht: Er wandte die ionische Kolossalordnung der Technik auf die zu errichtenden Gebäude rund um die Karlskirche an.

Kampf ums Stadtmuseum

Unmittelbare Folgen hatte jedoch auch dieser Wettbewerb nicht, und die eigentliche Schlacht um die Fassaden am Karlsplatz entbrannte an der Idee, ein Stadtmuseum an der Nordseite der Karlskirche zu errichten. Je nach Zählung hat Otto Wagner zwischen 1903 und 1910 für das Museum am Karlsplatz drei bis acht Varianten erarbeitet. Peter Haiko gab diesem Kapitel der Stadtgeschichte den Titel "Das Scheitern der Moderne in Wien", wobei die Moderne in den verschienen Entwürfen Wagners repräsentiert ist. Im Unterschied zu anderen Wettbewerbsniederlagen Wagners (Technisches Museum, Kriegsministerium), wo Neo-Barock siegte und gebaut wurde, kam jedoch am Karlsplatz auch nicht das Projekt seines in üppigem Neo-Barock entwerfenden Hauptkontrahenten Friedrich Schachner zum Zug. Gebaut wurde am Ende (der Monarchie 1918) vorläufig gar nichts.

In der Zwischenkriegszeit kochte das Planungsunternehmen Karlsplatz auf Sparflamme, erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Wettbewerbsreigen wieder auf Trab: 1946 Gestaltung von Karlsplatz und Umgebung, 1953 Wettbewerb für das städtische Museum, ehemals Kaiser-Franz-Josef-Stadtmuseum, diesmal mit konkreten Folgen: dem Historischen Museum der Stadt Wien (nunmehr Wien Museum), von Oswald Haerdtl 1954 bis 1959 erbaut.

Danach ging es mit Studien und Konkurrenzen weiter. Nachhaltigen Einfluss hatte erst wieder der Karlsplatz-Wettbewerb von 1971 in Verbindung mit dem U-Bahn-Bau. Das vom "Kurier" (29. Mai 1977) als "Verplant in alle Ewigkeit" schwarz gesehene Resultat machte sich bemerkbar in der sukzessiven Eröffnung der den Karlsplatz tangierenden Abschnitte der Linien U1, 2 und 4 (1978-80), in der Errichtung des Winterthur-Hauses zwischen Museum und Karlskirche, der Aufstellung der Moore-Plastik "Hill Arches" in einem ovalen Wasserbassin vor der Kirche, der Neu-Errichtung der renovierten Stadtbahn-Pavillons und vor allem in einer Art Umkehrung der früheren Terrainverhältnisse.

Während einst die Karlskirche auf einem zum Wienflussufer hin abfallenden Gelände thronte, thronen nun Wagners Stadtbahn-Pavillons auf einem hügelartigen Plateau, mehr als zwei Meter höher als ursprünglich geplant - und der offenen Bahnsteige, die sie überbrückten, beraubt. Die Bahnsteige der Tiefbahn waren u. a. deshalb nach oben hin offen, weil die Stadtbahn einst mit Dampf betrieben wurde; Stationspavillons und Bahnsteige bildeten eine Einheit. Die Eingangsseiten der Pavillons, zwischen denen die Akademiestraße durchführte und Passagiere zubrachte und aufnahm, blicken nun auf eine Plattform mit Einschnitt ins Passagengeschoß und Heckenbegrenzungen in der Achse der früheren Durchfahrt. Der ursprüngliche Funktionszusammenhang der Pavillons, die nur noch Denkmäler ihrer selbst sind, ist kaum mehr zu ahnen. Der eine ist als Ausstellungsraum, der andere als Café in Verwendung.

Auch die seitdem vergangenen zwei Jahrzehnte sind am Karlsplatz nicht spurlos vorübergegangen. Bis 1987 rückte die Bibliothek der TU dem Porrhaus auf den Leib und wurde stadtbekannt dank Bruno Webers monumentaler, Frau Eule darstellender, Plastik. Im Mündungsbereich der Hauptpassage zum Resselpark hat sich eine Drogenszene nachhaltig etabliert. 1992 wurde die Kunsthalle von Adolf Krischanitz Gebaut, aber nur als Provisorium, um dem Mangel einer Wiener Kunst-Ausstellungshalle bis zu deren Errichtung im MuseumsQuartier abzuhelfen. Inzwischen ist das Provisorium wegen Erfolges als Verkleinerung unter dem Namen "Project Space" prolongiert.

Eine neue Wettbewerbsidee hatte der Künstlerhauspräsident Manfred Nehrer 1998, anlässlich der Umbauten für die Verlängerung der U2. Die Wettbewerbssieger Jabornegg & Pálffy schlugen neben einer Ausstellungshalle (Nachnutzung der beim Bau der U-Bahn-Wendeanlage entstandenen unterirdischen Hohlräume) auch vor, etwas gegen das Verkehrsproblem am Karlsplatz zu unternehmen: Rückbau der sechsspurigen Stadtautobahn auf vier Spuren. Aus heutiger Sicht ein doppelt heroisches Unterfangen, hätte es doch nicht nur die heilige Kuh Individualverkehr angetastet, sondern auch die seit der Neu-Gründung der Albertina als Ausstellungshalle (2003) endgültig chaotisch anmutende Ausstellungssituation in Wien. Fazit: ein Karlsplatz-Wettbewerbssieger mehr.

Lichten und Schlichten

Inzwischen ist etwas Gras über die Sache gewachsen, und es ist von der Stadtverwaltung wahrscheinlich weise, nach rund 150-jähriger Wettbewerbsaktivität am Karlsplatz keinen weiteren Wettbewerb mehr auszuschreiben. Vielmehr haben Vertreter der zuständigen Magistratsabteilungen und der Wiener Linien mit einer Gruppe von Architekten, Landschaftsplanern und einer Lichtgestalterin ein Konzept "von Maßnahmen mit unterschiedlicher Eingriffstiefe und damit unterschiedlichen Aufwands" entwickelt, das den Karlsplatz nicht spektakulär, aber von der Nutzung her entscheidend verändern würde. (So die "Rathauskorrespondenz" vom 2. 12. 2004.)

Da wäre einmal der Marketing-Titel "Kunstplatz Karlsplatz", der fast nichts kostet und zum Ausdruck bringt, dass der Karlsplatz mit Secession, Kunsthallen-Ableger Project Space, Evangelischer Schule, TU, Karlskirche, Wien Museum, Musikverein, Künstlerhausund HAK ein kulturelles Gravitationsfeld ist - von etwas exzentrischer gelegenen Institutionen nicht zu reden. Ihr Zu- und Nebeneinander durch Lichtung der Hecken, Wegeführung und Beleuchtung wieder sichtbar zu machen, ist eines der Ziele des Konzepts.

Außerdem soll eine bessere Übersicht für die Benutzer erreicht werden, sodass niemand mehr Gefahr läuft, nach dem Untertauchen in einer der Passagen an einem Ort wieder aufzutauchen, an den er gar nicht wollte. Und erstmals soll es möglich sein, zielgenau die Secession zu erreichen, weil die Haupt-, bzw. Opernpassage verlängert wird und bei der Secession ein neuer Aufgang entsteht.

Freitag, 01. April 2005

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