EU-Kommissar gerät ins Kreuzfeuer.
"Offert ist falsch und geht zu weit".
Genf. (reuters/apa/hdt) Das Feilschen um jeden Euro Agrarförderung belastet den für Dezember geplanten Welthandelsgipfel in Hongkong mehr und mehr: Vertreter der großen Agrarexporteure Indien und Brasilien hatten am Montag in London angedeutet, man werde die gesteckten Ziele bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Hongkong nicht erreichen, eventuell brauche man bald ein "Hongkong II". "Sobald die Erwartungen reduziert werden, droht Gleichgültigkeit aufzuziehen", konterte EU-Handelskommissar Peter Mandelson vor einer neuen Verhandlungsrunde am Dienstag in Genf.
Mandelson verhandelt für die 25 Staaten der EU bei der WTO. Hauptstreitpunkt sind die Agrarsubventionen – wobei Mandelson zwischen die Stühle geraten ist. Die USA und andere Länder werfen der EU vor, ihren Agrarmarkt zu sehr abzuschotten. Die Zugeständnisse zum Abbau von Agrar-Zöllen und -Subventionen seien nicht weit reichend genug.
Frankreich droht erneut mit Veto
Frankreich warnte hingegen die EU-Kommission vor zu großen Zugeständnissen zu Lasten seiner Bauern. Niemand sollte in dieser Frage an Frankreichs Entschlossenheit zweifeln, bekräftigte Außenminister Philippe Douste-Blazy. Zuletzt hatte Staatspräsident Jacques Chirac gewarnt, sein Land werde notfalls sein Veto-Recht nutzen, falls Zugeständnisse der Kommission über das Verhandlungsmandat hinausgingen. Frankreich ist mit rund 20 Prozent Anteil größter Nutznießer der EU-Agrargelder – die dortigen Großbauern profitieren überproportional.
Die EU-Kommission hat eine durchschnittliche Senkung der Agrareinfuhrzölle um knapp 40 Prozent angeboten. Im Gegenzug erwartet sie eine Öffnung der Dienstleistungs- und Industriegütermärkte.
Auch Österreichs oberste Bauernvertretung sieht die Gefahr, dass Mandelson durch seine Vorgehensweise die gesamte europäische Landwirtschaft bedrohe.
Europas Bauern droht massive Preissenkung
Auf Europas Bauern kämen ohnehin schon massive Preissenkungen zu, die Abwanderung aus der Landwirtschaft werde sich beschleunigen, hieß es Dienstag bei einer Veranstaltung des Ökosozialen Forums. "Das EU-Agraroffert ist falsch und geht zu weit. Die EU ist damit in die Totaldefensive gelangt", sagte Rudolf Schwarzböck, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich und des Europäischen Bauernverbandes (COPA). Wie Berechnungen der Landwirtschaftskammer auf Basis des jüngsten Vorschlages der EU-Kommission zeigen, würde etwa der Importpreis für Rindfleisch aus Brasilien auf 67 Prozent des EU-Preises fallen.
Mittwoch, 09. November 2005