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Das radioaktive Isotop C 14 als Spiegel kosmischer Ereignisse

Supernova stört Zeitrechnung

Von Georg Breuer

Untersuchungen an einem Stalagmiten aus einer Höhle auf den Bahamas-Inseln zeigen, dass es in der Zeit zwischen 45.000 und 25.000 Jahren vor der Gegenwart starke Schwankungen in der Konzentration von radioaktivem Kohlenstoff in der Atmosphäre gegeben hat. Eine der Ursachen war vermutlich eine Supernova, die Explosion eines Sternes in der näheren Umgebung des Sonnensystems. Exakte Altersbestimmungen mit der Radiocarbonmethode werden dadurch für die Zeit vor mehr als 25.000 Jahren erheblich erschwert.

Das radioaktive Kohlenstoffisotop C 14 entsteht durch die Einwirkung der kosmischen Strahlung auf den Luftstickstoff in höheren Schichten der Atmosphäre und bildet dann mit Luftsauerstoff radioaktives CO2. Die Mengen, um die es hier geht, sind sehr klein. Zurzeit werden jährlich auf diesem Wege 10 Kilogramm C 14 produziert.

Wenn Pflanzen bei ihrer Photosynthese CO2 aufnehmen, um daraus Kohlehydrate zu produzieren, dann gelangt auch eine entsprechende Menge von radioaktivem Kohlenstoff in ihren Organismus. Der wird dann auch von Tieren aufgenommen, die die Pflanzen - oder Pflanzen fressende Tiere - fressen. In jedem Lebewesen sind daher etwa 0,3 Milliardstel Promille des im Organismus enthaltenen Kohlenstoffs radioaktives C 14. Die Menge ist so klein, dass die Strahlung, nach allem, was bekannt ist, keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Doch auch diese sehr schwache Strahlung kann mit modernen Instrumenten genau gemessen werden.

Die Frage nach dem Alter

Sobald ein Lebewesen gestorben ist und keine Kohlenstoffverbindungen mehr aufnehmen kann, nimmt die Konzentration des im Organismus vorhandenen C 14 durch den radioaktiven Zerfall des Isotops, bei dem es sich wieder in Stickstoff rückverwandelt, allmählich ab. Die Zeit in, der die Hälfte einer bestimmten Menge von C 14 unter Abgabe von radioaktiver Strahlung zerfällt, die so genannte Halbwertszeit, beträgt 5.568 Jahre. Nach 11.000 Jahren ist dann nur mehr ein Viertel der ursprünglichen Menge vorhanden, nach 22.000 Jahren nur mehr ein Sechzehntel, nach 55.000 Jahren nur mehr ein Tausendstel. Doch sogar die Strahlungsaktivität des Tausendstels einer ursprünglich schon sehr kleinen Menge kann noch genau gemessen werden.

Das Holz in einem Baum nimmt am aktiven Stoffwechsel nicht mehr teil. Die ältesten Teile im Inneren eines Baumstamms nahe dem Boden enthalten daher messbar weniger C 14 als die jüngsten Jahresringe knapp unter der Rinde. Die Dicke der Jahresringe ist je nach dem Wetter in verschiedenen Jahren nicht immer gleich. Man kann deshalb die Jahresringe heutiger und früher gefällter Bäume mit einer zum Teil überlappenden Lebenszeit miteinander vergleichen und so eine recht genaue Altersbestimmung zurück bis zum Ende der letzten Eiszeit herstellen, also für die letzten 11.000 Jahre.

Wenn man einzelnen Jahresringen Proben entnimmt und ihre Radioaktivität misst, die mit zunehmendem Alter bei einem Stück Holz aus früheren Zeiten genau berechenbar abnimmt, kann man auf diese Weise mit der so genannten Radiocarbonmethode das Alter feststellen. Die Ergebnisse der beiden "Kalender" stimmen gut überein.

Man kann deshalb annehmen, dass man auch für Überreste anderer Lebewesen, die keine Jahresringe haben, die Zeit, wann sie gelebt haben - genau genommen, den Zeitpunkt ihres Todes - mit dieser Radiocarbonmethode ermitteln kann.

Diese Art der Altersbestimmung setzt allerdings voraus, dass die

C 14-Konzentration in der Atmosphäre immer gleich geblieben ist - und seit dem Ende der Eiszeit war dies auch tatsächlich der Fall. Erst mit der industriellen Revolution und dem massiven Verbrauch von fossilen Brennstoffen hat sich das geändert. Diese Brennstoffe, die Millionen Jahre in der Erde gelegen sind, enthalten so gut wie kein

C 14 mehr, und das CO2, das bei ihrer Verbrennung entsteht, daher auch nicht. Das Luft-CO2 wird daher laufend mit Verbrennungs-CO2 "verdünnt", das keinen radioaktiven Kohlenstoff enthält.

Schon in den fünfziger Jahren

des vorigen Jahrhunderts war die

C 14-Konzentration in der Atmosphäre um etwa 2,5 Prozent niedriger als 100 Jahre vorher und seither hat sie ständig weiter abgenommen, bis dann in den fünfziger und sechziger Jahren durch die oberirdischen Atombombenversuche große Mengen von C 14 produziert wurden und in der Atmosphäre verblieben sind.

Radioaktivität in der Eiszeit

Für die Eiszeit sind Vergleiche mit Jahresringen von Bäumen nicht mehr möglich. Man muss andere Vergleichsdaten verwenden, beispielsweise Sedimente von Seen (oder ehemaliger, im Laufe der Zeit ausgetrockneter Seen), die infolge regelmäßiger jahreszeitlicher Abläufe eine den Jahresringen der Bäume ähnliche Schichtung haben, oder Daten von Korallen, von Ablagerungen am Meeresgrund und von Eisbohrkernen aus dem grönländischen Gletschereis.

Es gibt überdies die Möglichkeit des Vergleichs mit dem Zerfall anderer radioaktiver Elemente, etwa von Uran zu Thorium. Führt man an Proben, deren Alter mit solchen Methoden bestimmt wurde, Radiocarbonmessungen durch, dann erhält man für die Zeit vor 11.000 bis 30.000 Jahren in der Regel Resultate, die diese Proben um zwei bis drei Jahrtausende jünger erscheinen lassen. Es scheint also, dass die Atmosphäre in der Eiszeit mehr C 14 enthalten hat als in der Zeit nachher. Der Hauptgrund waren wahrscheinlich andere Abläufe in CO2-Kreislauf.

Ewige Kreisläufe

In den Ozeanen ist etwa 60-mal so viel CO2 gelöst wie in der Atmosphäre vorhanden ist. In niedrigen Breiten wird von den Meeren ständig CO2 an die Atmosphäre abgegeben, in hohen Breiten wird es vom Wasser aus der Luft aufgenommen. Ein Teil davon gelangt in die Tiefen der Ozeane, wird von Strömungen in der Tiefsee rund um die Welt geführt und gelangt erst nach etwa 1.600 Jahren wieder an die Oberfläche und in die Atmosphäre. In dieser langen Zeitspanne ist der C 14-Gehalt schon messbar zurückgegangen.

Heutzutage werden zwischen Ozeanen und Atmosphäre rund 100 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr ausgetauscht, das ist etwa ein Achtel der in der Atmosphäre vorhandenen Menge. In der Eiszeit war der Meeresspiegel niedriger, die Meeresoberfläche also kleiner und überdies viel mehr als heute mit Eis bedeckt. Der Gasaustausch mit den Ozeanen ist also wahrscheinlich geringer gewesen, es ist weniger C 14-armes Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt und andererseits mehr radioaktiver Kohlenstoff in der Atmosphäre verblieben.

Deshalb haben Lebewesen damals mehr C 14 als heute aufgenommen, ihre Überreste enthalten daher auch mehr und erscheinen deshalb jünger als sie tatsächlich sind.

In jüngster Zeit hat ein Team von amerikanischen und britischen Forschern unter der Leitung von J. Warren Beck von der University of Arizona Studies an einem Stalagmiten aus einer Höhle auf den Bahamas-Inseln durchgeführt, die eine Reihe von neuen Erkenntnissen gebracht haben. Untersucht wurden 278 Proben aus der Zeit vor 11.000 bis 45.000 Jahren.

Stalagmiten entstehen, wenn in eine Höhle tropfendes Wasser gelöstes Kalziumbikarbonat enthält, aus dem bei Verdunstung des Wassers und unter Abgabe von CO2 Kalkstein entsteht. Dort, wo die Wassertropfen auffallen, bildet sich allmählich eine Säule, die ähnlich wie ein Baum, wenn auch ohne Jahresringe, im Inneren und nahe dem Boden älter ist als außen und höher oben.

Der Kohlenstoff im Bikarbonat kommt aus im Boden über der Höhle vorhandenem CO2. Der Großteil davon entstammt der Atmung von Bodentieren und von Pflanzenwurzeln und aus dem Abbau von vor kurzem abgestorbener Biomasse wie etwa abgefallenem Laub. Es enthält also den gleichen C 14-Anteil wie die Atmosphäre. Für zusätzliche kleine Mengen von Kohlenstoff aus schon vor längerer Zeit abgestorbener Biomasse muss man eine kleine Korrektur machen.

Beck und sein Team haben das Alter von Proben aus verschiedenen Teilen des Stalagmiten mit der Uran-Thorium-Methode bestimmt und dann mit den C 14-Werten verglichen. Für die Zeit zwischen 11.000 und 30.000 Jahren vor der Gegenwart gab es gute Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Forscher, die Radiocarbonmessungen an anderen Objekten durchgeführt haben, und durchwegs die schon erwähnte Zeitverschiebung um 2.000 bis 3.000 Jahre gegenüber dem wirklichen Alter.

Für die Zeit vor mehr als 30.000 Jahren gehen die Ergebnisse von

C 14-Messungen aus verschiedenen Quellen stark auseinander und auch die Differenzen zwischen den Uran-Thorium- und den Radiocarbonmessungen werden größer und zeigen starke Schwankungen. Computersimulationen führen zu dem Schluss, dass Veränderungen in der Sonnenaktivität, die auch ein paar Prozent zur C 14-Produktion in der Atmosphäre beiträgt, nicht ausreichen, um Schwankungen in dem beobachteten Ausmaß zu erklären. Das Gleiche gilt für Veränderungen im Magnetfeld der Erde, die die Stärke der Einwirkung der kosmischen Strahlung ein wenig beeinflussen können.

Besonders hohe C 14-Werte haben Beck und seine Mitarbeiter für die Zeit vor 44.300 bis 43.300 Jahren festgestellt. Die Vermehrung des radioaktiven Kohlenstoffs war damals etwa doppelt so groß wie zur Zeit der oberirdischen Atombombenversuche. Die Forscher nehmen an, dass dies die Folgen einer Supernova in der näheren Umgebung unseres Sonnensystems gewesen sind. Dafür gibt es auch andere Indizien. So findet man im grönländischen Gletschereis und in Meeressedimenten aus jener Zeit eine deutlich erhöhte Menge der sonst sehr seltenen radioaktiven Isotope Berillium-10 und Chlor-36.

Weitere stärkere Schwankungen, darunter eine deutliche Verminderung der C 14-Konzentration in der Zeit zwischen 35.000 und 33.000 Jahren vor der Gegenwart, sind wahrscheinlich auf Veränderungen in der Zirkulation des CO2 zurückzuführen. Durch das Absinken des Meeresspiegels und den dadurch verminderten Wasserdruck auf den Meeresboden ist es vermutlich auch zu Ausbrüchen von Methan gekommen, das lange Zeit im Boden gespeichert war und deshalb praktisch kein C 14 mehr enthalten hat. In der Atmosphäre wird das Methan allmählich zu CO2 und Wasserdampf oridiert; auch das

bewirkt eine "Verdünnung" des

C 14 in der Atmosphäre.

Junge Neandertaler

Für die Zeit vor mehr als 25.000 Jahren sind vorläufig genaue Altersbestimmungen mit der Radiocarbonmethode nicht möglich. Eine vor kurzem entdeckte prähistorische Wandmalerei in der Chauvet- Höhle in Südfrankreich, die eine Herde von wollharigen Rhinozerossen darstellt, hat ein Radiocarbonalter von 31.000 Jahren, wenn man mit der Methode misst, die für die Periode nach dem Ende der Eiszeit angewandt wird. Vergleicht man mit genau datierten C 14-Messungen aus Sedimenten im Suigetsu-See in Japan, ergibt sich ein Alter von 33.000 Jahren, im Vergleich zu den Messungen von Beck und Mitarbeitern jedoch ein Alter von 38.000 Jahren.

Die Malerei stammt von so genannten Cro-Magnon-Menschen, Angehörigen unserer Art Homo sapiens, die in der späten Eiszeit nach Südfrankreich gekommen sind. Eine Frage, die die Anthropologen seit langem beschäftigt, ist, ob diese Cro-Magnon-Menschen einige Jahrtausende Seite an Seite mit den Neanderthalern in Europa gelebt haben, was einen Kulturaustausch und vielleicht auch eine Vermischung der beiden Gruppen ermöglicht hätte, oder ob sie erst einige Jahrtausende später eingewandert sind, als es keine Neandertaler mehr gegeben hat.

Solange zuverlässige Altersbestimmungen aus dieser Zeit noch nicht möglich sind, kann man diese Frage nicht mit Sicherheit beantworten.

Freitag, 05. Oktober 2001

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