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Der Nationalpark Galapagos-Inseln kämpft mit vielen Problemen

Das gefährdete Tierparadies

Von Martin Arnold

El tiempo atras era mejor. Früher sei alles besser gewesen, klagt Nestor Cadena. Der 59-jährige Mann mit dem braungebrannten Gesicht und den tiefen Runzeln eines Greises wird nostalgisch, wenn er an seine Kindheit hier auf der Galapagos-Insel Santa Cruz denkt. Gemächlich verteilt der Angestellte des Nationalparks Grünfutter in den Gehegen der berühmten Galapagosschildkröten, die in verschiedenen Farben fein säuberlich nummeriert sind. Diese Markierung ist notwendig, damit man sie später auf ihrer Heimatinsel wieder aussetzen kann. Dort sollen sie die bedrohten Kolonien mit frischem Erbgut versorgen. Die Schildkröten werden ob der wöchentlichen Fütterung etwas nervös und stolpern hektisch übereinander - trotz der staubigen Hitze, die schon frühmorgens herrscht. Dabei schlagen die Panzer dumpf gegeneinander.

"Wir waren nur vier Familien. Kaum einer wollte 1.000 Kilometer weit vom Festland weg inmitten von Schildkröten und Leguanen leben", fährt Nestor Cadena fort, während er einem besonders großen Exemplar den Weg abschneidet, weil die Schildkröte für ein Foto posieren soll. Die bewegt sich unbeirrt fort, der kleine Mann springt im letzten Moment flink zur Seite. "Sehen Sie, wie es heute in Puerto Ayora aussieht. Schmutzig, lärmend, voll Menschen, eine neue Plage."

Verbreitung fremder Arten

Eine Plage anderer Art sind die Brombeersträucher, die sein Freund Lorgio Vaca oberhalb von Bellavista auf Santa Cruz bekämpft. Geschützt durch Anzug und Schutzmaske, beprüht er die unwillkommenen Gäste, die sich hier breit machen, als gehörte das Land ihnen. Die Verbreitung fremder Pflanzen und Tiere ist neben der Raubfischerei und der Wilderei eines der großen Probleme, mit dem der Archipel konfrontiert ist. Die gemeinsame Ursache ist die ständige Zahl der Einwanderer, die von den Touristen angezogen werden. Ein neues Spezialgesetz für Galapagos sollte dem Einhalt gebieten, doch ob es sich gegen die Marktregeln behaupten kann, ist fraglich. Obwohl die Bevölkerung in das Regelwerk einbezogen wurde, halten sich längst nicht mehr alle daran.

Bereits vor dem englischen Naturforscher Charles Darwin wurden die 14 großen und unzähligen kleinen Inseln von Menschen heimgesucht. Entdeckt wurden sie 1535. Berühmte Piraten wie John Cook nutzten die Inseln seit dem 17. Jahrhundert als Versteck. Sie ließen Ziegen frei, um sich einen dauernden Nahrungsmittelvorrat anzulegen. Später kamen Schweine, Esel und Kühe hinzu, die bald verwilderten. Ratten sind an Bord der Schiffe auf diese jungen Vulkaninseln gelangt. Galapagos, die Wiege unserer Naturanschauung, hat schon vor Jahrhunderten ihre Jungfräulichkeit verloren. Das Ergebnis ist verheerend. Die Insel Isabella ist heute von über 100.000 Wildziegen besiedelt und durch deren Gefräßigkeit verwüstet. Dadurch verliert eine wichtige Schildkrötenpopulation ihre Lebensgrundlage.

Die erste Besiedlung der Galapagos-Inseln fand ebenfalls vom Festland aus statt. Zufällig hierher verschlagene Pflanzen- und Tierarten bildeten in Nischen neue Eigenschaften aus. Die Lebensumstände waren hier so paradiesisch, dass die Kormorane ihre Flugfähigkeit verloren. Es gibt keine Feinde, und Nahrung im Überfluss. Hier erhielt Charles Darwin wichtige Impulse, die er erst einige Jahre später in seinem Buch. "Vom Ursprung der Arten" (1859) formulierte. Er sah auf Galapagos, wie die Arten sich den Umweltbedingungen angepasst hatten. Die Tiere und Pflanzen auf den Inseln sind den kampferprobten Arten vom Festland nicht gewachsen. Die eingeschleppten schwarzen Ratten und Katzen haben bereits vier der sieben einheimischen Reisrattenarten verdrängt. Zwei Inseln konnten von den Nagern wieder befreit werden. Der vom WWF unterstützten Forschungsstation der Charles-Darwin-Stiftung und dem Nationalpark bleibt nichts anderes übrig, als die eingeschleppten Arten zu bekämpfen. Nur so kann Galapagos als

Labor der Evolution erhalten werden.

Raffgier oder Naturschutz?

Die Menschen sind die größte Gefahr für Galapagos, auch wenn 97 Prozent der 8.000 Quadratkilometer großen Landfläche und eine riesige Meerfläche von 140.000 Quadratkilometern dem Nationalpark unterstehen. Rodrigo Bustamante, ehemaliger Leiter für Meeresbiologie in der Darwin-Station, erzählt, wie vor einigen Jahren plötzlich Unmengen der wirbellosen Seegurken, ein teuer gehandeltes Potenzmittel, geerntet wurden. Das Pfund Seegurken, das in Galapagos den Fischern noch zwei Euro einbringt, ist im Zwischenhandel an der Westküste der USA schon rund 50 Euro wert. Hohe Gewinnaussichten wie beim Drogenhandel zogen zwielichtige Gestalten an, die keine Rücksicht auf die Schutzgebiete nahmen. Bustamante: "Auf Galapagos breitete sich Goldgräberstimmung aus, schon 15-jährige Kinder fuhren mit 2.000 Dollar teuren Mountainbikes herum."

Wie überall an der Pazifikküste, wo man dahinter kam, wie leicht großes Geld auf dem asiatischen Markt erzielt werden kann, veränderte sich das Sozialgefüge. Die Taucher verteidigten ihre Geldquellen, zu denen auch Haifischflossen gehören, gegen die Nationalparkwärter und besetzten deren Hauptquartier. Diese Galapagos-Krise alarmierte auch den WWF, der sich seit 1996 an einem besonderen Überwachungsprogramm beteiligt.

Das schnelle Geld

Mit Hilfe der Weltbank wird dieses Programm nun sogar noch erweitert. Es geht darum, die von Menschen verursachten Veränderungen noch exakter zu beschreiben, um dem Nationalpark die Grundlagen für die notwendigen Maßnahmen zu liefern. Der Nationalparkverwaltung ist es inzwischen gelungen, vor allem die alteingesessenen Fischer auf ihre Seite zu ziehen; die zeigen heute illegale Fischer an.

Die Zuwanderung Fremder, die hier nur schnelles Geld verdienen wollen, bleibt wie gesagt die größte Bedrohung für die Insel. Ein jährliches Bevölkerungswachstum von sieben Prozent hat aus dem verschlafenen Fischernest Puerto Ayora einen Touristenort mit Bars, Restaurants und überhöhten Preisen gemacht. Heute leben hier rund 15.000 Menschen.

Die Galapagos sind ein Exportschlager des Staats Ecuador und die wichtigste Quelle des Tourismus. 60.000 Menschen besuchen die Insel jährlich, doch auf den Booten, dem einzigen Fortbewegungsmittel zum Besuch anderer Inseln, hätten 130.000 Platz. Der Nationalpark wurde nicht im

gleichen Maß wie die zunehmende Tourismusindustrie mit Personal aufgestockt. Um auf dem Meer zu patrouillieren, fehlt der Parkverwaltung oft das Benzin. In den nächsten Jahren wird aber eine Besserung eintreten, weil die Parkverwaltung die Hälfte des 100 Dollar teuren Eintrittes erhält. Trotz dieser misslichen Zustände funktioniert der Nationalpark auf Galapagos besser als jene auf dem Festland. Die Zusammenarbeit mit

der Darwin-Station klappt hervorragend.

Zutrauliche Tiere

Für den WWF ist das UNESCO-Naturdenkmal der Menschheit von größter Wichtigkeit. 6.000 identifizierte Arten leben hier, davon sind 75 Prozent der Landvögel und 97 Prozent der Landsäugetiere und Reptilien endemisch.

Wer sich aus dem Tourismuszentrum von Puerto Ayora entfernt und etwa auf die kleine Insel Plaza übersetzt, ist überwältigt von der Zutraulichkeit der Tiere. Man muss aufpassen, nicht auf einen Vogel zu treten, der aus einer Wegespfütze trinkt, und manch ein Seelöwe lässt sich nicht einmal mit Klatschen vom Pfad verscheuchen. Die Führer achten darauf, dass kein Besucher vom Weg abweicht. Ein System von 53, auf die Inseln verteilten Beobachtungsplätzen ermöglicht jedem Besucher, der sich einige Tage Zeit lässt, einen Einblick in diese einzigartige Welt.

Die Sinne sind angesprochen, man hört das Singen und Krächzen der Vögel, den heiseren Schrei der Seelöwen, ihre Drohgebärden, das dauernde Pfeifen des Windes, riecht den süßlichen Geruch verwesender Tiere, und wundert sich über die unendliche Ruhe der Leguane, die Menschen ganz nah an sich heranlassen - um sie dann anzuspucken.

Taucht man mit einer Brille etwas unter die Wasseroberfläche, sieht man sich inmitten von Fischschwärmen, Seelöwen oder zutraulichen Haien. Die Tiere empfinden den Menschen hier nicht als Feind - eine Einschätzung, die für die Tierwelt von Galapagos gefährlich geworden ist. Ein junger Seelöwe, der spielerisch in eine auf den Felsen gespülte Plastikflasche beißt, holt die Besucher auf der Insel Plaza wieder in die Wirklichkeit zurück. Das Tier will sich die möglicherweise tödliche Beute nicht nehmen lassen und taucht ins Meer ab.

Später sagt die junge Pädagogin Jenny Moreno von der Darwin-Station: "Die Zukunftshoffnung der Galapagos sind die Kinder. Den Eltern noch etwas beizubringen, ist hoffnungslos." Eher ginge ein Kamel durchs Nadelöhr . . ., aber diese Geschichte sei bekannt. "Unsere Hoffnung sind die Kinder", wiederholt Jenny Moreno. In Werkstätten bringt sie ihnen bei, was sie in den miserablen staatlichen Schulen nicht erfahren, die unfähig sind, in ihrem Unterricht auf die besondere Situation der Galapagos-Inseln einzugehen.

Auf spielerische Art betreibt Jenny Moreno Tierschutz. Sandflächen werden nach Abfall untersucht und darüber wird Buch geführt. Auch wenn James, Diego und Darwin nicht wissen, was die Evolutionstheorie bedeutet, ist ihnen doch bewusst, was Abfallwegwerfen und illegale Fischerei verursachen können: "Deshalb haben wir mitgeholfen, am Strand Abfalleimer aufzustellen."

Freitag, 09. Juli 2004

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