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Das Hausschwein ist mehr als nur ein Nahrungslieferant

Des Menschen Glücksbringer

Von Ingeborg Hirsch

Der beste Freund des Menschen ist der Hund, sagt ein Sprichwort. Das mag sein, aber das Tier, das am meisten für unser Wohlbefinden tut, ist eindeutig das Schwein. In alten Redewendungen kommen beide eher schlecht weg. Der Hund wird mit Niedertracht, Elend und Feigheit assoziiert. Auf den Hund kommen heißt entweder, dass in Ermangelung anderer Zugtiere der Hund vor den Pflug gespannt werden musste, oder dass man den Boden von Vorratsgefäßen oder Geldkassetten erreicht hatte, denn auf diesen war häufig ein zähnefletschender Hund abgebildet.

Hunde tragen war im Mittelalter eine demütigende Strafe für Edelleute, die den Landfrieden gebrochen hatten. Und einem zum Galgen Verurteilten konnte man - außer der Hinrichtung selbst - nichts Schlimmeres antun als einen Hund, der zu seiner Schande mit ihm gemeinsam aufgehängt wurde. Parallel dazu tritt der Hund als Gefährte des Menschen bei Jagd und Viehhaltung auf. Davon leitet sich der (innere) Schweinehund ab, den es heute manchmal zu überwinden gilt, denn der die pflegeleichten Schweine hütende Hund war ein Symbol der Trägheit.

Wohlstandstier, Abfallwühler

Das Schwein ist ambivalent behaftet, einerseits mit dem angenehmen Gefühl der Sättigung und des Wohlstandes, andererseits mit extremer Fruchtbarkeit, Lasterhaftigkeit und dem Wühlen in Abfall und Schmutz. Doch selbst in Ausdrücken wie du Schwein oder Schweinerei kann noch ein Hauch Anerkennung mitschwingen. Nicht umsonst schreibt der österreichische Lyriker Erich Fried in einem seiner Gedichte: "Manchmal, wenn ich aus meinem Leben erzähle, hat meine große Tochter eine freundliche Art, mich 'altes Schwein' zu nennen, die mich ganz stolz macht." Schwein haben ist ein Ausdruck des (unverdienten) Glückes, auch wenn dieses Schwein ursprünglich dem schlechtesten Schützen eines Schießwettbewerbes zugedacht war. Daraus resultiert der heutige Brauch, seinen Lieben eine tüchtige Portion Schwein (=Glück) fürs neue Jahr zu wünschen.

Der Hund war schon vor der Neolithischen Revolution (der Sesshaftwerdung des Menschen und dem Beginn des Ackerbaues) in den Haushalt integriert. Ältestes Zeugnis davon ist ein 12.000 Jahre altes Homo-sapiens-Skelett aus Israel, das liebevoll einen Hundewelpen hält. Die Domestikation des Schweines fand vor 7.000 bis 9.000 Jahren im Nahen Osten und in China statt. Ursprünglich waren Mensch, Hund und Schwein Nahrungskonkurrenten im Kampf um Wurzeln, Samen, Wildäpfel, Kleintiere und Aas - bis der Mensch das Verhältnis zu seinen Gunsten verschob und Hund und Schwein mit Abfällen fütterte. Langfristig bezahlten das beide Haustiere mit einem fast 30-prozentigen Verlust an Gehirnvolumen und einer geringeren Furchung der Gehirnoberfläche - viele für das Überleben in freier Natur wichtige Fähigkeiten wurden nicht mehr benötigt.

Trotzdem zählen Hund und Schwein zu den intelligentesten Tieren. Im alten Ägypten waren bereits zahlreiche Haushunderassen bekannt, die für verschiedene Zwecke eingesetzt wurden. Sehr beliebt waren Zwergrassen mit kindlichen Merkmalen, die als Schoßhunde gehalten wurden, sogar einige dazugehörige Hundenamen sind überliefert: Grabscher, Ebenholz oder Kochtopf. Anfangs war das Schwein ein wichtiger Nahrungslieferant in Mesopotamien und Ägypten, verlor aber bald an Bedeutung. Durch den Wechsel zu einem wärmeren und trockeneren Klima wurde die Schweinehaltung erschwert; außerdem lässt sich das Schwein nicht über längere Strecken treiben und war somit für eine halbnomadische Lebensweise ungeeignet. Dazu kamen hygienische Erwägungen, wie die schnelle Verderblichkeit von fettem Fleisch in großer Hitze oder der Besatz mit Trichinen. Diese urspünglich praktischen Motive wurden bald von religiösen überlagert. Das Alte Testament distanziert sich vom Genuss von Schweinefleisch, da es dem Reinlichkeitsgebot nicht entspricht, demnach dürfen nur Tiere gegessen werden, die Wiederkäuer und Spalthufer sind. Der Islam übernahm die Ablehnung des Schweines, das im Koran als unreines Tier bezeichnet wird.

Im antiken Griechenland war das Schwein ein hochgeschätzter Fleischlieferant und ein Arbeitstier - mit zugebundenem Rüssel ließ man es das Saatgut in den Acker einwühlen. Ferkelblut galt als besonders wirksam, um einen Makel abzuwaschen, und für Vertragsabschlüsse opferte man schon gerne einmal ein Schwein. Bei den Römern wurden Schweine als Fruchbarkeits- und Ernteopfer dargebracht und anschließend verspeist. Den Germanen war der Eber heilig, sie gaben die Größe eines Waldes durch die Anzahl der Schweine an, die in ihm ernährt werden konnten. Die wichtigsten Schlachttage der Germanen lagen zwischen November und Jänner, die Schweine hatten dann ihr Schlachtgewicht erreicht, das Futter wurde knapp und es war kalt genug, um das Fleisch einige Zeit frisch zu halten.

Das Christentum verleibte sich diese Daten ein und besetzte sie mit Heiligen wie Martini oder Nikolaus. Im christlichen Glauben war der Genuss von Schweinefleisch durchaus eine Delikatesse, konnte aber auch zu sexuellen Ausschweifungen verleiten - dem wirkte man durch die Einführung von 140 bis 160 Fasttagen pro Jahr entgegen. Das Schwein bekam einen Schutzheiligen zur Seite gestellt, den Heiligen Antonius (Namenstag 17. Jänner), einen ägyptischen Einsiedler. Die Antonitermönche waren erfolgreiche Schweinezüchter, ihre Antoniusschweine liefen mit einem Glöckchen um den Hals umher und wurden von mildtätigen Bürgern gefüttert. Im mittelalterlichen England wurden Schweine zur Jagd auf Niederwild verwendet. Um das königliche Rotwild zu schützen, wurden Hunde, die nicht durch den Rufusbügel, einen großen eisernen Steigbügel, passten, durch das Stutzen der Vorderzehen jagduntauglich gemacht.

Aus Borsten werden Bürsten

Mit dem Aufkommen der Entdeckungsfahrten stieg der Bedarf an Schweinefleisch, eingesalzen wurde es zur Proviantierung der Seeleute verwendet. Aber auch alle anderen Gaben des Schweines wurden genutzt: aus den Borsten erzeugte man Bürsten, das Schweinsleder wurde zu Kleidung, Bucheinbänden oder qualitativ minderwertigen Schuhen verarbeitet. Die Schweinsblase diente als Tabaksbeutel oder Fußlappen oder wurde zur Freude der Kinder als Luftballon aufgeblasen. Im bäuerlichen Bereich wurde das Schwein mit allerlei Brauchtum belegt. In einigen Gegenden Österreichs musste ein neugieriges Mädchen in der Christnacht nackt an die Stalltür klopfen - lief ein altes Schwein hin, so war das ein Zeichen für die baldige Heirat mit einem Witwer oder älteren Mann, kam aber ein Ferkel, so durfte das Mädchen auf einen schönen jungen Mann hoffen.

Ab dem 18. Jahrhundert kam es durch den steigenden Wohlstand der Bevölkerung zu erhöhter Nachfrage nach Schweinefleisch. Die vom europäischen Wildschwein abstammenden Hausschweine (Sus scrofus ferus) wurden mit schnell reifenden Schweinen aus Asien (Sus scrofus vittatus) gekreuzt. Diese Hybride (Mischlinge) bildeten die Grundlage für die heute gängigen Schweinerassen - für Österreich sind das das Östereichische Landschwein, das Österreichische Edelschwein und das schwarzweiß geflecke Piètrain. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts prägten rundliche, fettreiche Tiere das Bild. Heute ist das Schwein deutlich langgestreckter. Durch das wachsende Gesundheitsbewusstsein und den Konsumentenwunsch nach magerem Fleisch wurden dem Schwein viel Fett weg- und zwei zusätzliche Rippen (= vier Kotletts extra!) angezüchtet. Weltweit stammen 40 Prozent des konsumierten Fleisches vom Schwein. Spitzenreiter in der Zucht sind China und die USA. Den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch hat Dänemark mit zirka

67 kg pro Jahr. In Österreich werden pro Jahr und Person rund

40 kg Schweinefleisch verspeist.

In China und Südostasien wurden Hunde und Schweine gleichwertig als lebender Vorrat gehalten; heute ist das Schwein der wichtigere Fleischlieferant. Viele Kulturen Polynesiens hatten eine besondere Beziehung zum Hund: einerseits herzten die Frauen kleine Hunde als Kuscheltiere und säugten die Welpen an ihrer Brust, andererseits galt Hundefleisch als Delikatesse. Bei einer seiner ersten Reisen nach Tahiti wurde Kapitän Cook Hundebraten, im traditionellen Erdofen zubereitet, angeboten. Bei den Indianern Nord- und Zentralamerikas waren Hunde ebenfalls gleichzeitig Jagdgefährten und Fleischquelle. Allerdings erhielten Hunde, die für den Kochtopf bestimmt waren - im Gegensatz zu den Jagdhunden - keine Namen. In Europa war der Genuss von Hundefleisch verpönt, nur während der großen Hungersnöte wurde eine Ausnahme gemacht. Angeblich existiert noch eine kleine Fangemeinde, die auf den Leckerbissen Hund schwört . . .

Mensch, Hund und Schwein zeigen in vielen Bereichen ähnliche Verhaltensweisen. Alle drei haben das Bedürfnis nach Körperkontakt, "bauen" Schlafstellen und halten Schlaf-, Fress- und Kotplatz getrennt voneinander. Schweine sind wie Menschen anfällig für Stress, Herzinfarkt, Sonnenbrand und Ernährungsstörungen. Durch die starken anatomisch-physiologischen Ähnlichkeiten im Bauch- und Brustraum dienen Schweine für verschiedenste chronische Krankheiten als Testtiere, man hofft mit ihrer Hilfe Diabetes, Fettleibigkeit, Osteoporose und Arteriosklerose besser behandeln zu können. In der Minimal Invasiven Chirurgie üben Ärzte an Schweinehälften und -organen endoskopische Eingriffe, bevor sie Menschen operieren; und an Universitätszahnkliniken nehmen die auszubildenden Zahnärzte zuerst einmal Schweinekiefer zur Hand.

Herzklappen übertragbar

Als Organspender ist das Schwein ein großer Hoffnungsträger und könnte als "menschliches Ersatzteillager" für Herz, Nieren und Leber dienen. Die Organe passen größenmäßig sehr gut, Schweine sind massenhaft verfügbar, ihre Schlachtung ist weitgehend akzeptiert, und das Krankheitsübertragungsrisiko von Schwein zu Mensch ist gering, da beide schon seit Jahrtausenden zusammenleben. Herzklappen von Schweinen sind bereits im Einsatz. Aber abgesehen von den ethischen Problemen der Xenotransplantation (der Übertragung von artfremdem Gewebe) ist auch die Hürde der körpereigenen Immunabwehr zu überwinden. Die älteste Xenotransplantation wurde allerdings unter Heranziehung eines Hundes durchgeführt. 1682 wurden einem verletzten russischen Adeligen Knochen von einem Hundeschädel eingesetzt. Der Eingriff verlief erfolgreich, allerdings drohte die orthodoxe Kirche dem Patienten mit Exkommunikation - so ließ er das Knochenimplantat wieder entfernen.

Hunde und Schweine haben einen sehr feinen Geruchssinn und werden daher für die Trüffeljagd verwendet oder unterstützen Zoll und Polizei als Spürhunde. Besondere Berühmtheit erlangte das Polizeischwein Luise, das in Deutschland vielfach für die Sprengstoffsuche zum Einsatz kam. Aber allein die Vorstellung, dass an Stelle von "Kommissar Rex" ein schweinsgaloppierender "Kommissar Dick" ermittelt, lässt die Sympathie sofort auf die Seite des bellenden Vierbeiners kippen. Da wäre nur noch die Sache mit den Hundstrümmerln, aber die können neben allerlei unerwünschten Effekten im Zweifelsfall ja auch Glück bringen.

Literatur:

Frey, Witzigmann und Teubner: Das große Buch vom Fleisch. Teubner Edition, Füssen 2000.

Xenotransplantation - "Spektrum der Wissenschaft", Sept. 1997.

Juliet Clutton-Brock: A Natural History of Domesticated Animals. University of Texas 1989.

Frederik Zeuner: Die Geschichte der Haustiere. London 1967.

Julian Wiseman: The Pig. A British History. London 2000.

Freitag, 27. Dezember 2002

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