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"Katz & Hund, literarisch" -eine Ausstellung in Marbach

Die Tiere der Dichter

Von Oliver Bentz

Mein bester Kamerad", schrieb einst Hermann Hesse auf eine Postkarte, auf der seine Katze abgebildet war. Er brachte damit eine Art der Beziehung zwischen Mensch und Tier zum Ausdruck, die gerade auch in unserer Zeit ihre besondere Gültigkeit hat: Die Tatsache, dass für viele Menschen die Haustiere, Katze und Hund, die engsten Vertrauten sind. Folglich verwundert es nicht, dass gerade Schriftsteller, die ja nicht selten recht einzelgängerische Zeitgenossen sein sollen, sich besonders zu den Vierbeinern hingezogen fühlen und die tierischen Hausgenossen auch in den Werken der Autoren tiefe Spuren hinterlassen haben.

"Katz und Hund, literarisch" heißt eine zur Zeit in Marbach gezeigte, vom Schweizerischen Literaturarchiv erarbeitete Ausstellung, die der Rolle dieser beiden Lieblinge des Menschen in der Literatur und der Beziehung zwischen Hunden, Katzen und Literaten nachgeht. Da das Schweizer Literaturarchiv der Pflege des literarischen Erbes in den vier gleichrangigen Amtssprachen des Landes verpflichtet ist, bellen und miauen die Vierbeiner in der Ausstellung nicht nur auf deutsch, sondern auch auf französisch, italienisch und rätoromanisch.

Die von den Ausstellungsarchitekten in mächtige "Eisschollen" eingelassenen Vitrinen präsentieren anhand zahlreicher Manuskripte, Buchausgaben und Fotos die Tiere in sieben Abteilungen als "Gefährten", im "Alltag", als "Gegenüber" sowie unter den Aspekten "Das Leben und der Tod", "Das Verbrechen", "Die Parabel" und "Das schreibende und das sprechende Tier". Dabei fällt auf, dass bei den Schreibenden die Zuneigung zu Katzen überwiegt, vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil sie sich im Gegensatz zu Hunden kaum manipulieren lassen.

Viele Autoren haben ihre treuen vierbeinigen Gefährten in ihren literarischen Werken verewigt. So thematisierte Thomas Mann in seiner Idylle "Herr und Hund" das Verhältnis zwischen Mensch und Haustier. Die Arbeit an dem Buch fällt in eine Bruchstelle seines Lebens: Zwischen die Veröffentlichung der "Betrachtungen eines Unpolitischen" und der Wiederaufnahme der Arbeit am "Zauberberg", als sich seine eher reaktionäre Weltsicht hin zu einer demokratischen wandelte. Sein Lieblingshund Bauschan begleitete ihn bei dieser Entwicklung.

Im alltäglichen Leben brachten Katze und Hund ihren literarisch ambitionierten Gastgebern aber nicht nur Freude. So rissen Friedrich Dürrenmatts Schäferhunde einmal gleich sieben Schafe. Die Schadensanzeige und die Rechnung, die der Dramatiker dafür präsentiert bekam, findet sich als profanes Einsprengsel inmitten der literarischen Dokumente der Ausstellung. Für den Hundefreund Friedrich Dürrenmatt wurde der Hund auch zum Todessymbol. Als er seinen kranken Hausgefährten beim Abdecker einschläfern lassen musste, erinnerte er sich an das Sterben seiner Frau, die das Tier einst mitgebracht hatte. In der Literatur können Katzen und Hunde auch in die Rolle von Verbrechern oder Detektiven schlüpfen, wie die Bücher der lange in der Schweiz lebenden englischen Krimiautorin Patricia Highsmith beweisen, die ihre "Romankatzen" auch zeichnerisch festgehalten hat.

Politische Dimensionen nimmt ein Hund in Günther Grass' Roman "Hundejahre" an. Durch dieses Panorama der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zieht sich die Fährte eines Schäferhundes, dessen Nachkomme der Liebling Hitlers werden wird. In der fiktionalen Literatur eröffnet sich auch die Möglichkeit, Tiere sprechen und schreiben zu lassen. Ovid und Cervantes verleihen ihren literarischen Hunden diese Fähigkeit, Gottfried Keller und E. T. A. Hoffmann ihren Katzen. Hoffmanns "Kater Murr" ist wohl eine der bekanntesten Tiergestalten der Literatur.

Es sind interessante und unterhaltende Geschichten über die Beziehung der Autoren zu ihren literarischen oder realen Haustieren, die die Ausstellung erzählt und die im opulenten, mit vielen Abbildungen versehenen Katalog, in zahlreichen Aufsätzen vertieft werden. Die Marbacher Schau ist etwas für Hunde-, für Katzen- und für Literaturfreunde. Am meisten hat natürlich derjenige davon, der die Liebe zu allen dreien vereint.

"Katz & Hund, literarisch". Eine Ausstellung des Schweizerischen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach a. Neckar. Bis 29. September 2002.

Freitag, 26. Juli 2002

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