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Die Arche Noah des Pazifik

Die Galapagosinseln: idealer Lebensraum für viele Tierarten
Von Heimfried Mittendorfer

Das schrille und abgehackte "Ö - A.....Ö - A"-Gebrüll der Seelöwenbullen ließ mich aus dem Schlaf hochfahren. Anscheinend waren sich zwei Bullen in den Pelz geraten. Für Augenblicke war ich unfähig, meine örtliche Position einzuschätzen, denn zu fremdartig war für mich der enge Schlurf der Kabine, die sich noch dazu in einer permanenten Schaukelbewegung befand.

Wir hatten gerade die erste Nacht an Bord der Lobo del Mar, einer mittelgroßen Motoryacht, die Platz für 16 Passagiere bot, verbracht. Mächtige Wolkenfetzen hingen tief herab und versprachen eher Regen als Sonnenschein. Doch für die von Juni bis November anberaumte Trockenzeit schienen dies ganz normale Symptome zu sein.

Nach einem ausgiebigen Frühstück war eine trockene Landung auf Seymour angesagt, einer winzigen Insel im Zentrum des Galapagos-Archipels. Das niedere Lavaplateau sorgte für unbeschwerliches Wandern und Beobachten. Die zur Trockenzeit blattlosen silbrigweißen Äste der Balsambäume dienten als Rendezvous- und Balzplätze für die Prachtfregattvögel. lm Nu waren die männlichen Vögel in der Lage, durch Vergrößerung ihres roten Kehlsackes, ihre Attraktivität gegenüber den weiblichen Artgenossen um das x-fache zu steigern und den vorbeifliegenden Weibchen hiermit eindeutig die Paarungsbereitschaft zu signalisieren. Ihre Unbeholfenheit an Land kompensieren sie durch ihre kaum zu überbietenden Flugeigenschaften. Da sie, sehr häufig sogar, anderen Seevögeln, wie etwa Tölpeln die erbeuteten Fische in wilden Luftkämpfen abjagen, werden sie auch bezeichnenderweise Piraten der Lüfte genannt.

Die Furchtlosigkeit, mit der die Tiere dem Menschen begegnen, veranlasste uns bewusster und mit mehr Sorgfalt einen Fuß vor den anderen zu setzen, denn überall, zum Teil sogar direkt auf dem Trail befanden sich Nest- und Brutplätze der Blaufußtölpel. Vom Balzritual angefangen, über Liebesakt bis zur Aufzucht der Brut, einfach alles hatte diese zirka 2 km² umfassende Insel uns zu bieten. Besonders beeindruckend war auch hier wieder das Balzspiel, das mit wechselweisem Beinheben beginnt und im "Skypointing" seinen Höhepunkt erreicht, wenn zu einem schrillen Pfeifton Schwanz, Schnabel und Flügelspitzen zum Himmel gerichtet werden.

Rund 60 Inseln sind dem Inselverband zuzuordnen, der als isolierter Teil Ecuadors, etwa 1.000 Kilometer westlich des südamerikanischen Festlandes auf der Höhe des Äquators liegt und über eine Landfläche verfügt, die ungefähr der Größe des Bundeslandes Salzburg entspricht. Die über einem stationären Hot Spot auf Südamerika zudriftende Nazca-Platte, auf der die Inselgruppe angesiedelt ist, bewirkt, dass vor Ort ein ausgeprägtes vulkanisches Aktivitätsgefälle in Richtung Osten feststellbar ist. Trotz der Dominanz von Schildvulkanen, deren Entstehung in direktem Zusammenhang mit dem Ausfließen von Pahoehoe Lava, also dünnflüssiger Gesteinsschmelze zu verstehen ist, sorgen u. a. Tuff- und Schlackenkegel sowie weiträumige Calderen auf manchen Inseln, wie beispielsweise auf Bartolome, für abwechslungsreiche Landschaftsformen.

Vom höchsten Punkt dieses Eilandes wird einem ein umwerfendes Panorama zuteil. An der schmalen Landzunge, die gegen Westen führt, scheint der gewaltige Pinnacle Rock als Wächter, der ihm zu Füßen liegenden Sandbucht zu fungieren. Nur durch einen kleinen Meeresarm getrennt erkennt man im Hintergrund die in unterschiedlichsten Brauntönen in Küstennähe befindlichen Schlackenkegel Santiagos. Nachdem wir den an der schmalsten Stelle der Halbinsel befindlichen Mangrovewald durchquert hatten, empfanden wir es als Hochgenuss, im weichen Sand zu spazieren. Sanftansteigende Dünen begrenzten den Strand landeinwärts, in die Strandwinde reizvoll grüne Muster gelegt hatten. In der Spritzzone hingegen war ein Pinguin gerade bei seiner Morgentoilette zu beobachten. Weiter westwärts, wo der Sand von schwarzen Lavaplatten abgelöst wurde, hatten es die grellroten Klippenkrabben sehr eilig. Tolle Farbkontraste lieferten die weißgrauen Tiquilias, die in den Geröllhängen sich als Pionierpflanzen angesiedelt hatten. In den eher felsigen Abschnitten der Insel sorgten hingegen Lavakakteen für die örtliche Belebung dieser Mondlandschaft.

Mit dem Jahre 1535, als unbeabsichtigterweise Tomas de Berlanga, damaliger Bischof von Panama, auf seiner Schiffsreise nach Peru gleichzeitig die Entdeckung des Archipels für sich in Anspruch nehmen konnte, beginnt die bewegte Geschichte der "Arche Noah" im Pazifischen Ozean. Über zwei Jahrhunderte dienten die seinerzeit in der Weite des Weltmeeres schwer auffindbaren Landflecke Piraten, Freibeutern und Walfängern als Versteck bzw. als Versorgungsplatz. Als besonders begehrte Fangobjekte galten vor allem die Riesenschildkröten, die man lebendig in den Schiffsbäuchen zu verstauen wusste und erst bei Bedarf schlachtete. Die anfängliche Dezimierung kam sehr bald auf vielen Inseln einer Ausrottung gleich, so dass man heute durch Aufzucht in Reservaten und späterem Aussetzen in heimatlichen Gefilden dieser Entwicklung sehr erfolgreich entgegenwirkt. Die 1964 in Puerto Ayora auf Santa Cruz gegründete Charles-Darwin-Forschungsstation verweist u. a. wohl auf den prominentesten Besucher, der die Studien und Erkenntnisse seines 5-wöchigen Aufenthaltes zur Basis für sein 1859 erschienenes Werk "Über den Ursprung der Arten durch natürliche Auslese" werden ließ.

Wie keiner anderen Insel gelang es Floreana seit der Siedlungsnahme durch drei deutsche Familien- bzw. Lebensgemeinschaften (1929), durch Intrigen, Verleumdungen und mysteriöse Todesfälle ins Rampenlicht der Weltpresse zu gelangen. Die heute 95-jährige Margret Wittmer, die sich im Jahre 1932 mit Mann und Sohn die Insel Floreana, am "Ende der Welt", als neuen Lebensraum ausgesucht hatte, schildert in ihrem Buch "Postlagernd Floreana" auf sehr beeindruckende Weise ihr außergewöhnliches Leben zu Lande. Die Wittmers, die früher es eher vorgezogen hatten, das Hochland zu bewohnen, betreiben mittlerweile eine kleine Pension in Puerto Velasco Ibarra im Anschluss an ein winziges Fischerdorf.

Hohen Bekanntheitsgrad genießt auch die seit 1793 von englischen Walfängern eingerichtete Poststelle. An der sogenannten Post Office Bay an der Nordküste befand sich ursprünglich nichts außer einem alten Holzfass, das der Hinterlegung von Briefen und Postkarten diente. Seither ist es ein ungeschriebenes Gesetz für die Besatzungen der vorbeikommenden Schiffe, jene Post mitzunehmen, deren Bestimmungsorte mit der geplanten Route im Einklang steht.

Vom Deck unserer Yacht aus beobachteten wir bereits eine geraume Zeit Blaufußtölpel bei ihrer Jagdausübung. Dabei bedienen sie sich einer eher selten praktizierten Methode. Aus Höhen von 20 bis 30 Meter setzen sie sich, meist zu zweit, durch Anlegen der Flügel und Abkippen in die Vertikale einem Sturzflug aus und schlagen, wie Raketen, dicht nebeneinander auf dem Wasser auf. So ist es ihnen möglich, vorerst ihre Beute zu untertauchen - Tauchgänge bis in Tiefen von 15 Metern können durchaus erreicht werden - und erst beim Auftauchen zuzusetzen.

Der Landausflug auf Espanola zählte sicherlich zu den Höhepunkten unserer Kreuzfahrt. Riesige rote Meerechsen belagerten die schwarzen Basaltblöcke an der Küste oder lagen regungslos im hellen Sand. Am Rande des Kliffs drangen wir, ohne dass wir in irgendeiner Weise zur Kenntnis genommen wurden, in die Brutplätze einer Kolonie von Maskentölpel ein, der größten hier vorkommenden Tölpelart. Ihre dunklen Flügeldecken und die weiß-schwarze Gesichtsmaske sorgen für deutliche Unterscheidungsmerkmale anderen Artgenossen gegenüber. Am Fuße des Kliffs schoss das Wasser aus einer kleinen Öffnung gute 15 Meter gegen den Himmel. Das Blasloch, immer in Abhängigkeit von ausreichendem untermeerischen Wasserdruck stehend, war gerade gut bedient, da mächtige Wellen gegen die Klippen schlugen.

Hoch über uns zogen Albatrosse, mit Spannweiten bis über 2 Meter, ihre Kreise. Ihre Brutplätze befanden sich abseits von den Klippen am Plateau, das sich für ihre, auf Grund ihres Gewichtes, länger dauernden An- und Abflugmanöver bestens eignete. Wenn sie für kurze Zeit das Schnabelwetzen, eines ihrer begehrtesten Liebesspiele, unterlassen können und für Jagdzwecke das Meer aufsuchen wollen, bedarf es zunächst eines längeren Fußweges bis an den Klippenrand, von dem sie sich dann in die tragenden Aufwinde stürzen.

Weißer Kies und türkisfarbenes, klares Wasser luden in der Gardener Bay im Nordosten der Insel zum Schwimmen ein. Ein paar Schnorchelgänge bei den kleinen Felsen am Rand der Bucht waren angesagt. Wie ein Mega-Erlebnis in Kürze in Panik umschlagen kann, sollten wir hier erfahren. Wie bei einem Granateneinschlag war uns zumute, als eineinhalb Meter neben uns plötzlich ein Seelöwenbulle die Wasseroberfläche durchschnitt. Zutiefst erschrocken von dieser unerwarteten Begegnung, drehten wir raschest ab und schwammen zum sicheren Strand zurück.

Auf Plaza Sur, auf unserem letzten Inseltrip, war es endlich so weit: Die Symbole des Archipels, die Landleguane, lagen träge vor uns auf einem von in der Trockenzeit rotgefärbten Sesuvien bedeckten Lavaplateau. Welch ein Anblick! Der stachelige Nacken, dessen Fortsetzung der wuchtige Rückenkamm bildet, in Gesellschaft mit den kräftigen Klauen und der gelb-grünen Gesamterscheinung lassen etwas Bedrohliches von diesen Reptilien ausgehen.

Zirka 90 Prozent der Landflächen sind seit 1959 dem Nationalpark zugeordnet. Die Insulaner, die dadurch nicht nur eine Einschränkung ihrer Beweglichkeit, sondern auch ihrer Ressourcen erfuhren, konnten sehr rasch im immer stärker sich entfaltenden Tourismus einen befriedigenden Ersatz finden. Mit 60.000 Gästen im vergangenen Jahr scheint eine Auslastung höchsten Ausmaßes bereits erreicht zu sein. Da man auch in Zukunft eher mit dem "Sanften Tourismus" liebäugelt, möchte man zusätzliche 5-Sterne-Hotels, die den "Stop-over-Tourismus" anheizen, mit aller Gewalt verhindern. Sicherlich wird es weiterhin auch an der strikten Einhaltung der strengen Nationalparkregeln gelegen sein und somit schließlich an jedem einzelnen Besucher, wie lange der Archipel seine heutige Einzigartigkeit noch beibehalten können wird.

Freitag, 05. Oktober 2001

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