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Partygeflüster im Froschteich

Neue Erkenntnisse über das Paarungsverhalten von Amphibien
Von Harald Zaun

Kurz vor Mitternacht. Eine ungewöhnliche Fete an einem nicht minder ungewöhnlichen Ort nähert sich dem Höhepunkt. Ein heiteres, aber unverständliches Stimmengewirr erfüllt die Nacht. Die Stimmung wird immer ausgelassener. Dabei fehlt es der Party eigentlich an allem, was dazugehört: Weder ein Büfett noch irgendwelche Musik, geschweige denn eine Bar oder Tanzfläche garantieren ein Mindestmaß an Atmosphäre. Und zu guter Letzt müssen sich alle Gäste sogar noch in einen sumpfigen großen Teich hineinbegeben, der - eingebettet in einer morastigen trostlosen Landschaft - vor sich hintümpelt.

Dass ein derartiges Ambiente selbst hartgesottenen Partygängern des Guten zu viel ist, können waschechte und wasserfeste Frösche überhaupt nicht nachvollziehen. Denn auf der Suche nach einem geschlechtsfähigen Partner sind für sie solche Bedingungen geradezu ideal. Hier, abseits der Zivilisation, tummeln sich die grün-grauen Hüpfer mit besonderer Vorliebe.

Inmitten des schlammigen Laichgewässers buhlen sie lautstark um die Gunst des anderen Geschlechts.

Auch Weibchen quaken

Bislang ging die Wissenschaft davon aus, dass bei derlei Kennenlernpartys nur die Froschmännchen geräuschvoll um die Wette quaken. Während die grün-grauen Herren der Schöpfung mit lauten und langen Schreien auf sich aufmerksam machen, üben sich die Weibchen in dezenter Zurückhaltung, so die gängige Lehrmeinung. Diese "Diskriminierung" ging sogar so weit, dass manche Forscher den "femininen" Gecken überdies die Fähigkeit zum Quaken vollends absprachen.

Doch die indische Herpetologin ("Kriechtier-Expertin") Debjani Roy von der North Eastern Hill University in Shillong (Indien) hat jüngst herausgefunden, dass sich an dem abendlichen Rufkonzert auch einige Lurchdamen verbal beteiligen - zumindest zeitweilig. Zusammen mit ihrem Team beobachtete die Wissenschaftlerin im nordöstlichen Indien nächtelang geduldig das amphibische Partytreiben. Via Mikrofon zeichnete sie jeweils bis zum frühen Morgen die tiefen und leisen Töne der anwesenden Frösche auf, die allesamt auf Partnersuche waren. Das überraschende Ergebnis ihres Lauschangriffs: In 15 von insgesamt 148 Nächten meldeten sich tatsächlich Damen zu Wort. Vornehmlich Spring-, Baum- und Grillenfroschfrauen reagierten deutlich auf die lautstarken Rufe der Männchen.

Um dieser unerwarteten Redseligkeit näher auf den Grund zu gehen, spielten die Herpetologen den Froschweibchen aus verschiedenen Lautsprechern authentische Tonaufnahmen eines abendlichen Konzerts vor, das die männlichen Lurche in eindeutig zweideutiger Absicht zuvor zum Besten gegeben hatten. Bei dem Experiment kristallisierte sich heraus, dass die weiblichen Lurche sich immerfort für den lautesten männlichen Quaker entschieden. Dieses Verhalten hat evolutionsbiologische Wurzeln.

Denn die anspruchsvollen Froschfrauen wissen genau, dass sich hinter dem kräftigsten Organ meist auch das schwerste und größte Männchen und damit auch der stärkste und beste Kandidat für die Familienplanung verbirgt. Hierzu Debjani Roy: "Die Weibchen sind intelligent genug, um zu wissen, dass die Männchen, die sich am energievollsten in Szene zu setzen wissen, die besseren Gene vererben. Und wer die besseren Anlagen mitbringt, erhöht die Überlebenschancen der nachfolgenden Generationen."

Anstrengende Hochzeitsnacht

Kein Wunder also, dass sich die Krötendamen im Experiment just immer auf den Lautsprecher zu bewegten, hinter dem sie ihren Traumfrosch vermuteten. Wenn die Froschdame mit ihrem sensiblen Gehör den Wunschkandidaten hingegen in der freien Natur ortet, setzt sie sich geduldig an seine Seite und flüstert ihm leise ihre Zuneigung ins Ohr. Wohlwissend, dass sein Werben von Erfolg gekrönt war, bricht daraufhin der Bräutigam in spe in lautes Triumphgequake aus, dies sehr zum Leidwesen jener frustrierten Mitbewerber, die leer ausgegangen sind und nun nach Hause hüpfen müssen, während für das junge Paar eine romantische, aber anstrengende Hochzeitsnacht beginnt.

Wenngleich weltweit die meisten Frösche sich auf diese direkte Art vermählen, so beschränkt sich doch das Repertoire der Casanova-Frösche nicht allein auf eintöniges "Gequake". Vielmehr hat in der artenreichen Familie der Frösche jede Gattung ihren eigenen Ruf: die Wechselkröte trillert, die Stimme der Krallenfrösche gleicht dem kurzen Ticken eines elektrischen Signals und südamerikanische Frösche hingegen zirpen wie Grillen oder Heuschrecken. Aber zum Glück können die scharfsinnigen Froschweibchen allein an der Stimme erkennen, um welche Froschart und um welches Geschlecht es sich bei dem anvisierten einsamen Rufer handelt.

Dass die forschen Froschmännchen es sich indes leisten können, großmäulig aufzutreten und das weibliche Geschlecht direkt anzuquaken, ohne dabei Gefahr zu laufen, einen Korb zu bekommen, ist ein biologisches Charakteristikum, um das sie so manch "menschlicher" Geschlechtsgenosse beneiden mag. Doch aufgeblasene Frösche, die das plumpe Anmachen zur Kunst verklären und dabei noch Erfolg haben, erfreuen sich eben nur bei den "amphibischen" Damen großer Beliebtheit.

Freitag, 06. Oktober 2000

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