Tyrannosaurus rex war das größte Landtier, das jemals auf der Erde gelebt hat. Vor 100 Millionen Jahren waren diese Riesenechsen im zentralen Nordamerika verbreitet. Die ersten Fossilienfunde
stammen aus dem Jahr 1900. Bisher kennt man drei Skelette dieser Art, die zu mehr als der Hälfte erhalten sind, sowie geringere Knochenreste von 20 weiteren Tieren. Sie alle stammen aus einer
Region, die sich von Colorado in den USA nach Norden bis knapp über die kanadische Grenze erstreckt. Forscher in aller Welt haben versucht, aus diesen spärlichen Überresten Schlüsse über die
Lebensweise dieser Tiere zu ziehen. Über einige Ergebnisse dieser Arbeiten wurde vor kurzem im "New Scientist" (18. April 1998, S. 24) berichtet.
Zur Fortbewegung benutzte Tyrannosaurus rex nur die Hinterbeine. Die Vorderbeine waren klein und schwach, auch zum Festhalten von Beute wenig geeignet. Wozu sie benutzt wurden, ist unklar. Die
Knochen der Hinterbeine, die den mehrere Tonnen schweren Körper tragen mußten, sind relativ schwach. McNeill Alexander von der Universität Leeds, England, schließt daraus, daß die
Fortbewegungsgeschwindigkeit der Riesenechsen nicht sehr groß gewesen sein kann, jedenfalls nicht mehr als 25 km/h. Das entspricht etwa der Maximalgeschwindigkeit eines Elefanten und ist halb so groß
wie die eines Löwen.
Theagarten Lingham-Soliar von der russischen Akademie der Wissenschaften verweist darauf, daß die Knorpelschicht in den Beingelenken, die Stöße abfedert, ungewöhnlich dick ist. Es seien daher auch
höhere Geschwindigkeiten denkbar. Die Riesensaurier wären aber sicherlich nicht imstande gewesen, einen Jeep zu verfolgen, wie das in einem der Jurassic-Park-Filme zu sehen ist.
Die Oberschenkel in den Skeletten der Riesenechsen sind länger als die Unterschenkel, während dies bei heute lebenden, auf zwei Beinen schnell laufenden Tieren, umgekehrt ist. Jack Horner vom Museum
of the Rockies in Montana meint deshalb, daß diese Tiere vielleicht überhaupt keine Jäger waren, sondern Aasfresser. Dafür spricht seiner Ansicht nach auch die Knochenstruktur im Inneren der
Schädeldecke. Sie zeigt, daß der für Geruchswahrnehmungen zuständige Teil des Gehirns besonders groß gewesen ist, ähnlich wie bei Aasgeiern. Die Riesensaurier konnten also Aasgeruch über größere
Entfernungen wahrnehmen und schon allein dank ihrer Körpergröße Konkurrenten anderer Arten von den toten Tieren vertreiben.
Andere Forscher meinen, daß Tyrannosaurus rex sowohl Jäger als auch Aasfresser war. Die Knochen der Mundregion waren sehr stark und konnten große Belastungen aushalten. Vermutlich wurden den
Beutetieren mit kräftigen Bissen große Stücke aus dem Körper gerissen. Kleinere Beutetiere wurden nach Ansicht von Lingham-Soliar wahrscheinlich mit dem Mund gepackt und durch rasche kräftige
Kopfbewegungen zu Tode geschüttelt, wie das Haie oder Killer-Wale mit ihrer Beute tun.
Für die gelegentlich geäußerte Vermutung, daß die Riesensaurier Warmblütler gewesen sein könnten, gibt es laut John Ruben von der Oregon State University keine Anhaltspunkte. Die Nasengänge sind eng
und enthalten keine schneckenartigen Strukturen wie bei Säugetieren und Vögeln, in denen eingeatmete Luft erwärmt und angefeuchtet wird. Bei in China gefundenen Fossilien einer nahe verwandten
Saurierart war auch ein wenig Lungengewebe erhalten. Es ist dem eines Krokodils ähnlich und nicht der komplizierter gebauten Lunge der Warmblütler, die eine viel höhere Rate des Gasaustauschs
ermöglicht.
Bei einem mehrere Tonnen schweren Tier geht aber die Abkühlung naturgemäß viel langsamer vor sich als bei einer kleinen Eidechse, und überdies war das Klima vor 100 Millionen Jahren viel wärmer als
heute. Lange Aufwärmperioden am Morgen waren daher wahrscheinlich nicht erforderlich.
Der Bau des Beckens von Tyrannosaurus rex zeigt Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen ähnlich wie bei Krokodilen. Die Weibchen waren größer. An einigen Stellen hat man Fossilien mehrerer
Angehöriger dieser Art am gleichen Platz gefunden, so etwa ein Weibchen, ein Männchen und zwei Junge. Das gibt Anlaß zu Vermutungen, daß die Riesensaurier in Familienverbänden gelebt haben könnten.
Man findet an den Knochen aber auch Spuren von kräftigen Bissen von Artgenossen, die auf heftige Konkurrenzkämpfe hinweisen. Dem am besten erhaltenen Skelett, das von einem Weibchen stammt, fehlt
fast das halbe Gesicht, das nach den erhaltenen Spuren an den Knochen offenbar von einem anderen Tyrannosaurus rex weggebissen wurde. Worum es bei solchen Kämpfen gegangen sein mag, läßt sich aus
den Fossilien nicht erkennen.
Freitag, 31. Juli 1998