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Begegnung der weichen Art

Von Franz Zauner

Jeder läßt gelegentlich ein bißchen Wasser, gemischt mit Bakterien und abgestoßenen Epithelien, gewürzt mit nicht resorbierten Nahrungsschlacken und ausgesuchten Sekreten der Verdauungsdrüsen. Das ist ein gesunder, gottgewollter Vorgang. Allerdings gibt es in Wien exakt 46.779 Lebewesen, die diese Faeces genannte Komposition grundsätzlich im Stadtbild hinterlassen. Das ist ein Ärgernis.

Der Bürger merkt es dann, wenn sein Tritt plötzlich nicht mehr hallt, sondern geräuschlos wird. Der Fuß verstummt, sobald er im Hundehäufchen versinkt. Dafür beginnt er zu riechen, ein Umstand, der sich in einer Jahreszeit, die Profilsohlen erfordert, zu einem tagelangen Mißvergnügen auswachsen kann.

Die Dimensionen des Problems sind gewaltig. Wenn wir den hündischen Stoffwechsel mit 150 Gramm täglich gewichten, was eher einem Dackeldarm entspricht und deshalb optimistisch ist, müssen wir in einem Jahr immer noch 2,5 Millionen Kilogramm Hundekot ausweichen. Das ist eine unmögliche Aufgabe. Private Umfragen legen den Schluß nahe, daß die annuale Trefferquote zwischen eins und drei liegt. Legen wir für die Schadensbehebung einer Begegnung der weichen Art eine Arbeitstunde zu 100 Schillingen zugrunde, häuft sich alljährlich ein volkswirtschaftlicher Schaden von 450 Millionen auf, devastierte Hausecken, grindige Hydranten und übersäuerte Bäume, die überdies auch ein städtisches Urin- Malheur indizieren, nicht mitgerechnet.

Noch schwerer wiegt aber der seelische Schaden. An manchen Tagen ist das Betreten von Wien nur eigenwilligen Spezialisten der Veterinärmedizin eine Freude. Gassen verwandeln sich in diarrhöische Lehrpfade, bakterielle Zerfallsprozesse in allen Stadien künden dampfend von der Vergänglichkeit allen Lebensmittelgenusses. Man fühlt sich wohnhaft in einem Hundeklo.

Liebe Hundefreunde, es genügt nicht, den Vierbeinern wohlwohlend auf's Hinterteil zu schauen. Das Rinnsal ist den Tieren zumutbar. Das deckt sich auch mit den jüngsten Erkenntnissen eines "Hundekommission" genannten Gremiums, das seit Jahren an der Behebung der Misere arbeitet. Hunde sind intelligent genug, meint die Kommission, um ihr Geschäft an konkreten, vorbestimmten, unauffälligen Orten zu erledigen: Man muß es ihren Besitzern nur beibringen.

Wie das geschehen soll, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Die Hundekommission setzt auf Überredung und Steuernachlaß. In Tel Aviv lauert eine geheime Brigade mit Kamera auf Tier und Halter. Bei illegaler Defäkation in flagranti wird der Auslöser gedrückt, und der Staatsanwalt bekommt etwas zu sehen. In Italien müssen Hundebesitzer umgerechnet 1200 Schillinge Strafe zahlen, wenn sie die Hinterlassenschaften ihrer Lieblinge nicht entfernen. Und in Singapur sah die Legislative für die Verschmutzung des öffentlichen Raumes Ahndungen vor, gegen die sich die Gesetze Drakons wie mildtätige Werke bedingungsloser Nächstenliebe ausnehmen.

Es ist nicht auszuschließen, daß auch in der Wiener Hundekommission radikale Geister einmal die Oberhand gewinnen. Schließlich gehen ihre Mitglieder immer wieder zu Fuß.

Mittwoch, 20. Mai 1998

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