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Nach zehn Jahren leidet die Wiener Donau City immer noch an mangelnder Urbanität

Zu hohe Pläne auf der "Platte"

 Mit 100 Metern fast doppelt so hoch geworden wie im Bebauungsplan vorgesehen: der Ares Tower. Foto: Spiluttini

Mit 100 Metern fast doppelt so hoch geworden wie im Bebauungsplan vorgesehen: der Ares Tower. Foto: Spiluttini

 Das Areal der Donau City zwischen Mischek-Wohnhaus (links) und Andromeda Tower (rechts).  Foto: Virtual Real-Estate/uma

Das Areal der Donau City zwischen Mischek-Wohnhaus (links) und Andromeda Tower (rechts). Foto: Virtual Real-Estate/uma

Von Reinhard Seiß

Kaum ein Stadtentwicklungsprojekt Wiens sah sich von Anfang an mit so vielen Erwartungen konfrontiert wie die Donau City. Als zweites Stadtzentrum und urbaner Brückenkopf für die Siedlungsgebiete jenseits der Donau, als städtebauliche Markierung der transdanubischen Waterfront und Pilotprojekt des Wiener Hochhausbaus sollte der einst für die Weltausstellung Wien-Budapest (EXPO ’95) auserkorene Standort fungieren. Zehn Jahre, nachdem mit dem Andromeda Tower die Bebauung der Platte über der A22 sowie des sanierten Deponiegeländes vor der UNO-City begonnen wurde, sind knapp 80 Prozent des geplanten Bauvolumens von 500.000 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche realisiert – und von 3.500 Bewohnern und 5.000 Beschäftigten in Besitz genommen.

Dennoch ist der 17 Hektar große Stadtteil nach wie vor eine Baustelle. Ausgerechnet der attraktive Südteil des Areals, unmittelbar an der Donau gelegen, wird bis heute von der rohen Grundplatte aus Beton sowie monströsen Baugruben bestimmt. Daran schließt mit dem 75 Meter hohen Tech Gate Tower der jüngste Turm an, der gemeinsam mit dem 110 Meter hohen Andromeda Tower – beide von Architekt Wilhelm Holzbauer entworfen – eine Torsituation am Eingang zur Donau City bilden soll.

Investitionshunger der Fonds

Am anderen Ende der "Platte", wie der gesamte Stadtteil salopp genannt wird, wurde – gleich neben dem Mischek Tower, Österreichs höchstem Wohnhaus, – der 90 Meter hohe Saturn Tower kürzlich fertiggestellt. Der wuchtige Glasbau zählt mit Sicherheit nicht zu den Meisterwerken des Architekten Hans Hollein, wurde aber ungeachtet dessen schon vor dem Bezug verkauft, und zwar – wie so viele Bürotürme der letzten Jahre – an einen der großen deutschen Immobilienfonds, deren enormer Investitionshunger den Wiener Hochhaus-Boom spürbar forciert hat.

Die Verantwortung für die Entstehung der Donau City liegt bei der Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum (WED), hinter der ein Konsortium der größten heimischen Banken und Versicherungen steht. Sie ist für alle Projekte auf der "Platte" – zumindest in der Konzeptionsphase – zuständig, übernimmt meist jedoch auch deren Errichtung und Verwertung. Für den Vorstandsdirektor der WED, Thomas Jakoubek, minimiert der halbfertige Charakter des Stadtteils die zahlreichen Standortvorteile keineswegs: "Für die Donau City sprechen zum einen die so genannten harten Faktoren wie der optimale Verkehrsanschluss durch U-Bahn und Autobahn sowie die hohe Objektqualität unserer Bauten. Zum anderen sind es aber auch weiche Faktoren wie die Lage an der Donau, das moderne Standort-Image sowie die berechenbare Entwicklung des Umfelds unserer Immobilien."

In der Donau City, so Jakoubek, fänden internationale Konzerne die weltweit üblichen Standards vor – was in Wien nicht selbstverständlich sei. Diese Einschätzung wird durch die Büroleerstandszahlen durchaus untermauert: Während die Türme der Donau City als voll verwertet gelten, stehen wienweit 20 Prozent der in den letzten zehn Jahren errichteten Büroflächen leer – was auch international einen sehr hohen Wert darstellt. Dabei weisen die Türme auf der "Platte" mit etwa 15 Euro pro Quadratmeter die höchsten Büromieten außerhalb des 1. Bezirks auf. So sieht der WED-Direktor seine Aufgabe, einen zweite City zu entwickeln, zumindest hinsichtlich der Business-Funktion durchaus erfüllt.

Keine Zentrumsfunktion

Eine – ursprünglich erhoffte – Zentrumsfunktion für die beiden boomenden Stadterweiterungsbezirke nördlich der Donau mit insgesamt 280.000 Einwohnern wird die Donau City aber wohl ebensowenig erlangen wie das urbane Flair innerstädtischer Bezirke. Zum einen führen die Verkehrsströme aus den weitläufigen Wohngebieten von Floridsdorf und der Donaustadt mehrheitlich an der Donau City vorbei. Zum anderen fehlt dem insulären Standort – begrenzt von der Donau, dem weitläufigen Donaupark, der UNO-City sowie der vierspurigen Wagramer Straße – ein unmittelbares Hinterland. Und schließlich ist die Bewohnerzahl auf der "Platte" selbst viel zu gering, um mehr als eine Mindestversorgung durch Handel, Dienstleistungen und Gastronomie herzustellen.

Dem widerspricht Eva Prochazka, die für die Donau City zuständige Planerin im Wiener Rathaus: "Im Endausbau wird der Stadtteil ein deutlich anderes Gesicht aufweisen. Eine geplante Universitätsfakultät sowie Kulturstätten werden ein neues Publikum hierher bringen, wodurch weitere Lokale und Geschäfte entstehen." Allerdings klafft am vorgesehenen Universitätsstandort, direkt neben dem Andromeda Tower, schon seit Jahren ein riesiges Loch, dessen Verbauung bisher an der fehlenden Bundesfinanzierung scheiterte. Wie lange die Baugrube im Herzen der Donau City noch als Parkplatzprovisorium dienen wird, ist nicht abzusehen.

Bezüglich angestrebter Kultureinrichtungen stellt sich die Frage, was Wien an bedeutenden Kulturbauten derzeit überhaupt noch braucht. "Das MuseumsQuartier auf der Platte anzusiedeln, das wär’s gewesen!" , meint Architekturtheoretiker Friedrich Achleitner – und befürchtet, dass eine zweitklassige Kulturstätte kaum Effekte für das Hochhausviertel bringen werde.

Die mangelnde Urbanität führt Architekt Adolf Krischanitz vor allem auf den Städtebau der Donau City zurück. Gemeinsam mit Heinz Neumann hat Krischanitz 1992 den ersten Masterplan für den ursprünglich als Weltausstellungsstandort vorgesehenen Stadtteil verfasst. Die beiden Architekten schlugen darin eine komplexe und dennoch sehr viel klarere Struktur vor, als die seit 1995 realisierten Bauten erahnen lassen – etwa eine gestaffelte, zur Donau hin abfallende Höhenentwicklung.

Sie konzipierten eine dreidimensionale, üppig durchgrünte Stadt mit zwei Bezugsebenen (welche durch die Überplattung der Donauufer-Autobahn vorgegeben waren), wobei sich die untere Ebene nicht nur auf die Bewältigung des Autoverkehrs beschränkt hätte – was mittlerweile allerdings der Fall ist. Die obere, den Fußgängern vorbehaltene Ebene wiederum hätte nicht – wie heute – aus einer monolithischen Platte bestanden, sondern aus einem Netzwerk von Stegen, Brücken und platzartigen Erweiterungen.

Um ein solches Konzept umzusetzen, bräuchte es laut Krischanitz allerdings einen starken Gestaltungsbeirat oder zumindest eine kreativ-koordinierende Stelle, die alle Beteiligten von der Idee überzeugt. Dann hätte man hier auf höchstem Niveau "Stadt spielen" können, hadert der Autor des Masterplans. "Stattdessen wurden die städtebaulichen Überlegungen aus wirtschaftlicher Panik partikulären Interessen geopfert – mit dem Erfolg, dass wir heute ein beziehungsloses Nebeneinander von monofunktionalen Hochhäusern haben, uninteressante, windexponierte öffentliche Räume im Inneren sowie unbewältigte Situationen an den Rändern und Übergängen. Damit stellt die Donau City mit Sicherheit keinen urbanistischen Fortschritt dar."

In dieselbe Kerbe schlägt die Raumplanerin Gertrud Strasser, die in einer wissenschaftlichen Studie an der TU Wien aufzeigte, wie der Masterplan und der daraus entwickelte Flächenwidmungs- und Bebauungsplan mit zunehmendem Baufortschritt in den Hintergrund rückten – und sich solitäre Architektur gegenüber der Idee eines funktionierenden Ensembles durchsetzte. Strassers stadträumliche Analyse der Donau City ergab eine oft willkürliche Festlegung der Bauplätze, wie etwa beim Ares Tower, "der zudem noch mit 100 Metern das Doppelte jener Höhe erreichte, die im Bebauungsplan festgelegt war" .

Der öffentliche Raum zwischen den Türmen verkommt mangels verbindlicher Gesamtkonzepte mehr und mehr zur ungeplanten Restfläche, rings um autistische Solitärbauten. Beim Ares Tower und beim Strabag Tower wurde etwa der Vorplatz um eine Etage abgesenkt, um auf dieser Ebene zu ermöglichen, was auf der eigentlichen Null-Ebene untersagt ist: das Vorfahren der Limousinen von Generaldirektoren und wichtigen Kunden. Diese "Burggräben" entziehen sich jeglicher allgemeiner Nutzung und lassen die Bauten vom öffentlichen Raum abrücken.

Flexibilität im Bebauungsplan

Da der wirtschaftliche Erfolg der bisherigen Entwicklungsstrategie aber Recht zu geben scheint, sind stärkere Auflagen für die städtebauliche Qualität auch künftighin unwahrscheinlich. "Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für die Donau City wurde hinsichtlich seiner räumlichen Vorgaben bewusst offen gehalten" , erklärt Eva Prochazka von der Wiener Stadtplanung. "Wir wollten die Kreativität der Architekten hier nicht zu sehr einschränken." Statt verbindlicher Baufluchtlinien und Bauklassen regelt hauptsächlich die festgesetzte Kubatur das Maß der Bebauung. Flexibilität soll auch den neuen Bebauungsplan auszeichnen, der derzeit auf Basis des zweiten Masterplans erarbeitet wird, welcher von Dominique Perrault stammt.

Das Siegerprojekt aus dem internationalen Wettbewerb des Jahres 2002 widmet sich nicht nur dem Endausbau der Donau City, sondern auch dessen Umfeld: So soll der Terrassenbereich zur Donau hin endlich in Form gebracht werden – durch eine urbane Gestaltung mit Freizeit-, Kultur- und Veranstaltungsbauten, mit großzügigen Treppen und einer Uferpromenade. Mit den angrenzenden Bereichen, wie etwa dem UNO-Hauptquartier, soll das Hochhausviertel künftig besser verknüpft sein. In der Donau City selbst sieht Perraults Masterplan im Wesentlichen noch drei Hochhäuser vor: Neben einem 140-Meter-Turm im Eingangsbereich sollen im noch unbebauten Südteil binnen fünf Jahren zwei Bürohochhäuser mit rund 160 und 200 Metern entstehen – als alles überstrahlende Wahrzeichen des modernen Wien.

Proteste von Mietern und Eigentümern bestehender niedrigerer Türme gegen die Entwertung ihrer Büros durch höhere Neubauten befürchtet WED-Direktor Jakoubek nicht. Denn die weitere Verdichtung bringe den heutigen Büroinhabern auch Vorteile, wie etwa den Zuwachs an Nahversorgung – eine freie Aussicht sei eben nicht alles. Jakoubek verhehlt gar nicht, dass es durchaus Strategie war, relativ niedrig zu beginnen und immer höher zu werden: "Hätten wir mit den höchsten Türmen begonnen, ließen sich spätere niedrigere Türme kaum vermarkten. So sehen wir die bestehenden Hochhäuser auch als attraktiven Rahmen für die Highlights, die jetzt noch kommen."

Im Endausbau werden in der Donau City bis zu 12.000 Menschen Beschäftigung finden; die Zahl der Bewohner bleibt unverändert – Studenten, Kulturkonsumenten und Hotelgäste sollen dazukommen. Aber auch dann sei es laut Friedrich Achleitner noch zu früh, über Scheitern oder Gelingen des neuen Stadtteils zu urteilen. Denn, so der Architekturtheoretiker, "eine römische Planstadt hat rund 300 Jahre zur Entwicklung gebraucht – wir blicken jetzt erst auf zehn Jahre Donau City zurück. Allerdings gibt es hier zugegebenermaßen nur mehr wenig Spielraum für die nächsten 290 Jahre..."

Reinhard Seiß ist Stadtplaner, Filmemacher und Fachpublizist in Wien sowie Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung.

Freitag, 12. August 2005

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