Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Benutzer-Hilfe
 Politik  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  Meinung  English  MyAbo 
 Lexikon   Glossen    Bücher    Musik 

Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Was hat Weihnachten mit heidnischen Vorläuferfesten gemein?

Die Sonne der Gerechtigkeit

Von Hans Förster

Weihnachten, das Fest der Geburt Jesu, zählt neben Ostern und Pfingsten zu den Hauptfesten des Christentums. In Umfragen rangiert es auf der Beliebtheitsskala der christlichen Feste meist mit großem Abstand an erster Stelle. Und doch zeigt schon ein Blick in den Kalender, dass sich dieses Fest in entscheidender Weise von den anderen christlichen Hauptfesten unterscheidet: Ostern und Pfingsten sind vom jüdischen Kalender beeinflusst, dessen Monate dem Zyklus des Mondes folgen. Der Zeitpunkt des ersten Vollmonds nach der Frühlingstagundnachtgleiche entscheidet, wann Ostern stattfindet. In Abhängigkeit davon feiert man auch das Pfingstfest, dessen Termin vom jüdischen Wochenfest beeinflusst ist.

Weihnachten wird hingegen immer am 25. Dezember gefeiert. Den Vorabend des Festes bildet der Heilige Abend am 24. Dezember. (Die Sitte, einen Festtag schon am Vorabend zu beginnen, findet sich auch im Judentum.) In römischen Begriffen ausgedrückt, findet das Weihnachtsfest acht Tage vor den Kalenden des Jänner statt. Am entsprechenden Tag im Juni wird die Geburt Johannes des Täufers gefeiert, von dem im ersten Kapitel des Lukasevangeliums berichtet wird, dass er sechs Monate vor Jesus geboren worden sei. Dass der 24. und nicht der 25. Juni als sein Geburtstag gilt, erklärt sich aus der römischen Art der Zählung: weil der Juni - im Gegensatz zum Dezember - nur 30 Tage hat, ist der achte Tag vor den Kalenden des Juli eben der 24. Juni.

Die Verbindung mit der Sonne ist bei beiden Terminen eindeutig: einmal handelt es sich um die Sommersonnenwende, das andere Mal um die Wintersonnenwende. Das Fest der Empfängnis Jesu wird am 25. März begangen, unter byzantinischem Einfluss wurde in manchen Teilen Galliens im Mittelalter die Empfängnis des Johannes am 24. September begangen. Beide Termine waren nach damaliger Zeitrechnung die Tagundnachtgleichen des Jahres. Der Einfluss der Sonne auf die Festlegung des Weihnachtstermins scheint somit erwiesen zu sein.

"Sol invictus"

Dieser Umstand ist einer der Gründe dafür, dass die Einführung des Weihnachtsfestes, die in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts erfolgte, schon seit langer Zeit mit einem heidnischen Sonnenfest in Verbindung gebracht wird. In einer Glosse zu einer Handschrift des Dionysios bar Salibi - dieser Gelehrte wirkte im 12. Jahrhundert - heißt es in diesem Sinne: "Die Ursache, weshalb die Väter das Fest des 6. Januar abänderten und auf den 25. Dezember verlegten, war folgende. Die Heiden pflegten nämlich am 25. Dezember das Fest

des Geburtstages der Sonne zu

feiern und zu Ehren des Festes

Feuer anzuzünden. An dieser Lustbarkeit und diesem Schauspiel ließen sie auch das Christenvolk teilnehmen. Da nun die Lehrer (der Kirche) die Wahrnehmung machten, dass die Christen durch dies (heidnische Fest) angezogen wurden, trafen sie Vorsorge und begingen an diesem Tage (d. i. dem

25. Dezember) fortan das Fest der wahren Geburt."

Hier wird einerseits davon berichtet, dass die Geburt Jesu im Osten ursprünglich am 6. Jänner gefeiert wurde - andererseits stellt sich jedoch die Frage, was es mit jenem Fest auf sich hat, das in dem alten Text erwähnt wird.

Tatsächlich wurde zu manchen Zeiten am 25. Dezember der Geburtstag des Sol invictus, des unbesiegten Sonnengottes, begangen. Doch sind genaue Nachrichten über dieses heidnische Fest vergleichsweise spärlich: Das Schwinden des Lichtes im Winterhalbjahr wurde als Sterben der Sonne gedeutet, die Wintersonnenwende als ihre Wiedergeburt: Sol invictus siegte über die Kräfte der Dunkelheit und der Finsternis und machte den Menschen mit dem Längerwerden der Tage Hoffnung auf ein Ende des lebensfeindlichen Winters.

Dieses Sonnenfest ist möglicherweise mit dem Kaiser Eleagabal zu Anfang des dritten Jahrhunderts aus dem persischen Raum nach Rom gelangt. Im Jahr 274 n. Chr. ließ Kaiser Aurelian einen der Sonne geweihten Tempel erbauen. Das kann man als Hinweis darauf auffassen, dass zu seiner Zeit das Sol-invictus-Fest gefeiert wurde.

Immer wieder wurde in christlichen Predigten und Traktaten auf den Zusammenhang zwischen diesem heidnischen Fest und dem Weihnachtsfest hingewiesen. Bereits früh findet sich eine Verbindung zwischen Christus und der Sonne. Eine Bibelstelle aus dem Propheten Maleachi (3,20a), war besonders wirksam: "Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln." Eine Predigt des Bischofs Zeno von Verona aus dem vierten Jahrhundert schildert Christus in einer Weise, dass man sich an die Attribute des Sonnengottes erinnert fühlt, und im fünften Jahrhundert ermahnt Papst Leo der Große seine Gläubigen, sie sollten Christus als wahre Sonne der Gerechtigkeit verehren und sich nicht vor der natürlichen Sonne verneigen.

All dies erweckt den Anschein, als seien in Rom heidnische Bräuche mit dem Weihnachtsfest verbunden worden. Man kann als zusätzliches Argument anführen, dass mit dem Toleranzedikt des Kaisers Konstantin Anfang des vierten Jahrhunderts eine entscheidende Wende im Christentum stattfand. Das Christentum wurde zur anerkannten Religionsgemeinschaft und begann, die Leute dort abzuholen, wo sie waren. Ein Parallelfest zu einem beliebten heidnischen Sonnenfest hat es den Menschen gewiss leichter gemacht, eine Heimat im Christentum zu finden. Tatsächlich versuchten die englischen Reformatoren später, dieses und andere nichtbiblische Feste aus dem Kalender zu tilgen. Unter Cromwell kam es im 16. Jahrhundert infolge des Verbots von angeblich heidnisch beeinflussten Festen zu Ausschreitungen in England. So nimmt es nicht wunder, dass auch die wissenschaftlichen Vertreter der so genannten "religionsgeschichtlichen Hypothese" die Einführung des Weihnachtsfestes auf heidnische Einflüsse zurückführen.

Zweifel am Sonnengott

Allerdings erheben sich bei genauer Betrachtung der Quellen Zweifel daran, ob dieses Szenario die Einführung des Weihnachtsfestes tatsächlich völlig erklären kann. Immerhin berichten nur sehr spärliche Quellen über das Sol-invictus-Fest, und der älteste römische Beleg

für ein derartiges Fest stammt aus dem Jahr 354 n. Chr. Dies ist ein Indiz dafür, dass es sich nicht um ein sehr weit verbreitetes Fest

gehandelt haben kann. Viele andere heidnische Feste sind besser bezeugt. Es stellt sich somit die Frage, warum dieses angeblich

so entscheidende Fest im Vergleich zu anderen so schlecht bezeugt

ist. Zugleich fällt auf, dass es

im 4. Jahrhundert eine Vielzahl heidnischer Feste gab, die kein christliches Parallelfest erhalten

haben.

Auch ein Blick auf das gesellschaftliche Klima, in dem sich das Weihnachtsfest entwickelte, regt zu Fragen an: Noch Anfang des vierten Jahrhunderts wütet die diokletianische Christenverfolgung derart heftig, dass die auf der Regierungszeit dieses Kaisers aufbauende Zählung der Jahre aus christlicher Sicht als "Zeitrechnung der Märtyrer" bezeichnet wird. Die Skepsis der Christen gegenüber dem Heidentum dürfte in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts gerade aus diesem Grund sehr groß gewesen sein. Insofern ist es zumindest bedenkenswert - um nicht zu sagen höchst aufschlussreich -, dass kein Zeitgenosse kritisch anmerkte, man habe ein heidnisches Fest übernommen. Derartige Vorwürfe wurden zur selben Zeit sehr wohl in Ägypten gegen die Übernahme heidnischer Elemente in den christlichen Bestattungsritus erhoben. Warum, so fragt man sich, regte sich bei dem reichsweit begangenen Weihnachtsfest kein Widerspruch?

Zu bedenken ist auch, dass es sich bei den Christen nicht um eine geschlossene Gruppe handelte. Es kam unter ihnen immer wieder zu lokalen Streitigkeiten, vor allem aber erschütterten große theologische Auseinandersetzungen die Christenheit. Zwei Regionen - Ägypten und Nordafrika - waren in sich gespalten, weil hier wie dort jeweils eine Gruppe eine sehr strikte Haltung gegenüber allen anderen einnahm, die während der Verfolgung in irgendeiner Form ihr Christentum verleugnet hatten. Betrachtet man die vorhandenen Quellen, so fällt auf, dass Weihnachten bzw. Epiphanias, in dieser Auseinandersetzung nur zur

Sprache kamen, wenn es sich

um Probleme der Kirchengemeinschaft mit anderen kirchlichen Provinzen drehte, während man einander in anderen Zusammenhängen sehr wohl eine allzu große Nähe zum Heidentum bzw. die Übernahme heidnischer Elemente unterstellte.

Der wahre Geburtstag Christi

In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts tobte zwischen Ost und West der Streit um die Frage, welche Seite das Geburtsfest am richtigen Tag feiere. Der Osten bevorzugte den 6. Jänner, der Westen den 25. Dezember. Jede der beiden Seiten war felsenfest davon überzeugt, dass ihr Termin der wahre sei, doch warf auch in diesem Streit keine Seite der anderen vor, ein heidnisches Fest zu feiern. Die Frage drehte sich einzig und allein darum, wer die besseren Informationen und die zuverlässigeren Nachrichten über den wahren Geburtstag Christi hätte. Erst im 7. Jahrhundert äußerte ein armenischer Gelehrter den Verdacht, das

Weihnachtsfest hätte fragwürdige Wurzeln. Erst im 13. Jahrhundert wurde dann eine eindeutige Verbindung zwischen Weihnachten und dem heidnischen Sonnenfest hergestellt.

Auch die oben angesprochene Ermahnung des Papstes Leo muss sich nicht unbedingt auf das Sol-invictus-Fest beziehen. Hatte der Papst, so kann man fragen, vielleicht einfach Volksbräuche im Sinn? Immerhin wird nicht auf ein Fest, sondern auf private Bräuche hingewiesen. Und diese scheinen teilweise sehr hartnäckig weiterzuleben. Es sei nur auf die bekannte Sitte verwiesen, auf Holz zu klopfen, wenn erwähnt wird, dass eine Sache bisher gut verlaufen ist. Auch diese Überlegung spräche nicht für eine direkte Abhängigkeit zwischen Weihnachten und einem heidnischen Vorläuferfest.

Am Ende muss noch ein weiterer Einwand gegen die Nachricht des Dionysios bar Salibi angemeldet werden. Bereits im 8. Jahrhundert meinte der irische Gelehrte Beda Venerabilis, dass die Bezeichnung Ostern mit einer heidnischen Frühlingsgöttin in Verbindung stehe. Dies ist philologisch falsch, zeigt jedoch, wie beliebt es damals offensichtlich war, Verbindungen zwischen heidnischen und christlichen Festen herzustellen. Auch dies mehrt die Zweifel an einer sehr engen Verbindung zwischen Weihnachten, das im 4. und 5. Jahrhundert wie ein Feuersturm die Herzen der Christen eroberte, und einem heidnischen Sonnwendfest.

Hans Förster ist APART(=Habilitations)-Stipendiat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Freitag, 24. Dezember 2004

Aktuell

Die Mutter aller Schaffenskraft
Wenn Eros uns den Kopf verdreht – Über Wesen und Philosophie der Leidenschaft
Schokolade für die Toten
In Mexiko ist Allerseelen ein Familienfest – auch auf dem Friedhof
Gefangen im Netz der Liebe
Das Internet als Kupplerin für Wünsche aller Art – Ein Streifzug durch Online-Angebote

1 2 3

Lexikon


W

Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum