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Der "Schwarze Freitag" 1929 -eine wirtschaftliche Katastrophe

Als die Börsen Trauer trugen

Von P. R. Lang

Er war kein Tag wie jeder andere, dieser 29. Oktober 1929. Er erschütterte die Welt, rüttelte an ihren elementarsten Fundamenten und wurde zum Synonym für Armut und wirtschaftlichen Niedergang. An diesem Tag kam es in Amerika zum folgenschwersten der insgesamt vier Börsenstürze innerhalb des Monats Oktober. Die Industriemacht Amerika, weitgehend mit der Weltwirtschaft verflochten, löste an diesem "Schwarzen Freitag" eine Kettenreaktion aus.

Der 29. Oktober fiel in eine Zeit, da sich zaghaft das erste Wirtschaftswunder unserer Zeit ankündigte. Zwar hatte das Wort vom "gehobenen Lebensstandard" nicht für alle Stufen der amerikanischen und europäischen Gesellschaftspyramide Gültigkeit, doch schien das allerorts angekündigte "Sozialprogramm für jedermann" durchaus realisierbar zu sein. Ein weltweit gesunder wirtschaftlicher Pulsschlag versprach, alle Ankündigungen, Prognosen und Versprechungen in Kapital zu verwandeln.

Der allgemeine Aufschwung fand in einem Umfeld aufsehenerregender Ereignisse statt: Hugo Eckener hatte mit dem Luftschiff "Graf

Zeppelin" den Atlantik überquert. In Berlin wurde die erste Fernsehsendung der Welt ausgestrahlt. Erich Maria Remarque schrieb an seinem Erfolgsbuch "Im Westen nichts Neues", in Paris erlebte Cocteaus Stück "L'enfants terribles" eine glanzvolle Uraufführung, in Berlin, Wien, München, Frankfurt und Leipzig brach der Film

"Melodie des Herzens" alle Kassenrekorde.

Doch da platzte die Bombe.

Es kam zum Zusammenbruch der amerikanischen Börsen. Buchstäblich über Nacht wurde die gesamte Weltwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Die Folgen waren verheerend. An die Stelle der Blütejahre traten Armut, Verzweiflung und Arbeitslosigkeit. Allein in den USA begingen am 29. Oktober 713 Menschen Selbstmord.

Was war geschehen? Wie konnte dieses wirtschaftliche Desaster entstehen? Die Weltwirtschaft war am Ende der "Goldenen zwanziger Jahre" mit Krediten überlastet. Sie kamen von den gigantischen Summen, die Amerika seinen Verbündeten für die Kriegführung im Ersten Weltkrieg bezahlt hatte. Die Staaten der Entente sahen sich außerstande, ihre Schulden zu begleichen. Notgedrungen musste Amerika die Zahlungen stunden. Mehr noch: Es gewährte den ehemaligen Kriegspartnern weitere Kredite.

Die Deckung dieser neuen Kredite aber bestand in den Reparationszahlungen, die man den besiegten Staaten auferlegt hatte. Die Deutschen waren jedoch ihrerseits ebenfalls abhängig von Fremdgeld - nämlich von englischen, amerikanischen und französischen Krediten -, um die deutsche Industrie wieder leistungsfähig zu machen und den gewaltigen Reparationsverpflichtungen nachzukommen.

Dieses System der uferlosen Kreditvergabe, das schon damals von weitblickenden Wirtschaftsfachleuten kritisiert wurde, musste eines Tages zusammenbrechen, und so kam es auch: Deutschland und die anderen Kriegsschuldner zogen den bereits angeschlagenen Gläubiger mit in die Tiefe.

Als die Krise ausbrach, hatte der Kreditgeber Amerika noch kein ausreichendes Auslandsvermögen, um die Schulden der europäischen Staaten abdecken zu können. Als erste und direkte Folge der Krise erlebte der zwischenstaatliche Güter- und Leistungsverkehr einen katastrophalen Absturz. Die Hochöfen blieben kalt, in den Häfen ragten die Kräne unbeweglich in den Winterhimmel, die Arbeitslosigkeit setzte sturzflutartig ein. Gleichzeitig saugte in Amerika die Spekulationswelle alles Geld an sich. Die Zinsen schossen in unverantwortliche Höhen.

Ein übler Erwerbssinn feierte Triumphe. Jeden Monat wurden zwischen 400 und 500 Millionen Dollar in Aktien angelegt. Es war jenes Aktienkapital, das die einzige, brüchige Rückendeckung für die Weltwirtschaft bildete. Nachdem es bereits am 21. und 24. Oktober 1929 zu geringen Kursstürzen gekommen war, verloren am 29. Oktober die Aktien ihren Handelswert. Betrug der Verlust Ende Oktober noch 15 Milliarden Dollar, wurde er einen Monat später mit 40 Milliarden beziffert.

Die Ursachen lagen auf der Hand:

  • die Produktionskapazität war größer als das Aufnahmevermögen;
  • die Kriegsschuldenpolitik der Regierung;
  • die allzu großzügige Kreditpolitik im Inland;
  • die über ihren tatsächlichen Wert hochgetriebenen Aktienwerte.

Präsident Hoover, in dessen Amtszeit die Tragödie fiel, wurde scharf kritisiert. In erster Linie wurde

ihm zum Vorwurf gemacht, dass

er den 29. Oktober nicht zum Bankfeiertag ausgerufen hatte, um die Aktien in heimlicher Eile

mit Staatskapital zu stützen. Die Panik, die dem Börsensturz folgte, hätte sich dadurch in Grenzen gehalten.

Diese Fehler und Versäumnisse büßte Amerika mit zwölf Millionen Arbeitslosen, 32.000 abgewirtschafteten Industrieunternehmen und über 5.000 geschlossenen Banken.

Erst Franklin Delano Roosevelt, dem Nachfolger Hoovers, gelang

es im Sommer 1933, mit durchgreifenden Reformen die Wirtschaft neu zu beleben. Neben Amerika wurde Deutschland am schwersten getroffen. Von 1929 bis 1933 schwankte hier die Arbeitslosenzahl zwischen sieben und neun Millionen.

Dem kleinen Rumpfstaat Österreich hatte die Weltwirtschaftskrise nicht minder schwer zugesetzt. Die geringen Mittel, die Österreich zuerst von der Völkerbundanleihe, später von der Lausanner Anleihe (9 Millionen Pfund Sterling) zugebilligt wurden, waren von politischen Konzessionen abhängig, die letztlich mitgeholfen haben, die politischen Ereignisse im Februar 1934 und im März 1938 herbeizuführen.

Freitag, 29. Oktober 2004

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