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Johann Fischer besitzt die größte Engelsammlung der Welt

Der Erzengel von Engeldorf

Von Annette Zellner

Wenn man Johann Fischer anruft und um ein Interview bittet, muss man zuerst eine Frage beantworten: "Wissen Sie, dass ich im Guinnessbuch der Rekorde stehe?" Die sollte man bejahen, denn der kleingewachsene 69-Jährige ist einer der großen Sammler dieser Welt. Herr Fischer, wohnhaft in Engeldorf im Bergischen Land, besitzt 12.642 Engel - mindestens, denn ganz genau weiß er es selbst nicht mehr. Die Zahl stammt aus dem Frühjahr 2002. Damals haben drei Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung drei Tage lang seine Engelscharen für das Guinnessbuch gezählt. Das tat die Stadt gerne, sie ist stolz auf Herrn Fischer. Der Mann ist eine Attraktion für den Ort, schließlich hat er mit seinem Rekord einen Engelsammler aus den USA übertrumpft.

Zwar gibt es zwar in seiner Heimat auch Menschen, die ihn wegen seiner Sammlerei merkwürdig finden, doch das stört Herrn Fischer nicht. Leise lachend erzählt er, wie er einmal einen Mann belauscht hat, der an seinem Haus vorbeiging und zu seiner Begleiterin sagte: "Hier wohnt der bekloppte Engelsammler!"

Johann Fischer fühlt sich nicht "bekloppt". "Medizinisch ist bei mir alles in Ordnung", sagt er grinsend. Außerdem fällt dem Besucher auf, dass Herr Fischer in regelmäßigen Abständen Späße macht. Das mag daran liegen, dass der Karnevalist in jungen Jahren als Büttenredner auftrat und später auch einen Karnevalsverein gegründet hat. So sagt er etwa Sätze wie: "Ich zähle nicht meine Engel , sondern nur die Flügel. Die teile ich dann durch zwei." Abstauben müsse er sie auch nicht: "Sie sind Selbst-Entstauber, die machen das mit den Flügeln."

Engel und Spieluhr

Fischer öffnet eine Tür. Plötzlich befindet man sich mitten in himmlischen Gefilden: Engelsfiguren hängen von der Decke herab, stehen auf dem Boden, auf Tischen und Regalen. Lichterketten leuchten. Herr Fischer lässt leise Weihnachtsmusik laufen. Er weiß, wie seine Sammlung am besten zur Geltung kommt. Dann zeigt er auf eine wertvolle Spieluhr, die die Filmmelodie von "Dr. Schiwago" spielt und sich mit kleinen Engeln im Kreise dreht.

Johann Fischer besitzt alte gestickte Taufbriefe, Aktien, Geldscheine, Boxershorts, Krawatten und viele Bilder: überall sind Engel drauf. Man weiß nicht, wo man zuerst hinschauen soll - und entdeckt plötzlich eine Schneekugel, in die hinein Herr Fischer ein Foto von sich gesteckt hat. Aus seinen Schultern wachsen Flügel. "Ich bin der Erzengel", sagt er. Er besitzt eine Engelsbarbie und ein Exemplar mit einem riesigen Penis. "Diesen Engel hat mir meine Frau aus Bali mitgebracht." Auch ein mit Engeln gefülltes Gartenhäuschen besitzt der Sammler, und tausende Exemplare von Weihnachtskrippen.

Schutzengel vor 18 Jahren

Der allererste Engel in Herrn Fischers Sammlung ist jedoch unsichtbar - und doch ist er der wichtigste. Es ist sein Schutzengel. Dieser hat ihm vor 18 Jahren bei einem Autounfall das Leben gerettet. "Ich lag 144 Tage im Krankenhaus", erzählt Fischer. Da hatte er viel Zeit, um sich immer wieder die Frage zu stellen: "Was machst du mit dem Rest deines Lebens?" Er wusste nicht, ob er wieder in seinem Versicherungsbüro würde arbeiten können. So kam er auf die Idee zu sammeln - weil

seine damals 20-jährige Tochter ihm am ersten Abend im Krankenhaus einen Stoffengel mitgebracht hatte.

Es war ein Dankeschön an den Schutzengel ihres Vaters. An den glaubt auch Herr Fischer, und das meint er zur Abwechslung ganz im ERnst. Lieber spricht er aber von seiner Sammlung: "Ich gebe jedem Engel Asyl. Sie sollen alle hierher kommen." Für himmlischen Nachschub sorgt er selbst: Wer sein privates Museum besuchen will, muss als Eintritt einen Engel mitbringen.

Ausstellungen und Interviews

Herr Fischer hat viel Geld in sein Hobby gesteckt. "95 Prozent vom Schmerzensgeld für meinen Unfall." Genaue Zahlen will er nicht nennen. Wenn man ihn fragt, ob ihn die Engelsammlerei nicht manchmal nerve, schüttelt er den Kopf: "Ich habe es nie bereut." Er macht immer wieder Ausstellungen und gibt gerne Interviews. Schließlich ist Herr Fischer eine kuriose Erscheinung, denn welcher andere Engelsammler kann schon auf einen Wohnort namens Engeldorf verweisen?

Einmal, so erzählt der Sammler, habe ihm eine Journalistin vorgeschlagen, sie könne doch schreiben, dass ihm ein echter Engel erschienen sei. Doch das ging Johann Fischer dann doch zu weit. Bevor er lügt, macht er lieber wieder ein Späßchen - und erklärt, dass seine Hühner im Stall natürlich auch Engel seien. "Schließlich haben sie Flügel!"

Freitag, 19. Dezember 2003

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