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Die Geburt Jesu wurde nicht immer am 25. Dezember gefeiert

Weihnachten im Frühling

Von Hans Förster

Weihnachten ist selbstverständlich am 25. Dezember. Danach gefragt, ob es sich bei diesem Datum tatsächlich um den Geburtstag Jesu handelt, verweisen viele Wissenschaftler auf die Parallele zum Sol-invictus-Fest, das - aus dem Osten stammend - im Jahr 274 n. Chr. unter Kaiser Aurelian zum Staatskult erhoben worden war. Jesu Geburtstag sei unbekannt gewesen, man habe ihm ein symbolträchtiges Datum unterschoben. In den biblischen Texten findet man kaum Anhaltspunkte dafür, wann Jesus geboren wurde. Die zeitliche Nähe des Weihnachtsfestes zum Sol-invictus-Kult birgt aber gewisse Probleme, auch wenn sich dieser Termin gut in die allgemeine Stimmung um die Jahreswende einfügt: In der dunklen, kalten Jahreszeit wird ein Fest gefeiert, das mit Licht und menschlicher Wärme verbunden ist. Die heilige Familie, das Kind in der Krippe, die Kerzen am Baum, all das verbinden wir heute mit diesem Fest.

28. März oder 2. April

Allerdings findet man Erstaunliches, um nicht zu sagen Befremdliches, wenn man in alten Überlieferungen nachforscht. Das Weihnachtsfest wurde erst in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts eingeführt, davor hielt man andere Tage für jenen der Geburt Jesu. Ein Text, der fast 100 Jahre älter ist als die erste Weihnachtsfeier, berichtet Interessantes: In einer aus Nordafrika stammenden Berechnung der Ostertermine, die im Jahr 243 n. Chr. abgefasst wurde, findet sich auch eine Spekulation über den Geburtstag Jesu. Der Text setzt Jesus in Verhältnis zur Sonne, indem dieser, aufbauend auf den Propheten Maleachi (3,20), als wahre Sonne der Gerechtigkeit bezeichnet wird. Jesus muss also an demselben Tag das Licht der Welt erblickt haben, an dem die Sonne erschaffen wurde.

Soweit passt die Typologie auch auf unser heutiges Weihnachtsfest. Dann jedoch kommt eine verblüffende Wendung: Die Sonne, so wird in diesem Traktat argumentiert, sei an einem Mittwoch, nämlich am 28. März, erschaffen worden. Demnach müsse, so die logische Folgerung, auch Jesus an diesem Tag das Licht dieser Welt erblickt haben. Die Überlegungen, die zu diesem Datum führen, sind eigentlich einleuchtend und können sich auf den biblischen Schöpfungsbericht berufen: Weil Gott alles, was er tut, vollkommen tut, muss der erste Schöpfungstag ein Äquinoktium gewesen sein, ein Tag also, an dem es genau zwölf Stunden hell und zwölf Stunden dunkel ist. Dies war ein Sonntag, denn mit diesem Tag beginnt die Woche. Gemäß der damaligen Astronomie war das Frühlingsäquinoktium der 25. März. Erst vier Tage später, so heißt es im Schöpfungsbericht, wurde die Sonne erschaffen. Also muss Jesus an einem 28. März das Licht der Welt erblickt haben. Die symbolische Verbindung Jesu mit der Sonne hat zu einem für das heutige Gefühl etwas abwegigen Geburtstermin geführt.

Doch es gab noch andere Möglichkeiten, Jesu Geburtstag zu berechnen: Bedeutende Personen lebten nach damaliger Auffassung volle Jahre, folglich fiel ihr Geburtstag mit ihrem Todestag zusammen. So nimmt es nicht wunder, dass Hippolyt von Rom, der als Verbannter 235 n. Chr. in Sizilien starb, die Geburt Jesu ebenfalls in den Frühling verlegt. In einer Ostertafel - sie diente der Vorausberechnung der Osterfeste - setzt er die Geburt Jesu auf ein Passah-Fest, und zwar auf den 2. April des Jahres 2 v. Chr.

Die Tatsache, dass er Jesus vor unserer Zeitrechnung das Licht der Welt erblicken lässt, kommt der historischen Wirklichkeit sicherlich näher. Hat doch erst ein frommer Mönch von der Schwarzmeerküste namens Dionysius Exiguus im sechsten Jahrhundert die Zeitrechnung von "Jesu Geburt an" eingeführt, da es ihn ärgerte, die Jahre von der Machtergreifung des Kaisers Diokletian weg zu zählen. Dieser war im Jahr 284 n. Chr. Kaiser geworden; eine Zählung, die mit seiner Thronbesteigung beginnt, erinnert gleichzeitig an eine der blutigsten Christenverfolgungen. Der Mönch wollte den unchristlichen Kaiser aus dem Gedächtnis der Menschheit streichen und stattdessen die Zeitrechnung auf den Anfang des Lebens Jesu gründen. Dabei verrechnete er sich um ein paar Jahre. Denn jener Herodes, auf dessen Befehl der Kindermord in Bethlehem stattfand, starb bereits

4 v. Chr. Jesus wird also wahrscheinlich um das Jahr 6 v. Chr. auf die Welt gekommen sein.

Ein aufschlussreicher Rechenfehler findet sich bei einem der größten Gelehrten des ausgehenden zweiten Jahrhunderts, bei Clemens von Alexandrien. Der datiert verschiedene Ereignisse, indem er vom Tod des Kaisers Commodus zurückrechnet, der am 31. Dezember 192 n. Chr. ermordet wurde. 194 Jahre, ein Monat und 13 Tage trennen die Geburt Jesu vom Tod des Kaisers, Jesus wurde nach dieser Rechnung am 18. November 3 v. Chr. geboren. Bevor man jedoch vorschnell aus diesem Text einen Geburtstermin Jesu zumindest in zeitlicher Nähe zum Weihnachtsfest ableitet, sei auf Folgendes verwiesen: Clemens verlegte den Tod Jesu ebenfalls auf den 18. November, und zwar im Jahr 29 n. Chr. Er wäre aber wohl nie auf die Idee gekommen, das jüdische Passah-Fest im November anzusiedeln, offensichtlich ist ihm bei den Berechnungen ein Fehler unterlaufen. Jedenfalls muss auch er zu jenen gerechnet werden, die den Geburtstag Jesu in den Frühling verlegten.

Chrysostomos' Berechnung

Mit der Einführung des Weihnachtsfestes wurde es nötig zu erklären, warum gerade an diesem Tag die Geburt Jesu gefeiert wird. Johannes Chrysostomos - der Name bedeutet "Goldmund" -, ein höchst begabter Prediger, liefert in einer Weihnachtspredigt aus den achtziger Jahren des vierten Jahrhunderts eine erstaunliche Erklärung für die Wahl des Datums: Wir müssten nur, so sagt er, in den Evangelien nachschlagen. Dort steht zwar nicht geschrieben, wann genau Jesus geboren wurde, es finden sich aber Hinweise, aus denen der Geburtstag abgeleitet werden könnte. Heißt es doch, dass Johannes der Täufer sechs Monate vor Jesus empfangen worden sei. Wenn man also wisse, wann Johannes empfangen wurde, könne man daraus die Empfängnis und Geburt Jesu ableiten. Und dies gehe sogar recht gut, schließlich sei ja Zacharias, der Vater des Johannes, Hohepriester gewesen und habe sich, als ihm der Engel erschien, im Allerheiligsten aufgehalten. Der Hohepriester betrete jedoch nur einmal im Jahr, am Großen Versöhnungstag, das Allerheiligste. Der Tag liege stets in der zweiten Hälfte des September; von dort sechs Monate weiter gelangt man auf die zweite Hälfte des März als jenen Zeitpunkt, da der Erzengel Gabriel der Mutter Jesu erschien, und neun Monate später, am 25. Dezember, erblickte das Jesuskind das Licht dieser Welt. Die Rechnung hat im angelsächsischen Raum eine Reihe von Forschern begeistert. Immerhin kann man damit alle Parallelen zu einem heidnischen Fest abstreiten.

Im Dunkel der Geschichte

Die Rechnung hat allerdings einen Haken: Sie geht nicht auf. Zacharias war sicherlich nicht Hohepriester, und das Lukas-Evangelium berichtet nicht davon, dass Zacharias sich im Allerheiligsten befand, als ihm der Engel erschien. Die Priesterschaft war in 24 Gruppen unterteilt, von denen jede zweimal im Jahr für eine Woche den priesterlichen Dienst in Jerusalem zu versehen hatte. Wer das Räucheropfer darzubringen hatte, wurde durch das Los bestimmt: Dies galt zwar als hohe Ehre, war jedoch keinesfalls dem Hohepriester vorbehalten. Außerdem darf es wohl als sicher gelten, dass sich der wortgewaltige Prediger selbst der Tatsache bewusst war, dass seine Rechnung nicht aufgeht. Vieles spricht dafür, dass er mit dieser Rechenpredigt seine Gemeinde in Antiochia davon überzeugen wollte, anstelle des 6. Jänner den 25. Dezember als Tag der Geburt Jesu zu feiern. Dem Argument, dass sich der Geburtstag Jesu aus dem LukasEvangelium ableiten lasse, konnte man schwerlich widersprechen. Außerdem verwies der Gottesmann ja auch noch auf die römischen Archive. Dort könne man sich über den Geburtstag Jesu Gewissheit verschaffen. Der Theologe Hermann Usener bezeichnete bereits vor mehr als 100 Jahren die Berufung auf diese römischen Archive als dreist. Es war damals kaum möglich, von Antiochia nach Rom zu reisen. Und wenn einer nach Rom gekommen wäre, hätte er wohl nichts gefunden.

Insofern sollte man diese Predigt als Zeichen für den heftigen Widerstand gegen die Übernahme des östlichen Weihnachtsfestes werten. Übrigens baut ein armenischer Gelehrter namens Ananias auf eben dieser Berechnung seine Verteidigung des Epiphaniefestes auf. Auch für ihn ist Zacharias Hohepriester gewesen, der gegen Ende des Monats September im Allerheiligsten des Tempels die Nachricht vernimmt, dass er im hohen Alter noch Vater werden wird. Allerdings, und hierin liegt der entscheidende Unterschied zu Johannes Chrysostomos, musste er erst in die Berge von Juda zurückkehren, wo er mit seiner Frau Elisabeth wohnte. Hieraus ergeben sich die zwei Wochen Verzögerung, die dazu führten, dass er erst Anfang Oktober seinen Sohn zeugen konnte. Von dort aus weiterrechnend kommt Ananias auf den 6. Jänner, auf das Epiphaniefest als den historisch begründeten Geburtstag Jesu.

Der Geburtstag Jesu liegt weiterhin im Dunkel der Geschichte. Jene Kirchen, welche die Gregorianische Kalenderreform (benannt nach Papst Gregor XIII., der diese Reform 1582 durchführte) übernommen haben, feiern Weihnachten am 25. Dezember, die Ostkirchen, die noch nach dem Julianischen Kalender rechnen, am 6. Jänner.

Literaturempfehlung: Hans Förster, "Weihnachten - eine Spurensuche", Kulturverlag Kadmos Berlin, 2003.

Freitag, 19. Dezember 2003

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