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Die italienische Spitzenwinzerin Elisabetta Foradori über die Kunst des Weinbaus, Rudolf Steiner und Franz Schubert

"Tiefe, Feinheit, Würze"

Von René Freund

Wenn man - von Innsbruck kommend - über den Brennerpass fährt und nach Italien gelangt, unterscheiden sich Landschaft und Häuser zunächst kaum vom gewohnten alpin-österreichischen Anblick. Doch dann wird das Tal langsam breiter, die Fichten weichen Föhren und Birken. Bei Bozen geht das Tal richtig auf, bald darauf endet Südtirol: das Trentino beginnt, und damit das Hoheitsgebiet der Sonne.

Ein paar Kilometer vor der Provinzhauptstadt Trento (Trient) weist die Autobahnausfahrt nach Mezzolombardo, einem aus Bausünden bestehenden Ort inmitten einer traumhaften Landschaft.

Sogar die berühmten Weinführer Johnson & Krüger, üblicherweise stocknüchtern, geraten angesichts des Trentino ins Schwärmen: "Wo die Etsch ein breites Tal bildet und sich glatte Granitwände über dem grünen Talgrund erheben, beherrschen die Reben das ganze Landschaftsbild. Sie stoßen wie eine Flutwelle gegen die Klippen und rollen gleich Wellen über die alten Felsenhänge, die das Gesicht der Landschaft prägen. Jede Rebe ist an einer Pergola hochgebunden, wodurch die Rebzeilen wie Gräben in grüner Erde aussehen, deren Dächer durch lange Reihen von Verstrebungen gehalten werden; das Licht sickert durch ein Filigran aus Grün, Purpur und Gold - die Blätter und die schweren Traubenbündel."

Nun, alle Reben werden freilich nicht in der von den beiden Weinpäpsten beschriebenen Art hochgebunden. Es gibt eine Ausnahme, und diese Ausnahmereben gehören einer Ausnahmewinzerin: Elisabetta Foradori.

Auch wenn es weder sehr seriös noch unbedingt zulässig ist, das Porträt einer Winzerin mit anderen Kriterien zu beginnen als eben ihrer Kunst, guten Wein zu machen - es fällt doch schwer: Denn Elisabetta Foradori ist eine beeindruckende Erscheinung, und ihre Ausstrahlung kann einen ebenso umhauen wie ihr Rotwein, der

ihrem Wesen zu entsprechen scheint: edelherb, stark und vielschichtig.

Hier im Trentino spricht - im Gegensatz zum benachbarten Alto-Adige (Südtirol) - so gut wie niemand Deutsch. Auf die Frage,

warum sie so ein gutes Deutsch spreche, antwortet Elisabetta Foradori trocken: "Weil ich es gelernt habe."

Wiener Zeitung: In der viel gesehenen Sendung "Porta a Porta" des Senders RAI hat Gastgeber Bruno Vespa letztes Jahr renommierte Weinkenner eine Blindverkostung durchführen lassen, um den besten Weißwein und den besten Rotwein Italiens zu küren. Beim Roten setzte sich unter all den großen Rebsorten, Lagen und Namen Ihr "Granato" durch. Wie haben Sie sich gefühlt?

Elisabetta Foradori: Es ist natürlich eine gute Werbung, dass der Granato 1999 vor aller Augen gewonnen hat. Aber es war auch ein Stress . . . Hunderte Telefonanrufe! Ich hätte mein Lager dreimal verkaufen können. Aber ich habe eben nur 40.000 Flaschen vom Granato und nicht 150.000.

W. Z.: Sie haben sich als Winzerin einer sehr seltenen Rebsorte verschrieben, die bereits vom Aussterben bedroht war.

Foradori: Es ist eine sehr alte Rebsorte, die klassische Traube des Trentino: Teroldego. Das Weinbaugebiet hier heißt Campo Rotaliano, insgesamt sind es nur 400 Hektar, daher die DOC-Bezeichnung Teroldego Rotaliano. Nur in diesem sehr kleinen Gebiet wächst diese Traube. 95 Prozent unserer Produktion besteht aus Teroldego, wobei wir zwei verschiedene Arten haben: Granato und Foradori Teroldego.

W. Z.: Der Granato wird im Barrique ausgebaut?

Foradori: Beim Granato geht es nicht nur um das Eichenfass. Granato ist die höchste Selektion, er stammt aus den besten Weinbergen. Bei der Entwicklung des Granato war die Wiederentdeckung der Biodiversität der Rebsorten sehr wichtig. Das heißt, in einfachen Worten: Es wurde mit Klonen viel zerstört, denn nicht alle Teroldego-Trauben sind gleich. Nach dem Krieg wurden drei Klone gemacht, die vor allem für Massenanbau bestimmt waren, also für hohe Erträge. Ich habe vor 15 Jahren begonnen, in den alten Weinbergen die qualitativ hochwertigsten Teroldego-Trauben zu selektionieren und wieder zu vermehren. Alle unsere neuen Weinberge sind in diesem Sinne mit hoher Diversität bepflanzt worden.

W. Z.: Ihre Weinberge sehen anders aus als die anderen.

Foradori: Ja, wir haben auch die Art der Pflanzung geändert, um die Qualität zu steigern: Der Wein wächst nicht mehr an Pergeln, die zwar hübsch anzusehen sind, mit denen man aber nicht dieselbe Konzentration erhält wie mit Weinstöcken, die im Guyot-System gezogen werden. Der Granato kommt von meinen fünf besten Weinbergen, drei davon sind sehr alt und zwei bereits mit den neuen Qualitätspflanzen bestückt. Alles andere geht in den Foradori Teroldego, der nicht die Kraft und Fülle des Granato hat, dafür aber Frische und Eleganz. Es ist eine Rebe, aber es sind zwei völlig unterschiedliche Geschichten.

W. Z.: Was sagen eigentlich Ihre Winzerkollegen dazu, dass Sie alles anders machen?

Foradori: Es ist wie immer, wenn jemand etwas anders macht. Zuerst wird man kritisiert. Aber schön langsam kommen andere auch drauf, was Qualität ist. Ich war zum Beispiel die erste hier, die ausgedünnt hat, also Trauben weggeschnitten . . . jetzt, nach 15 Jahren, machen das andere auch.

Es gibt also langsam doch eine Änderung, obwohl der meiste Wein hier von der Genossenschaft gekeltert wird, und da geht es nicht um Qualität. Das ist schade, weil die Rebsorte viel Potenzial in sich hat. Man kann eben nicht 100 Hektoliter pro Hektar machen, dann wird jeder sagen, der Teroldego schmeckt nach Wasser.

W. Z.: Es gab auch Jahrgänge, in denen Sie

keinen "Granato" produzierten, weil das Klima und daher die Trauben nicht gut genug waren.

Foradori: Ja, es gab solche Jahre, und die Klimaverhältnisse werden nicht leichter. Dabei haben wir hier eigentlich sehr gute Bedingungen: Magere, steinige Böden, die Berge schützen und

geben Wärme, das Gebiet ist klein, aber sehr vielfältig. Wir keltern über 15 verschiedene Lagen separat. Da gibt es viele Nuancen im Wein, und wir versuchen, diese Lagen dann harmonisch zu mischen.

W. Z.: Produzieren Sie auch Weißweine?

Foradori: Sehr wenig. Unser "Myrto" ist ein Cuvée aus Chardonnay, Sauvignon blanc und Weißburgunder. Die Weißweinlagen sind ein bisschen südlicher, haben mehr Sand und sind für den Teroldego nicht mehr so geeignet. Aber wie gesagt, der Anteil ist nicht groß, das sind vielleicht 20.000 Flaschen. Mein ganzes Engagement gilt dem Teroldego. Er hat Tiefe, Feinheit, Würze, und man erkennt endlich seine Vielfältigkeit!

W. Z.: Wie hoch ist Ihr Exportanteil?

Foradori: Etwa 60 Prozent, Deutschland und die USA sind die interessantesten Märkte. In Italien sind die großen Zentren am wichtigsten: Mailand, Rom, Venedig. Mein Wein ist eine unbekannte Sorte, und wer Teroldego kennt, ist eigentlich schon ein Weinkenner. Italien hat so viele verschiedene Rebsorten, und es ist wichtig, diese Vielfältigkeit zu erhalten. Denn jede Rebsorte entspricht einer Landschaft, einer Kultur, einer Küche und den Menschen, die dort leben.

W. Z.: Wie sind Sie persönlich zum Wein gekommen?

Foradori: Meine Geschichte ist eine Familiengeschichte - auch mein Großvater und mein Vater waren Weinbauern. Ich habe auf der Weinbauschule in San Michele Önologie studiert und sehr früh zu arbeiten angefangen, weil mein Vater sehr früh gestorben ist. 1984 war meine erste Lese, es ist heuer also meine 18. Weinernte.

W. Z.: Sie können auch mit dem Traktor fahren?

Foradori: Natürlich bin ich früher auch mit dem Traktor gefahren, aber das mache ich nicht mehr.

Wir sind nicht sehr groß, gerade

20 Hektar, doch ein Weingut verlangt ein großes Engagement, auch für Public Relations und so weiter. Aber ich gehe immer noch in die Weingärten und schneide selbst.

W. Z.: Was halten Sie von biologischem Weinbau?

Foradori: Biologisch produzieren wir eigentlich schon lange. Es gibt bei uns weder Insektizide noch Dünger. Die nächste Stufe ist der biodynamische Weinbau, der sehr auf den Boden Rücksicht nimmt. Das ist eine total andere Anschauung des Weinbaus, die, so viel ich weiß, auf Rudolf Steiners Anthroposophie zurückgeht. Es gibt mittlerweile weltberühmte Weingüter, die nach dieser Methode arbeiten, zum Beispiel Romané-Conti und andere sehr gute Franzosen. Ich bin dabei, das zu studieren. Man arbeitet mit Mischungen aus Naturprodukten, dynamisierten Mineralien zum Beispiel. Und man braucht sehr viel Gefühl.

W. Z.: Das klingt ein bisschen mystisch.

Foradori: Das dachte ich auch. Aber als ich die Methode dann gesehen habe, war ich überzeugt. Man braucht viel Zeit und es ist viel teurer. Aber wir sind jetzt hier in einer Situation, dass durch die Klimaänderung und extreme klimatische Verhältnisse eine ordentliche Produktion immer schwieriger wird. Die Pflanzen kommen sehr schnell in ein Ungleichgewicht, die Vegetation ist jetzt zum Beispiel durch die Mischung aus viel Wasser und Wärme ähnlich wie in den Tropen. Und da kommt man mit herkömmlichen Mitteln nicht aus. Wir müssen also versuchen, die arme Rebe in ein Gleichgewicht zu bringen, damit sie Ruhe hat. Nur so kann man auch einen harmonischen Wein erhalten. Ich bin dabei, das zu studieren, aber es dauert sicher noch einige Jahre.

W. Z.: Wie kommen Ihre männlichen Kollegen damit zurecht, dass es eine Frau ist, die den berühmtesten Wein des Trentino keltert?

Foradori: Es ist wie in allen Berufen - als Frau muss man eine Spur besser und fleißiger sein, um überhaupt akzeptiert zu werden. Und wenn man Erfolg hat, ist der Neid wahrscheinlich größer.

W. Z.: Was machen Sie, wenn Sie keinen Wein machen?

Foradori: Ich habe drei Kinder, da wird einem nicht leicht langweilig. Ich lese gerne. Ich gehe gerne wandern. Ich liebe die Natur. Wenn ich keine Weinberge hätte, wäre ich wahrscheinlich Gärtnerin geworden. Und ich liebe die Musik. Klassische Musik.

W. Z.: Haben Sie einen Lieblingskomponisten?

Foradori: Schubert. Der spätere Schubert. Die Quartette oder das Streichquintett . . . wunderbar! Ich habe früher Klavier gespielt, aber da war immer die Frustration, dass nichts dabei herauskommt, wenn man zu wenig übt.

Freitag, 27. September 2002

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