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Österreichische Weine -beim Namen genommen

Nomenklatur für Kenner

Von Ingeborg Waldinger

Feuer! - Das Wort erklingt, und schon drängen Assoziationen wie "ungezügelt, glühend, eruptiv" in unser Bewusstsein. Eine flackernde Palette heißer Farben hebt zum Tanze an, eine rauchige Note scheint die Luft zu würzen und ein Schub Hitze unseren Körper zu durchfluten. Dazu mengen sich Bilder aus Traum und Wirklichkeit, Natur und Kultur.

Dieser komplexe psychophysische Vorgang könnte gut in der Vorstellung eines Vulkans kulminieren, dem Urbild des Elementes "Feuer". Solch Kraft vermag nur eine wesensgleiche - höhere - Macht zu zügeln. So haben die alten Römer ihren Gott Vulcanus gesehen, als Verkörperung des Feuers - und als Herrn über dasselbe. Denn der göttliche Schmied machte die elementare Kraft nutzbar, verwandelte Natur in Kultur.

Auch Gott Dionysos herrscht über eine flammende Natur - die Rebe. Auch er versteht sich auf zivilisatorische Transformationsprozesse und leitet das Feuer des Gewächses über in ein raffiniertes Produkt. Vergärt man den Saft der Traube, wandelt sich Zucker zu Alkohol und verleiht dem Elixier "Geist". Was liegt näher, als die beiden Gottheiten zusammenzuführen - und einen funkelnden Rotwein "Vulcano" zu nennen. Der renommierte Winzer Igler-Reiner aus Deutschkreutz tat es.

Spiel mit dem Kunden

Österreichs Weinmacher haben ein subtiles Spiel mit dem Kunden eröffnet. Sie statten ihre Rebensäfte mit verführerischen Namen aus, welche Werbegurus das Schaudern lehren. Religion, Mythologie, ja der ganze klassische Bildungskanon bilden den exklusiven semantischen Pool dieser Warenästhetik. Schließlich qualifiziert Bildung - laut dem Soziologen W. F. Haug - nicht nur für Arbeit, sondern auch "für Nichtarbeit, den anderen Teil des Lebens". Das Produkt Rebensaft wird zum Erlebnis auf höherer Ebene - zum Kunstgenuss stilisiert.

Nun umgibt den Winzer seit jeher die Aura eines Schöpfers, Magiers. Wer Trauben zu rubin-, purpur- oder bernsteinfarbenem Saft vergärt, erzeugt mehr als ein landwirtschaftliches Produkt. Bibel, Mythologie, Literatur und Bildende Kunst haben die Symbolik des Weines als göttliches und tödliches Elixier festgeschrieben. Das Mysterium der Eucharistie, die Symbolik der erhabenen Trunkenheit, des Furor divinus, und die Ambivalenz der bacchantischen Ekstase verleihen dem Nektar eine universelle Dimension.

Allerdings gilt es zu differenzieren: Seit es Wein gibt, füllt er die Pokale der Herrscher, die Kelche der Priester und die Krüge des Volkes. Analog zu den Behältnissen unterscheidet sich auch deren Inhalt. Die Kategorien Massen-, Qualitäts- und Spitzenwein sind nicht neu. Der Kreis der Konsumenten wie deren Gewohnheiten aber verändern sich proportional zu gesellschaftlichen Entwicklungen. Nicht zufällig erfolgte die legendäre Klassifizierung der Bordeaux-Weine im "bürgerlichen" 19. Jahrhundert, als die Bourgeoisie nicht nur Positionen, sondern auch Lebensstil des Adels übernahm.

Eine vergleichbare Hierarchisierung der österreichischen Weinwelt hat es bisher nicht gegeben. Doch nun macht eine neue Winzergeneration Furore: Medaillen internationaler Wettbewerbe küren Riesling, Blaufränkisch, Cabernet-Sauvignon & Co. aus heimischen Rieden. Die hochqualifizierten, selbstbewussten Weinmacher setzen auf Spitzenqualität und beliefern den Markt mit Kreationen für den kompetenten Genießer. Solche Weine trinkt man nicht aus Durst, sondern aus Philosophie; sie haben keinen "Gebrauchs-", sondern Prestigewert. Wein als Luxusware, als klassisches Distinktionsobjekt. So weckt Winzer Igler-Reiner den alten Lateiner im Kunden. Neben "Vulcano" loht die Cuvée "Ab Ericio": sie hat rein gar nichts Stacheliges an sich, sondern verweist auf den Namen der Familie: Vom Igel/Igler . . .

Dem Exklusivimage des Produktes angemessen, ergibt die Nomenklatur österreichischer Weine eine Typologie der besonderen Art (wir beschränken uns auf die Jahrgänge 1999 und 2000). Die "Arbeit am Mythos" hat den Reigen eröffnet. In dieser Kategorie wären noch die Rotweine "Phönix" vom Erbhof Bayer in Donnerskirchen zu erwähnen oder "Apollo" der Familie Hofstädter aus Deutschkreutz. Der "Kentaur" des Hauses Wallner aus Deutsch Schützen signalisiert ein kräftig Maß an Wildheit; der "Titan" des Josef Tesch aus Neckenmarkt nicht minder.

Die Helden aus rauer Urzeit begegnen uns ebenso im Weißweinsektor: auch Günter Nastls Grüner Veltliner "Gigant" setzt zum Sturm des Olymp an. Der Illmitzer Rosenhof der Familie Haider indes überantwortet seinen Veltliner Eiswein der Patronanz des riesenhaften "Orion". Wem diese Bezugsachse nicht ganz geheuer ist, der werde selig bei einem Ruster Ausbruch: Heidi Schröcks Welschriesling führt geradewegs ins "Elysium".

Noch immer zu heidnisch? Österreichs Winzer halten auch biblisch-christliche Werte bereit: Alfred Herzinger aus Nussdorf an der Traisen keltert eine Bekenntnis-Cuvée aus Zweigelt/Cabernet-Sauvignon: "Credo". Wen indes Engelswesen mit dem harten Alltag versöhnen, der versuche es mit dem Gösinger Zweigelt "Cherub" der Familie Gerhold.

Halbsündiger Genuss

Sakrale Namen weihen den Rebensaft, suggerieren eine Art kirchlicher Legitimation des halbsündigen Genusses oder gar allerhöchsten Sanktus: ein "Donum Dei" verheißt die rote Cuvée des Gutes Römerstein aus Illmitz; Bauer-Pöltl aus Horitschon signalisiert solide Zuflucht bei "Domus Petri", und Erich Giefing aus Rust hält es mit der Amtskirche: er tauft seinen Blaufränkisch-Zweigelt-Cabernet "Cardinal".

Nach einer Flasche vom selbstanklägerischen "Peccatum" des Winzers Leberl aus Großhöflein scheint selbst das Gebot der Beichte diskutierbar. Auch Anton Iby aus Horitschon versteht sich auf subtile Ironie: die "Quintus terra confessio" des "fünften" Anton Iby entpuppt sich als rein profanes Bekenntnis zur eigenen Erde. Und wer nach einer Flasche "Mantis religiosa" langt, sei ebenfalls vor falschen Schlüssen gewarnt. Die Cuvée aus Chardonnay und Neuburger mahnt weniger Gottesfurcht, denn Artenschutz ein: gemeint ist die vom Aussterben bedrohte Fangheuschrecke - die Gottesanbeterin. Winzer Thomas Leithner hat sie in sein Firmenlogo integriert, fühlt sich das seltene Exemplar doch in Langenloiser Rieden äußerst wohl.

Lateinische Namen haben Hochsaison. Sie versprechen Klasse, signalisieren Stil: "Alt" passt immer gut zu Wein, demnach "Antiquum" auch gut zum Purbacher Blaufränkischen der Familie Gmeiner. Wer Julius Steiners Kreationen zuspricht, wird vielleicht mit "Sapientia" aus Podersdorf belohnt.

Auf das soziale Moment setzt Winzer Wellanschitz aus Neckenmarkt - und keltert einen verbrüdernden "Fraternitas". Weinmacher Nittnaus aus Gols wiederum verweist auf das Feuer weißer Reben: "Vigor Albus"; Kollege Minkowitsch aus Mannersdorf an der March nennt einen Riesling "De Vite" - ein sicherlich belebender Trank, wenngleich "vite" nicht von "Leben" sondern von "Rebe" kommt. In Superlativen feiert die Fachwelt ein Rotweinkunstwerk aus Deutschkreutz: Créateur Alfred Gesellmann fand den passenden Namen dafür: "Opus eximium".

Natürlich wird auch der "Habsburger Mythos" bedient: die Cuvée "Franz Joseph" führt in dieser Kategorie, gefolgt von den Kreszenzen "Imperial", "Royal" oder dem "K&K; Hymnus" des Gutes Rosner aus Langenlois.

Weniger getragen, sondern offensiv gibt sich die Gruppe der Verführer und Eroberer wie "Casanova" aus Gols (Weingut Nittnaus), "Mephisto" aus Tadten (Goldenits) und gleich noch einmal aus Gobelsberg (Daschl), oder "Columbus" aus Illmitz (Gut Römerstein).

Das adäquate Idiom für die Abteilung Romantik/Mystik/Leidenschaft scheint das Französische zu bieten: René Pöckl vom Gut Mönchshof beschwört mit "Rêve de Jeunesse" den Traum vom Jungbrunnen; sein Vater weiß mit "Le Mystique" önologische Hermeneutiker wie Esoteriker zu reizen. Feiler-Artinger aus Rust wiederum macht aus der Brillanz und Einzigartigkeit seines "Solitaire" kein Geheimnis. Ungestüme Leidenschaft könnte Toni Hartls "Tout feu tout flamme" entfachen - und manch gefährliches Abenteuer "La Liaison" dieses Reisenberger Weinmachers.

Was aber tun mit jenen eigenartig vertraut klingenden Namen, die zu verwegensten Interpretationen verleiten? Gehört "Barcaso" in die Welt der Oper, "Gigama" in den kleinasiatischen Sagenkreis und "Cablot" zum Repertoire jeder Kartenlegerin? Josef Gager aus Deutschkreutz winkt ab: sein Paradewein "Cablot" setzt sich aus den Rebnamen Cabernet-Sauvignon und Merlot zusammen. Ähnlich schelmisch verschlüsselt Georg Schmelzer aus Gols sein Werk: "Barcaso" steht für den Barrique-Ausbau des Cabernet-Sauvignon.

"Gigantisch aromatisch"

"Gigama" wiederum entpuppt sich nach Befragung des Schöpfers Leth aus Fels am Wagram als "gigantisch aromatischer" Zweigelt. Und "Comondor"? Etwas streng, eigenwillig, schwer domestizierbar sei er gewesen, der Vorläufer dieses feurigen Roten aus Gols. Doch Anita Nittnaus versichert: Bei näherer Bekanntschaft erweise sich dieser Begleiter als äußerst zugänglich und verlässlich - wie der ungarische Hirtenhund gleichen Namens. Originell auch die Bezeichnung "Arachon": Sie denken an Aragon? Weit gefehlt - es ist der alte Name für Horitschon.

Spannung garantiert auch unser letztes Beispiel: "Ina'mera". Alles Mögliche klänge da an, vom Latino-Evergreen "Girl from Ipanema" über das Guten-Morgen-Vokabel für Hellas-Reisende "Kalimera" bis zu "ina" - japanisch "Nein".

Wer einmal vom fraglichen Merlot/Cabernet-Sauvignon/Blaufränkisch aus dem Hause Juris Stieglmar gekostet hat, wiederhole am besten dessen Namen: Ina'mera - das gibt nach Golser Mundart: "Mehr als einen".

Freitag, 27. September 2002

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