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In Triest erforscht Ernesto Illy die Geheimnisse des Kaffee-Aromas

Kompositionen aus Duftnoten

Von Bernhard Matuschak und Urs Fitze

Ernesto Illy hält sich einen kleinen Plastiktrichter unter die Nase und schließt genießerisch die Augen: "Rosenduft. Das muss 2-Phenylethanol sein." Wir befinden uns im "Aromalab" von illycaffè hoch über der Hafenstadt Triest.

Der Seniorchef des traditionsreichen Kaffeerösters steht vor einem so genannten Gaschromatografen. Mit dem Gerät lässt sich eine aus vielen Bestandteilen aufgebaute chemische Substanz in ihre flüchtigen Einzelteile zerlegen. Die einzelnen Verbindungen durchlaufen den Apparat aufgrund ihrer unterschiedlichen Molekulargewichte verschieden schnell und können so bestimmt werden - sowohl analytisch als auch mit dem Riechorgan.

Der deutsche Laborleiter Bernd Bonländer benutzt den Chromatografen, um die Aromastoffe in den Arabicabohnen zu bestimmen. "Knapp 1.000 verschiedene Duftnoten haben wir in den gerösteten Bohnen bereits gefunden, 800 davon konnten wir identifizieren." Der Chemiker lässt uns teilhaben an der großen weiten Duftwelt des Espresso: Mal umweht eine frische Minznote unsere Nasen. Dann wird es blumig, als hätte jemand eine Parfumwolke im Labor freigesetzt. Es ist Linalool, das aus dem Chromatografen dampft; eine Substanz, die auch in Chanel N° 5 enthalten ist.

Auf die lieblichen Gerüche des Lebens eingestimmt, erwartet uns eine unangenehme Überraschung: Eine penetrante Note nach Fußschweiß dringt aus den Tiefen des Plastiktrichters. "Isovaleriansäure, auch die gehört in einen Espresso", sagt Bonländer mit einem Schulterzucken.

Das Aromalab

Vor knapp vier Jahren haben Ernesto Illy und der deutsche Wissenschaftler Otto Vitzhum das Aromalab gegründet. Die beiden Männer teilen zwei große Leidenschaften: Die Wissenschaft und den Kaffee. Zusammengerechnet arbeiten die beiden Chemiker seit einem knappen Jahrhundert an der Verfeinerung des koffeinhaltigen Getränks. Als der beim deutschen Kaffeeproduzenten Haag beschäftigte Vitzhum in Pension ging, fragte ihn sein Freund Ernesto, ob er nicht mit ihm zusammen die chemische Zusammensetzung des Espresso erforschen wolle. So entstand das Labor im Science-Park von Triest. "Hier sind wir auf der Suche nach dem vollkommenen Espresso, der alle positiven Geruchs- und Geschmacksnoten in sich vereint", sagt Ernesto Illy.

Nach dem Duftflash im Aromalab erwartet uns unten im Industriegebiet der Stadt ein weiteres Geruchserlebnis. Egal durch welche Straße man sich auch bewegt, es riecht nach Kaffee. Neben illycaffè s.p.a. haben sich im einstmals wichtigsten Hafen des Habsburgerreiches ein gutes Dutzend weitere Röster niedergelassen. Hausbrandt, Goriziana, Perlanera, Cremcaffè, Excelsior, Aromcaffè, Amigos und Co hüllen das Industrieviertel ein in eine einzige Kaffeeduftwolke.

Wenig später stehen wir in der Fabrikationshalle von illycaffè s.p.a. im Industriegebiet von Triest. Der Espressohersteller exportiert in rund 60 Länder. Vom Band läuft gerade eine Produktion 250-

Gramm-Dosen. Der Abfüllvorgang ist eine komplexe Angelegenheit. Die Luft wird aus der mit Kaffeebohnen gefüllten Dose herausgesaugt, anschließend in das Vakuum Stickstoff hineingepumpt und der unter Überdruck stehende Behälter verschlossen.

Ein Roboter schafft die in Kartons verpackten Dosen anschließend in das Warenlager der Firma. Dort lagert der Kaffee etwa 20 Tage, erst dann wird er ausgeliefert. Die Ruhephase ist ein wichtiger Bestandteil der Produktion. In dieser Zeit gehen Stickstoff und Kohlendioxid eine chemische Verbindung ein, die sich in einem dünnen, elastischen Film auf den Bohnen niederschlägt. Darin sind die Aromastoffe gebunden, die aus den Bohnen entweichen.

Wie ein riesiger Chor

Während in der Fabrikhalle Kilo um Kilo in die silbernen Büchsen mit dem knallroten Illykaro gefüllt wird, steht Ernesto Illy nebenan im Labor der Qualitätskontrolleure und verkostet den Kaffee aus der jüngsten Produktionsreihe. Aufgereiht wie Orgelpfeifen stehen die Espressotassen auf dem Tisch. Alle duften verführerisch und tragen einen crèmefarbenen Schaumüberzug. Der Seniorchef taucht seinen Degustationslöffel in die schwarze Flüssigkeit, nimmt einen ersten Schluck, behält ihn lange im Mund und sagt: "Ein Espresso ist wie ein riesiger Chor, alle Stimmen sind für den Gesamteindruck wichtig. Doch einen Pavarotti oder eine Jessye Norman hört man sofort heraus, vor allem, wenn sie falsch singen."

Insgesamt 36 Analysen muss der Illy-Kaffee in der Qualitätssicherung bestehen, bevor er auf den Weg geschickt wird. Getestet wird er dabei unter anderem auf Rückstände von Pestiziden, Unkrautvernichtungsmitteln und Schwermetallen. Doch selbst mit vollkommenen Bohnen lässt sich noch ein schlechter Kaffee brauen. Deshalb weiht uns Ernesto Illy in das Geheimnis des richtig zubereiteten Espressos ein. Man nehme sieben Gramm fein gemahlenes Kaffeepulver und brühe es unter 9.3 Bar Druck und exakt 93 Grad heißem Wasser auf. Der ganze Vorgang sollte mindestens 25 Sekunden dauern und nach maximal 30 Sekunden abgeschlossen sein. Dauert es länger, so bekommt der Kaffee einen holzigen Geschmack, ist das Wasser zu heiß, schmeckt der Espresso verbrannt.

Exakt 6,7 Gramm

Die Espressoformel ist das Resultat einer Forschungsstudie, welche die Triester Kaffeeröster gemeinsam mit dem Reifenhersteller Pirelli und der Region Lombardei in Auftrag gegeben haben. Die drei ungleichen Partner einte ein ganz bestimmtes Interesse: Wie sickert eine Flüssigkeit durch ein solides Partikelbett? Ergebnis dieser Studien ist auch das so genannte "Easy Serving Espresso" (ESE), das sich Illy extra patentieren ließ. Dabei werden exakt 6,7 Gramm des vorgemahlenen Kaffees in teebeutelähnliche Säckchen abgefüllt. Diese müssen dann nur noch in eine richtig eingestellte Espressomaschine gelegt werden, und voilà, fertig ist der perfekte Kaffee.

Was es mit der Perkolation und der Perfektion beim Espressomachen auf sich hat, lässt uns Ernesto Illy sofort auf eindrückliche Weise schmecken. Mit den Worten: "Jetzt kommt eine scheußliche Sache, eine Qual für jeden Gaumen", kredenzt er einen Kaffee aus unreifen Bohnen. Ein kurzes Nippen und wir stürzen zum Spucknapf. Ernesto Illy schmunzelt und sagt: "Nun wissen Sie, warum es so wichtig ist, dass nur hochwertige Bohnen in einen Espresso gelangen."

Kaffeetrinken in Triest

Triest gilt nicht nur als Stadt des Kaffees, weil hier der renommierte Illy-Espresso produziert wird. Seit fast zwei Jahrhunderten gehört das "schwarze Gold" zum Lebensgefühl und zur Kultur der Hafenstadt. Hier kennt man Dutzende von verschiedenen Zubereitungsformen des koffeinhaltigen Getränks.

Wer eines der zahlreichen Kaffeehäuser im Stadtzentrum aufsucht, der sollte sich vorher unbedingt mit dem ABC des Triester-Kaffees vertraut machen, denn sonst bekommt er garantiert nicht das, was er zu bestellen glaubte. So versteht man hier unter einem Cappuccino einen Espresso mit einem Schuss Milch. Wer den bekannten aufgeschäumten Milchkaffee serviert bekommen möchte, der muss einen "cappuccino italiano" bestellen.

Doch gerade in Triest lohnt es sich, eingetretene Pfade zu verlassen und eine der lokalen Spezialitäten zu genießen. Etwa den "gocciato", einen Espresso mit einer zentrierten Schaumkrone. Die Kunst besteht darin, den Zucker um den Milchschaumtropfen zu arrangieren, ohne diesen dabei mit dem Kaffee zu vermischen. Eine besondere Delikatesse ist der "ristretto", ein mit weniger Wasser aufgebrühter Espresso, dessen Konsistenz fast so zähflüssig ist wie Honig.

Freitag, 22. Februar 2002

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