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Max Grundigs Karriere vom Radiobastler zum Konzernlenker

Monarch der Marktwirtschaft

Von Günther Luxbacher

Der 1908 in Nürnberg geborene Max Grundig musste nach dem Tod des Vaters, eines kaufmännischen Abteilungsleiters in einem Großbetrieb, früh arbeiten gehen. Tagsüber mit Installateursarbeiten beschäftigt, widmete er sich ab 1922 den damals aufkommenden Radiobasteleien. Unternehmen wie Lorenz und Telefunken, die Radioröhren herstellten, drängten damals die Deutsche Reichspost, endlich Rundfunkprogramme anzubieten, um ihre Empfänger- und Verstärkerröhren absetzen zu können. Eine gigantische Bastlerwelle erfasste Europa, Kupferdraht und Lötkolben wurde zu einer Art Wahrzeichen. Mit gespartem und geschnorrtem Kapital eröffnete Grundig 1930 einen kleinen Radioladen, wo allerdings weniger seine Röhren- und Radiokenntnisse gefragt waren, sondern mehr seine Reparaturkünste. Von der anfänglichen Kriegskonjunktur profitierend, baute Grundig dann in eigener Regie Kleintransformatoren für die Wehrmacht. Siemens und AEG stellten Grundig als ihren Zulieferer 150 ukrainische zwangsverpflichtete Ostarbeiterinnen zur Verfügung, die alleine 1944 an die 50.000 Kleintransformatoren wickelten. Damit verdiente Grundig seine erste Million. Gegen Kriegsende profitierte er zusätzlich von den massenweisen Betriebsteil-Verlagerungen der städtischen Großbetriebe auf das platte Land während der Bombenangriffe.

Grundig investierte antizyklisch. Der erste Schub erfolgte mitten hinein in die Weltwirtschaftskrise 1930, der zweite in die Spätphase der Kriegszeit; wirtschaftliche Bedächtigkeit oder gar Pessismismus waren für ihn nach eigener Aussage Fremdworte. In der kleinen Werkstätte wurden u. a. elektrische Bestandteile für die V2-Rakete und für die Panzerwaffe hergestellt. Nach dem Krieg von US-Militärs verhört und befragt, wieso er Rüstungsgegenstände produziert habe, leugnete der sture Franke hartnäckig, überhaupt irgendetwas gewusst zu haben. Nach ein paar Stunden, so sein Biograph Egon Fein, hätten die Amerikaner aufgegeben, und der Geschäftsmann wäre zu seinen 17,5 Mill. Reichsmark und zu seinen über die Stunde Null herübergeretteten Rohmaterialbeständen zurückgekehrt. Irgendwie gelang es ihm sogar, dass Siemens und AEG ihre aus den Kriegsjahren resultierenden Schulden für von ihm erbrachte Zulieferungen von Halbfabrikaten nach 1945 bei ihm beglichen.

Fünf Jahre Vorsprung

Doch es gab noch weitere Gründe, wieso der Jungunternehmer vor der Währungsreform 1948 so gut durchgehalten hatte. Einer davon war, dass es ihm gelungen war, sich 1943 "uk" (unabkömmlich) stellen zu lassen, d. h. er schaffte es, angeblich durch eine Reihe von Tricks, als kriegswichtiger Kaufmann und Techniker aus der Wehrmacht entlassen zu werden. Grundig konnte daher von 1943 bis 1948 durcharbeiten. Wenn man davon ausgeht, dass viele andere mittelständische Unternehmer bis zur Währungsreform 1948 nicht richtig tätig werden konnten, dann bedeutete das einen Vorsprung von fünf Jahren, im Geschäftsleben eine halbe Ewigkeit. Weiters hatte Grundig in der US-Zone das Glück, dass die Armee an Demontagen von Werkzeug- und Spezialmaschinen nicht so interessiert war wie die Rote Armee in der Ostzone. Zu Hilfe kam Grundig überdies, dass die größten Produktionskapazitäten des wichtigsten Radioherstellers, der AEG-Telefunken, in der Ostzone lagen. Der andere große Konkurrent, die Siemens-Gruppe, widmete sich hingegen vorrangig starkstromtechnischen Belangen.

Trotz der relativ freien Bahn war ein grundlegender Schwindel nötig, um in den Nachkriegsjahren überhaupt Radios bauen zu können. Im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland war die Herstellung elektronischer Geräte verboten. Grundig gelang es, das Verbot zu umgehen, indem er sein Primitiv-Radio "Heinzelmann" als Bausatz ohne Röhren anbot. Mehrere von der Besatzungsmacht als "nationalsozialistisch belastet" eingestufte Ingenieure, die aus diesem Grund nicht mehr in ihre alten Großbetriebe wie Telefunken oder Lorenz zurückkehren durften, fanden Arbeit beim nicht so großen und nicht vorbelasteten Nürnberger Apparatebauer. Als kaufmännischen Direktor stellte der Nachwuchsunternehmer den ehemaligen Geschäftsführer einer großen Radiohandelsfirma ein, der seine Beziehungen zur Ruhrindustrie spielen ließ, um von dort Drähte und Kernbleche zu organisieren. Die weitere Vermehrung des Grundig'schen Vermögens fand in Form von Naturalien und Tauschwirtschaft statt.

Während Ausgebombte am Schwarzmarkt um Zigaretten feilschten, tat es Grundig nicht unter einigen Güterwaggonladungen Kohle. Damit die Nürnberger Stadtverwaltung ihn unbehelligt Waggonladungen verschieben ließ, musste er ihr einige davon abgeben. Sein Tausch-Endziel war nicht Geld, sondern Zement für einen Neubau. Denn Geldumtausch, das ahnten damals viele, war immer mit Verlusten verbunden.

Patriarchalisch und (selbst)ausbeuterisch konnte Max Grundig Ende 1947 ein vierstöckiges Produktionsgebäude mit 280 Mitarbeitern beziehen. Als mit der Umstellung auf eine westgebundene Währung auch die Produktionsanlagen größerer Unternehmer allmählich starteten, liefen die Grundig'schen Maschinen bereits auf Hochtouren. 1949 wurde der 100.000ste Heinzelmann produziert und 800 Beschäftigte arbeiteten für den optimistischen Gründer, dessen Radiogeräte-Marktanteil sich nun auf 20 Prozent belief.

In den fünfziger Jahren mussten sich auch die großen Unternehmen bereits mit dem Aufsteiger arrangieren. Dieser machte massiv Druck bei produktionstechnischer Rationalisierung, straffer Produktlinie und bei der Kostensenkung im Vertrieb. Bei der weiteren Expansion half dem Intimus von Ludwig Erhard und Franz Josef Strauß eine große bayrische Bank. Es gereichte ihm sicher auch nicht zum Nachteil, so der Grundig-Biograph Fein, 10 Tage vor allen anderen den genauen Termin der Währungsumstellung gewusst zu haben. Als hinderlich stellte sich nur das Finanzamt heraus.

Der selbstbewusste Grundig drohte der Behörde bei weiteren Nachforschungen mit der Entlassung eines Teils der Belegschaft, beließ es aber dann doch bei der Abwerbung eines Spitzenbeamten, der ihm anschließend dabei half, gegen die Behörde vorzugehen. Dennoch wies ihm das Amt eine Schuld von einer Million Westmark nach, die er zu zahlen hatte.

Die Produktpalette wurde erweitert, tragbare Kofferradios (zuerst noch mit Röhren bestückt, dann mit Transistoren), Schallplattenspieler und so genannte Musikmöbel vorgestellt. 1951 richtete der "Monarch der Marktwirtschaft" ein eigenes Versuchsfernsehstudio ein und sendete einen Spielfim. Damit entpuppte er sich auch noch als Regisseur medienwirksamer Veranstaltungen, der den Staat gehörig unter Zugzwang brachte. Der "Volksfernseher" lagerte als Prototyp bereits im Werk, ebenso die ersten UKW-Empfänger, es fehlte nur noch der (staatliche) Sender.

Die Marktsättigung an Radiogeräten voraussehend, beließ es Grundig nicht bei der Konzentration auf Fernseh- und Tonbandgeräte, sondern er beschloss, seine eingefahrenen Gewinne in einem neuen Geschäftsbereich anzulegen: der Bürokommunikation. Einstieg in diesen Markt war die "Stenorette", ein bis 1958 mehr als 200.000-mal verkauftes Diktiergerät. Ziel war der Einstieg in die Sparte Elektronikgeräte, mit denen man Schemabriefe mittels Textbausteinen verfassen konnte. Beobachter erwarteten eine Fusion zwischen der zur AEG gehörenden Schreibmaschinenfabrik Olympia und dem Elektronikhersteller Grundig. Gemeinsam, so die Überlegungen damals, hätte man sogar IBM auf dem europäischen Markt bremsen können, doch aus den schönen Plänen wurde nichts. Statt in innovative Technologien zu investieren, übernahm der Expansionsfreudige von der Dresdner Bank Mehrheiten bei den Nürnberger Triumph- und bei den Adlerwerken, die beide die Expansion des Motorradmarktes über-, und den des Büromaschinenmarktes unterschätzt hatten. Gleichzeitig gründete er die Grundig-Bank, mit deren Hilfe er das zunehmend verschachtelte Imperium steuerschonend kontrollieren konnte.

Wie schon während des Krieges verdiente Grundig das meiste Geld mit rationalisierten Fertigungsmethoden in den Montagehallen. Fließbandarbeit mit eingebauten Qualitäts- und Arbeitsüberwachungssystemen war bei Grundig Mitte der fünfziger Jahre Standard. Sobald die Kontrolleure in der Überwachungszentrale auf ihren Fernsehmonitoren feststellten, dass an einem Punkt der Fließbandstrecke geschludert wurde, leuchtete auf ihren Plätzen eine gelbe Lampe auf. Sie zeigte an, dass die betreffenden Arbeiterinnen ihren Akkordzuschlag (etwa 45 bis 50 Pfennig pro Stunde) aufs Spiel setzten. Wurde daraufhin nicht besser gearbeitet, sprang die Lampe auf rot.

Grundig hielt 1957 auf dem westdeutschen Markt einen Anteil zwischen 13 und 18% bei Fernsehgeräten. Damit lag er etwa gleichauf mit dem Spitzenreiter Philips. Bei Tonbandgeräten bediente er etwa zwei Drittel des deutschen Marktes, und er war der erste, der ein Stereo-Tonband anbot. 1961 brachte das Unternehmen das erste Transistorradio heraus, den "Solo-Boy" in Größe einer Zigarettenschachtel. 1965 avancierte Grundig zum größten deutschen Fernsehgeräte-Hersteller mit jährlich 500.000 Geräten. 1967 erschien sein erstes Farbfernsehgerät, gleichzeitig mit dem ersten farbtüchtigen Videorekorder. Die 1971 einsetzende Absatzstockung vertrug das Unternehmen noch gut. Die Farbfernseher-Fertigung wurde davon nicht berührt. Der Absatzknick konnte durch die Nachfrage dank der Olympischen Spiele in München 1972 abgefangen werden. Dennoch wurde das Familienunternehmen Grundig 1972 in eine AG umgewandelt.

Ende der siebziger Jahre begannen Umsatz und Gewinn aufgrund extremen Preisdrucks, vor allem aus Japan, immer mehr auseinander zu klaffen. Trotzdem steckte der unerschütterliche Optimist 40 Mill. Mark in das erste deutsche Videorekorder-Werk in Nürnberg-Langwasser. Die von Grundig angestoßene und von Europa präferierte Norm "Video 2000" konnte sich aber nicht gegen die von den japanischen Unternehmen entwickelte Norm VHS (Video Home System) durchsetzen. Kamen 1970 noch 4 von 100 Farbbildröhren aus Japan, so stieg diese Zahl bis 1977 auf 33! Die Japaner versuchten mit Billigpreisen die in den USA verlorenen Absatzmärkte in Europa wieder gutzumachen, zur Freude der Konsumenten, jedoch zum Schaden der Volkswirtschaften. Der letzte Schutzwall für Europa war die Patentlage. So hatte der AEG-Telefunken-Konzern nur unter der Auflage Lizenzen für die europäische PAL-Norm (Phase Alternating Line System, heutige Farbfernsehnorm) an die japanischen Unternehmen vergeben, dass nur kleinere Bildschirme in Europa eingeführt werden durften, doch um 1980 liefen auch diese Patente aus. In dieser schwierigen Lage beschloss Grundig, der "japanischen Invasion" entgegenzutreten, indem er versuchte, die europäische Unterhaltungs- und Mikroelektronik zu einen, um mit gemeinsamen Produktions- und Vertriebskapazitäten den japanischen Unternehmen Paroli zu bieten. So hoffte er, wenigstens ein "Marktgleichgewicht" zu erreichen. Nach außen hin gab sich der ehemalige Durchstarter jetzt als weiser und vernünftiger Fürsprecher europäischer Sozialstandards.

Das Konzept war nur beschränkt erfolgreich. 1979 flüchtete Grundig unter das Dach des niederländischen Philips-Konzerns, mit dem gemeinsam er das System "Video 2000" entwickelt hatte. Philips beteiligte sich mit 24,5 % an Grundig und Grundig mit 6% an Philips. 1982 verschärfte sich die Situation und Grundig erwog einen Verkauf der restlichen 74,5% an die französische Thomson-Brandt-Gruppe, den jedoch das deutsche Kartellamt untersagte. 1997 zog sich Philips aus seinem Engagement bei Grundig zurück. Das Unternehmen blieb bis 2000 offiziell "allein". Dann beteiligte sich der Antennenbauer Anton Kathrein, der neuer Aufsichtsratsvorsitzender wurde, mit 74% an der Grundig AG. Die Kathrein KG. gilt als das größte Antennenbau-Unternehmen der Welt.

Grundig in Österreich

Auf der Suche nach weiteren Beteiligungen war Grundig 1968 auch in Österreich gelandet. Dort übernahm der Nürnberger Konzern die Firma Minerva-Radio. Das elektrotechnische Unternehmen war 1919 von dem Deutschen Wilhelm Wohleber im Trattnerhof gegründet worden und 1924 mit den Marken Radiola und Aeriola in das blühende Radiogeschäft eingestiegen. Wohleber starb 1950, und obwohl seine Nachfolger seit 1954 einen werkseigenen Fernsehsender betrieben und Minerva-Fernseher produzierten, konnten sie 1968 einer Übernahme durch den deutschen Giganten nichts entgegen halten. Bis 1976 verdoppelte sich bei der nunmehrigen Grundig Austria GmbH die Mitarbeiterzahl auch dank des etwas niedrigeren Lohnniveaus auf 1.150 Personen, mit Eröffnung des neuen Werks Breitenfurter Straße in Wien-Meidling 1977 sogar auf 1.900. 1993 wurden an diesem Standort jährlich 1,5 Millionen Farb-TV-Geräte produziert, heute sind es einige mehr.

Die Unternehmensberatung Roland Berger riet Kathrein kürzlich, 900 von 5.900 Stellen einzusparen. Man beschloss, die Fernseherproduktion nach Wien auszulagern, von wo sie vermutlich zum Teil nach Ungarn weiterwandern wird. Damit hätte Nürnberg als größter europäischer TV-Produktions-Standort ausgedient. Der gesamte Grundig-Konzern machte laut "Standard" 2000 ungefähr 80 Mill. Mark Verlust. Noch sehen die Banken zu. Wie weit die Wiener Mitarbeiter in Zukunft tatsächlich von der vergrößerten TV-Produktion profitieren werden, oder ob diese einen Durchlaufposten auf dem Weg in südosteuropäische Länder darstellt, ist heute noch nicht zu sagen.

Literatur:

Christel Bronnenmeyer: Max Grundig. Ullstein Tb 1999.

Freitag, 15. Juni 2001

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