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Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

erlesen: Zwei verwandte Meister der kleinen Form

Von Evelyne Polt-Heinzl

Eine leere Seite links, die Todesanzeige rechts – das war die durchaus würdige Reaktion des Nachrichtenmagazins "profil" auf den jähen Tod des langjährigen Kolumnisten Reinhard Tramontana . Es fallen einem tatsächlich nur wenige Namen ein, die einen würdigen Nachruf schreiben hätten können. Einer der letzten "Nachrufe", die Tramontana selbst schrieb, war der zum 50. Todestag von Alfred Polgar am 24. April dieses Jahres. Der Titel "Marquis Prosa" ist zwar von Hans Weigel, aber sonst war alles echt Tramontana – und es war vor allen Dingen ein viel persönlicherer Text, als es auf den ersten Blick scheinen will. Denn seinen Polgar hat Tramontana gut gekannt – und wohl auch immer wieder zur Hand genommen.

Bezüge auf und Hommagen an den Großmeister der sogenannten kleinen Form sind in den Kolumnen Tramontanas immer wieder zu finden gewesen. Das lässt sich aktuell schwer nachweisen, denn von Tramontana ist kein Buch erhältlich – und das in einer Zeit, in der jeder junge Glossist und jede neue Kolumnistin mit dem ersten Sammelband gerade so lange wartet, bis die Wochen- oder Monatskommentare ein schmales Buch füllen.

Von Reinhard Tramontana ist 1984 der Sammelband "Mein profanes Weltbild" erschienen. Das Buch, sozusagen hauseigen als "trend-profil-Buch" bei Orac verlegt, ist lange schon vergriffen und nur noch antiquarisch zu ergattern. Wer heute darin blättert, ist überrascht, wie tagesaktuell viele der damaligen Texte heute noch wirken. Es ist derselbe Charme des Unverbrauchten, der Polgars Kommentare zum Zustand der Welt aus den 1920er und 1930er Jahren auszeichnet. Es gibt übrigens eine Anthologie, in der beide Autoren – neben vielen anderen – gemeinsam vertreten sind: "Passende Wüste für Fata Morgana gesucht. Sehr trockener Humor aus Österreich" ist der Titel, der im Buchhandelsverzeichnis auch nicht mehr angeboten wird, obwohl der Band erst 1999 im Deuticke Verlag erschienen ist. Dafür zeugen einige Neuerscheinungen von Publizisten-Kollegen, dass Tramontana offenbar stets bereit war, einem Buch mit Vor- oder Nachworten seinen Weg zum Leser zu ebnen.

Dass Alfred Polgar gegen den Starkult das "Denkmal des unbekannten Menschen" erfand, ist ebenso wenig Zufall wie die Tatsache, dass Tramontana diesen Text in seinem Gedenkartikel zitiert. "Er schrieb die eleganteste, pointierteste, präziseste Prosa des deutschsprachigen Raums" , heißt es über Polgar. Es ist diese sprachliche Punktgenauigkeit, die die beiden Kollegen im Geist der kleinen Form eint, und es ist auch das feine Gehör für die Entgleisungen der Politik und die Schräglagen der Gesellschaft wie der Sprache.

Den falschen Sprachschmuck, so Polgar, "erkennt man daran, dass er besonders kräftig funkelt." Als Kind, so behauptete Polgar einmal, habe er ein Theaterstück geschrieben mit lauter "Exzentriks" als Akteuren, die alle aus der rationalen Ordnung herausgesprungen sind. Einer von ihnen hielt ein Opernglas stets verkehrt herum vor Augen, um das Objekt ferngerückt und verkleinert zu sehen. Der Perspektive des Exzentriks halten Klischees und Stereotypen nicht stand, sie kennt kein Pardon und macht Dinge sichtbar, die gut verborgen scheinen.

Polgars Texte zumindest kann man nachlesen – sie sind im Rowohlt Verlag, auch als preiswerte Taschenbuchausgabe, erhältlich, und Ulrich Weinzierls große Polgar-Biographie ist im Löcker Verlag kürzlich neu aufgelegt worden. Für ein Polgar-Symposium der Österreichischen Gesellschaft für Literatur im Dezember dieses Jahres hatte Reinhard Tramontana noch vor wenigen Wochen spontan seine Teilnahme zugesagt.

Evelyne Polt-Heinzl ist Literaturwissenschaftlerin und -kritikerin. Ihr neuer Band, "Zeitlos" (Milena Verlag), über vergessene deutschsprachige Autorinnen, wird am 10. November in der Wiener Buchhandlung "leporello" vorgestellt.

Freitag, 04. November 2005

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