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damals & heute

Frauen an der Macht

Von Mario Rausch

Mit Angela Merkel zieht erstmals eine Frau ins Berliner Kanzleramt ein. Wird sie spezifisch weibliche Formen des Umgangs mit politischer Macht und Verantwortung einführen? Und wie könnten die aussehen?

Frauen an der Macht, ein guter Witz! So sah es zumindest der Dichter Aristophanes im alten Athen, und deshalb machte er politisch aktive Frauen gleich mehrfach zum Thema seiner Komödien. In dem 392 v. Chr. uraufgeführten Stück "Die Frauen in der Volksversammlung" ( "Ekklesiazusai ") beschrieb er nicht nur die aus damaliger Sicht völlig abwegige Vorstellung von der politischen Gleichberechtigung der Frauen, sondern auch die wortgewaltige Demagogin eines fiktiven Frauenparlaments.

Anhand dieser Proxagora genannten Politikerin überlegte Aristophanes im Scherz, welche besonderen weiblichen Qualitäten eine Frau im politischen Leben wohl nützen könnte. Zunächst sei da die praktische Veranlagung der Frauen, die anders als die Männer nicht für alles und jedes eine neue Lösung suchen, sondern beim Bewährten bleiben, solange es funktioniert: "Frauen backen Plätzchen, wie sie es immer tun, machen ihre Männer verrückt, so wie immer, verstecken ihre Liebhaber, so wie sie es immer tun, und verwöhnen sich mit kleinen Geschenken, so wie immer . . . ". Frauen könne man daher mit Fug und Recht eine geradlinigere und auch effizientere Politik zutrauen als so manchem Mann.

Auch seien Frauen Meister der List und kleiner Unwahrheiten. Das wäre nach Ansicht der Proxagora auch im politischen Alltag von großem Nutzen: "Frauen würden niemals über den Tisch gezogen werden." Anders als Männer könnten Frauen darüber hinaus trotz aller Schwatzhaftigkeit Geheimnisse besser für sich behalten – Frauen würden dem politischen Gegner niemals bewusst oder unbewusst wichtige Informationen zukommen lassen. Und sie hätten mehr Vertrauen in ihre politischen Unterstützer und Mitstreiter: "Schließlich sind es Frauen gewohnt, sich gegenseitig Kleider, Schmuck, Geld oder Geschirr zu leihen, ohne zu fürchten, es nicht vollständig und in bestem Zustand wiederzubekommen; dagegen versuchen Männer doch immer etwas für sich abzuzweigen . . . "

Geradlinigkeit, Effizienz, schlaues Verhandlungsgeschick und politische Handschlagqualität: Das sind die Qualitäten, die Aristophanes offensichtlich an den Politikern seiner Zeit vermisste und darum durch Frauen repräsentieren ließ. Das politische Programm der Frauen war übrigens ebenso revolutionär und utopisch wie die Vorstellung von Politikerinnen an sich. Proxagora und ihre Mitstreiterinnen forderten in radikalkommunistischer Manier absolute Gütergemeinschaft, um damit die soziale Gleichstellung aller Bürger zu erreichen. Das war ein Seitenhieb auf die politischen Philosophien von Sokrates und Platon, die sich zu dieser Zeit Gedanken über den idealen Staat machten.

Anders als Aristophanes meinten es diese Denker durchaus ernst mit der politischen Gleichberechtigung von Mann und Frau: ". . . an allen Geschäften kann die Frau ihrer Natur nach genauso teilnehmen wie der Mann" ("Politeia"). Platon geht es dabei vor allem um die politische Verantwortung, der sich die Frauen nicht durch ein Leben in Luxus und Müßiggang entziehen dürften: "Der Gesetzgeber darf daher keine halben Sachen machen, indem er etwa dem weiblichen Geschlecht die Freiheit lässt, in Luxus und Aufwand zu schwelgen und ein ungeordnetes Leben zu führen, und sich nur um die Männer kümmert . . ." ("Nomoi" ).

Ob mit Angela Merkel tatsächlich politische Geradlinigkeit, Effizienz, weibliche List und Verschwiegenheit im Berliner Kanzleramt einziehen werden, bleibt abzuwarten. Eines hat Merkel jedenfalls schon bisher hinreichend bewiesen: dass sie bereit ist, politische Verantwortung zu übernehmen. Daran hätte auch Platon seine Freude gehabt.

Mario Rausch , geboren 1970, studierte klassische Archäologie und Alte Geschichte und lebt als Publizist in Klagenfurt und Wien.

Freitag, 28. Oktober 2005

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