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Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Wie realistisch sind George W. Bushs Weltraumvisionen?

Mond und Mars in Vorwahlzeiten

Von Peter Markl

Es war ein Auftritt nach dem Geschmack des Präsidenten, auch wenn er diesmal darauf verzichtet hatte, in Maske und Kostüm zu erscheinen - im Gegensatz zu jenem bereits historischen Auftritt, als George W. Bush im Schutzanzug eines Jagdbomberpiloten an Deck eines Flugzeugträgers auftrat und das glorreiche Ende des Irak-Krieges verkündete.

Das hat sich mittlerweile als etwas vorschnell herausgestellt, aber Kritiker vermuten, dass auch sein jüngster Auftritt indirekt mit diesem Krieg zu tun hat: die Nachrichten, die aus Bagdad kommen, passen schlecht in einen Vorwahlkampf und da trifft es sich gut, dass die seit längerem gewälzten Pläne - schon George Bush senior hatte ein Marsprogramm angekündigt - wenigstens im zweiten Anlauf ein in der Familie anscheinend immer wieder auftretendes Defizit zu beheben versprechen: nämlich das Fehlen von dem, was Bush junior das "vision thing" genannt hatte.

Hier ist sie plötzlich wieder: die Vision von der Eroberung des Weltraums durch die Menschheit, genauer gesagt, durch ihre technisch fraglos kompetenteste Nation, die USA. Das Angenehme daran ist auch im Wahlkampf, dass das gut mit organisatorischen Notwendigkeiten wie der Reorganisation der NASA und nationalistischen Tönen passt, auch wenn eine Meinungsumfrage nur zwei Tage vor Bushs Auftritt ergeben hatte, dass es 55 Prozent der Amerikaner lieber hätten, wenn man überflüssiges Geld auf der Erde für elementare Bedürfnisse ausgäbe. (Allerdings würden bei entsprechend formulierten Meinungsumfragen wahrscheinlich alle Forschungsvorhaben aus dem Bereich der Grundlagenforschung den elementaren Bedürfnisse unterliegen - es sei denn, sie träten medizinisch eingekleidet auf.)

Zukunftsmusik

Man kann dem Präsidenten nicht unterstellen, dass er den Vorschlag vor allem zugunsten des eigenen Ruhmes gemacht hätte. Schließlich wird das Programm - selbst wenn es optimal laufen würde - die ersten wirklich plakativen Erfolge erst nach 2010 haben und damit nach Ende einer möglichen zweiten Funktionsperiode des Präsidenten.

Die könnte das Mars-Programm (Phase 1: Mond) allerdings wahrscheinlicher machen: Schließlich demonstriert der Präsident damit, dass er weit über seine Zeit hinaus plant und endlich etwas gegen die oft beschworene Misere der NASA zu tun gedenkt. Greg Klerkx, NASA-Kritiker seit langem, merkt dazu an: "Sollte es dem Präsidenten gelingen, den Plan dem Kongress zu verkaufen, dann würden davon die NASA-Zentren in drei Staaten am meisten profitieren: Texas, Florida und Kalifornien, alles Staaten, welche für die Wiederwahl entscheidend sind. Und was den bemannten Weltraumflug betrifft, sind die größten Kontraktnehmer Boeing und Lockheed, die zu den großzügigsten derjenigen gehören, die Bushs Wahlkampf finanziell unterstützen."

Wissenschaftliche Argumente werden bei dem Entschluss zum Mars- Programm wahrscheinlich eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben, zumal eine große Mehrheit der nicht in das Weltraumgeschäft verwickelten Wissenschaftler heute der Meinung ist, dass eine Kombination zwischen bemannter und unbemannter Raumfahrt die besten wissenschaftlichen Ergebnisse verspricht. Das hat das Hubble-Teleskop demonstriert, dessen anfänglicher Defekt im Weltraum repariert werden konnte, und das dann Ergebnisse lieferte, welche zu den Glanzstücken der modernen, experimentell gewordenen Kosmologie gehören: das Bild vom Weltall ist nach Hubble anders als vorher.

Das Hubble-Teleskop gehört jetzt zu den ersten, wenn auch indirekten, Opfern der neuen Mondsucht und Marsomanie. Die ursprünglichen Pläne hatten vorgesehen, dass das Teleskop bis 2005 in Betrieb bleiben sollte; 1997 hat die NASA jedoch beschlossen, seine Lebenszeit bis 2010 zu verlängern und 2006 wieder Astronauten hinaufzusenden, welche neue Instrumente installieren sollten. Jetzt hat das NASA-Management diesen Besuch storniert - unter anderem, weil dadurch Finanzmittel frei werden, die man in Teilprojekte mit der neuen Zielsetzung einsetzen kann.

Wahrscheinlich war es George Bush nicht bewusst, dass seine Redenschreiber mit den plausibel klingenden Sätzen, mit denen er die Motive für seine Bevorzugung der bemannten Raumfahrt klar machen wollte, fast eine Absage an die gesamte moderne Naturwissenschaft formuliert hatten: "Wir müssen", so konstatierte er, "selbst sehen, prüfen und berühren können", was im Weltraum ist. Genau das ist jedoch den Menschen nur bei Dingen möglich, die während ihrer Evolution in der ökologischen Nische, der sie sich anpassen mussten, für sie von Bedeutung waren. Das ist nun einmal ein sehr beschränkter Ausschnitt der Realität, nämlich die Welt der mittleren Dimensionen (nicht der Mikrokosmos und nicht kosmische Dimensionen). Nur die derart mesoskopisch geprägten Erfahrungen liefern das so angenehme wie trügerische Gefühl, mit etwas Realem in Kontakt zu sein.

Was Bush beschwört, ist die romantische Weltsicht der Abenteurer, die - so der Präsident im Originalton - "von unbekannten Ländern angezogen wurden und von dem, was jenseits des offenen Meeres lag". Auch wenn das für George Bush nur ein besonders eindringlicher Versuch gewesen sein sollte, Geld für seine Träume zu mobilisieren, sehen Kritiker der bemannten Weltraumprogramme darin einmal mehr einen Eskapismus der gefährlichen Art: eine Ballung effizienter Technologie, kombiniert mit politischer und militärischer Macht, ausgeübt vor dem Hintergrund einer extrem vereinfachten Sicht der gesellschaftlichen Realitäten und Bedürfnisse.

Der Zeitplan für das ehrgeizige Projekt, das der NASA wieder die lange vermisste große Richtung geben soll, ist knapp bemessen: bis 2010 sollen - internationalen Verträgen entsprechend - die internationale Raumstation ISS fertig gestellt und die Space Shuttles als Raumfähren außer Dienst gestellt sein.

Dann braucht man den neuen Typ einer Raumfähre, die man CEV (Crew Exploration Vehicle) getauft hat und unbemannt bis 2008 getestet haben will, so dass die ersten bemannten Flüge spätestens 2014 stattfinden könnten. Für 2020 ist die triumphale Rückkehr der USA auf den Mond festgesetzt, wo eine permanente Station errichtet werden soll.

Allerdings verdeckt die romantische Rhetorik Bushs auch reale Probleme: der Weg von der Erde via Mond zum Mars und zurück wird nur möglich sein, wenn eine ganze Reihe von Problemen gelöst ist, darunter einige, zu deren Lösung noch niemand eine auch nur vage Idee anzubieten hat.

Das neue Programm bedeutet für die NASA nicht nur die lang erwartete Neuorientierung, sondern schon in der ersten Teiletappe, der Rückkehr auf den Mond, eine große Herausforderung. Eine in der englischen Wissenschaftszeitschrift "New Scientist" veröffentlichte Analyse kommt zum Schluss, dass die Zeit zu kurz ist, um für das neue CEV eine grundlegend neue Konstruktion planen zu können. Die NASA wird daher aus Sicherheits- und Kostengründen wahrscheinlich auf jene Ideen zurückgreifen, welche in den sechziger und siebziger Jahren hinter dem so erfolgreichen Apollo-Programm standen, in der Hoffnung, sie an die neuen Anforderungen adaptieren und weiter entwickeln zu können, so dass die neue Version mit Modulen ausgestattet werden kann, welche für den Flug vom Mond zum Mars (und zurück) verwendet werden können.

Probleme in großer Zahl

Im Apollo-Programm war die Trägerrakete eine modifizierte Saturn V gewesen. Kritische Stimmen vermuten, dass bei der NASA die Tradition beim Bau dieser Raketen inzwischen abgerissen ist. Ihre Konstrukteure sind seit langem pensioniert oder verstorben, und was sich an alten Plänen noch auffinden lässt, ist wahrscheinlich nicht ohne Überarbeitung brauchbar.

Noch größer sind die Schwierigkeiten beim Bau der Mondstation, von der man sich bis jetzt nur vorstellen kann, dass sie aus einer Konstruktion hervorgeht, welche Lockheed als Mannschafts-Modul für die Internationale Raumstation geplant hat. Wer dort, wie geplant, über lange Zeit existieren soll, braucht trinkbares Wasser, Energie, Luft zum Atmen und Nahrung. Die Experten sind sich immerhin darin einig, dass es nicht möglich sein wird, eine Mannschaft mit allem Nötigen mehr als 18 Monate lang von der Erde aus zu versorgen - darüber hinaus wird es zu teuer.

Und spätestens hier hört jede Romantik auf. Schließlich ist der Mond mit seinem gefährlich hohen Strahlenpegel und Temperaturschwankungen zwischen minus 150 Grad Celsius bei Nacht und plus 100 Grad Celsius in der Mittagshitze eine extrem lebensfeindliche ökologische Nische. Wenn man annimmt, dass man am Mond Wasser finden könnte - am Südpol des Mondes wurden in einem schattigen Krater Signale von Wasserstoff aufgespürt und dieser könnte in Form von Wasser vorliegen - dann wäre Wasser vielleicht kein Problem. Falls dieses Wasser nicht verfügbar gemacht werden kann, wird man Wasser recyclieren müssen, was keine Neuheit wäre: schon die Astronauten auf MIR tranken Wasser, das vorher mehrmals durch ihre Körper ging - bis auf Trinkwasserstandard recycliert.

Die Versorgung mit Nahrungsmitteln könnte größere Probleme schaffen. So viel ist sicher: Wer am Mond leben will, muss Vegetarier, besser noch extremer Veganer sein. Mike Dixon von der Universität von Guelph in Ontario, der das Problem für die Europäische Raumfahrtsagentur studiert hat, geht davon aus, dass man Treibhäuser bauen wird, in denen man Pflanzen züchten kann. Wovon diese Pflanzen leben sollen, ist allerdings noch nicht klar. Niemand weiß zur Zeit, ob der Mondstaub dafür genügend Nährstoffe enthält. Auch wenn man zurzeit untersucht, ob Pflanzen nicht durch getrockneten Kot ernährt werden könnten, ist es am wahrscheinlichsten, dass man auf irgendeine Form von Aquakultur zurückgreifen wird.

Alexander Tikhomirov ist in Russland dabei, Pflanzen zu züchten, die in mehr oder minder unbehandeltem Urin wachsen können. Dean Dixon ist der Ansicht, dass die wirklichen Probleme nicht so sehr in der auf dem Mond auf ein Sechstel reduzierten Schwerkraft liegen, sondern in der Druck- und Temperaturempfindlichkeit der Pflanzen: sie bringen unter Stress zu geringe Erträge. Er vermutet, dass man dieses Problem in absehbarer Zeit nur mit genetisch entsprechend modifizierten Pflanzen lösen könne. Zurzeit sind blau-grüne Algen in Sache Ernährung die realistischste der Optionen - roh gegessen, als Salat oder wie Mehl verarbeitet. Dean Dixon ist allerdings skeptisch. Mehr als eine allerletzte Notlösung kann er sich nicht vorstellen: "Ich glaube nicht, dass man auf einen Burger aus blau-grünen Algen so viel Salz streuen kann, dass es gelingt, ihn hinunterzuwürgen."

Man muss George Bush fairerweise zugutehalten, dass er für die bemannte Landung am Mars kein Datum genannt hat. Der Mars ist 150-mal weiter entfernt als der Mond, der Flug dorthin dauert mindestens sechs Monate, und führt durch gefährliche kosmische Strahlung. Während des Hin- und Rückflugs sind die Astronauten stark reduzierter Schwerkraft ausgesetzt, was ihre Knochen ausdünnen lässt.

Drei Jahre unterwegs

Die Probleme werden noch durch die Tatsache verschärft, dass jede dieser Missionen zum Mars ein Zeitfenster nützen muss: Nach einer Landung auf dem Mars haben die Astronauten erst dann wieder eine Chance zur Rückkehr, wenn die Umlaufbahnen von Erde und Mars eine dafür günstige Konstellation geschaffen haben. Und das ereignet sich nur alle 500 Tage. Selbst wenn alles gut geht, können die Astronauten also bestenfalls erst nach fast drei Jahren wieder auf die Erde zurückkehren. Falls es nicht gelingt, die Strahlung auf ein "annehmbares" Maß abzuschwächen und den Verlust der Schwerkraft zu kompensieren - wozu es einige mehr oder weniger erprobten Ideen gibt -, würden durch Osteoporose zum Krüppel gemachte und, wie neue Untersuchungen vermuten lassen, gehirngeschädigte Menschen mit erhöhtem Krebsrisiko wieder die Erde betreten.

Das größte technische Problem ist allerdings, dass es noch nicht klar ist, woher die Raketen zum Mars und zurück ihre Energie hernehmen sollen. Konventionelle Raketen können es nicht sein. Sie hätten zwar die nötige Schubkraft, sind aber so ineffizient, dass das Gewicht des Treibstoffs zu hoch würde. Von Sonnenenergie getriebene Ionentriebwerke sind zu langsam. Und damit bleiben der NASA eigentlich nur Kernreaktoren als Energiequelle. Es gibt zwar zwei verschiedene Wege, die bei Kernspaltungen freigesetzte Energie in Raketenschubkraft umzuwandeln, doch sie können aber nur realisiert werden, wenn die umfangreichen Vorarbeiten, die es dazu gerade auch bei der NASA gibt, fortgeführt werden können. Erst im Februar 2003 hat die NASA das mit 3 Milliarden Dollar finanzierte Projekt "Prometheus" vorgestellt, in dem ein Kernantrieb für den Flug zu den äußeren Planeten entwickelt werden soll. Wie aber soll man eine der daraus hervorgehenden Konstruktionen auf der Erde testen können? Das Vorhaben, eine der kernreaktorbetriebenen Raketen, auf der Erde zu zünden, ist - im Stil der NASA vorsichtig formuliert - "kontroversiell".

Franco Ongaro, der an der "European Space Agency" ESA das Projekt "Aurora" leitet, mit dem man bis 2030 einen Menschen auf den Mars schicken will, bleibt vorerst ruhig: "Ich werde mich erst dann aufregen, wenn das Interesse am Mars nach den amerikanischen Präsidentenwahlen im November immer noch akut ist."

Literatur: New Scientist (31. 1. 2004) Special Report on Mars and Moon.

Freitag, 13. Februar 2004

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