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Treibhauseffekt durch Dinosaurier?

Wie Pflanzen und Tiere die Atmosphäre verändern
Von Georg Breuer

Unsere Atmosphäre ist zu einem beträchtlichen Teil ein Produkt der Aktivitäten von Lebewesen. Entwicklungen in der Pflanzen- und Tierwelt haben Veränderungen in ihrer Zusammensetzung verursacht. Die dadurch ausgelösten Klimaschwankungen hatten ihrerseits wieder Rückwirkungen auf die Lebewesen.

Im Prinzip ist das schon seit langem bekannt. Doch nun hat der amerikanische Forscher Greg Retallack von der University of Oregon, der sich mit dem Studium fossiler Böden beschäftigt, neue Ideen entwickelt, wonach diese Wechselwirkungen in den letzten 500 Millionen Jahren, also seit der Entstehung vielzelliger Lebewesen, viel enger waren, als man bisher angenommen hatte.

Die Lebewesen unserer Erde bestehen aus zwei großen Gruppen. Die grünen Pflanzen sind so genannte Autotrophen. Sie können Kohlehydrate durch Photosynthese, das heißt unter Verwertung der Energie des Sonnenlichts, mit Hilfe des Katalysators Chlorophyl aus CO2 und Wasser herstellen. Dabei wird Sauerstoff freigesetzt. Die Kohlehydrate sind gleichsam ein gespeicherter "Brennstoff". Sie werden bei Bedarf zur Erzeugung von Energie von den Pflanzen selbst, aber auch von "heterotrophen" Lebewesen, die die von den grünen Pflanzen produzierten Kohlehydrate verwerten - Mikroorganismen, Pilzen, Tieren -, wieder abgebaut. Dabei wird unter heutigen Bedingungen Sauerstoff verbraucht und CO2 freigesetzt. Zwischen den Aktivitäten von Autotrophen und Heterotrophen besteht kein volles Gleichgewicht. Sauerstoff kann sich in der Atmosphäre nur dann anreichern, wenn eine entsprechende Menge von Kohlenstoff in der lebenden und der in Böden und im Meeresgrund abgelagerten abgestorbenen Biomasse gespeichert bleibt.

Das Blaualgenzeitalter

Die Photosynthese ist vor etwa vier Milliarden Jahren von den Blaualgen "erfunden" worden. Das waren noch keine echten Pflanzen, sondern den Bakterien ähnliche Mikroorganismen, die noch keinen Zellkern hatten. Der bei der Photosynthese freigesetzte Sauerstoff ist damals von im Meerwasser gelösten Eisenbahnverbindungen gebunden worden und nicht in die Atmosphäre gelangt. Da es kaum freien Sauerstoff gegeben hat, war eine Oxidation ("Verbrennung") von Kohlehydraten wie heute und eine direkte Rückverwandlung in CO2 nicht möglich. Sie wurden vielmehr durch Gärung und andere Reaktionen in mehreren Schritten langsam abgebaut. Es ist also ständig CO2 verbraucht und nicht erneuert worden. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre hat abgenommen und das hat Abkühlung gebracht, oder, genauer gesagt, der Erwärmung durch die im Lauf der Zeit immer stärker werdende Sonneneinstrahlung entgegen gewirkt. Das hat dazu beigetragen, dass es auf der Erde nie so heiß geworden ist wie auf der Venus und dass flüssiges Wasser immer bestehen konnte.

Vor etwa 2,3 Milliarden Jahren haben sich die Blaualgen auch auf dem Land verbreitet. Der von ihnen freigesetzte Sauerstoff ist nun in die Atmosphäre gelangt und hat sich nach und nach vermehrt. Der CO2-Verbrauch hat weiter zugenommen und das hat zu einer starken Abkühlung geführt. Spuren einer bis in tropische Regionen reichenden Vereisung vor etwa 2,2 Milliarden Jahren sind von D. A. Evans und Mitarbeitern vom California Institute of Technology im südlichen Afrika gefunden worden ("Nature" Bd. 386, S. 262, 1997).

Durch die Vereisung ist das Verbreitungsgebiet der Blaualgen und damit auch der CO2-Verbrauch stark verkleinert worden. Der Druck der Eismassen auf die Erdoberfläche hat vermutlich zu vermehrten Vulkanausbrüchen geführt, bei denen CO2 in die Atmosphäre gelangt ist.

Die Sonneneinstrahlung hat weiter zugenommen, und das und vermutlich auch noch weitere Faktoren haben schließlich ein Ende der Eiszeit gebracht.

Vor 1,5 Milliarden Jahren hat der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre ein Niveau von 1 Prozent erreicht (heute 21 Prozent des Volumens). Damit wurde die direkte Oxidation von Kohlehydraten mit Hilfe von Atmung möglich, bei der aus der gleichen Menge von "Brennstoff" viel mehr Energie als bei der Gärung gewonnen wird. Das ermöglichte die Entstehung neuer größerer Mikroorganismen mit einem Zellkern-Protozoen, die sich von Blaualgen ernährten. Eine Art dieser neu entstandenen Protozoen hat die Blaualgen jedoch nicht gefressen, sondern in Symbiose in ihre Zellen aufgenommen. So sind die Grünalgen entstanden, bei denen Sauerstoffabgabe und CO2-Verbrauch weit größer sind als bei den Blaualgen. Die Folge war eine neuerliche starke CO2-Verminderung in der Atmosphäre und der Beginn einer neuen längeren Periode von Vereisungen bis in tropische Regionen vor etwa einer Milliarde Jahren, die dann wiederum durch die gleichen Vorgänge, wie oben beschrieben, beendet worden ist.

Beträchtliche Mengen von nicht oder nur teilweise abgebauter Biomasse haben sich damals unter dem Eis, in den Böden und im Meeresgrund angesammelt, eine entsprechende Menge von Sauerstoff in der Atmosphäre. Die zunehmende Sauerstoffkonzentration ermöglichte noch effizientere Oxidation von Kohlehydraten - und das war die Voraussetzung für die Entstehung von vielzelligen Lebewesen vor etwa 600 Millionen Jahren.

Die ersten Vielzeller sind im Meer entstanden. Die Studien von Retallack zeigen jedoch, dass es bereits in 550 Millionen Jahren alten fossilen Böden eine Unzahl von Gängen und kleinen Höhlen gibt, die von im Boden lebenden Tausendfüßlern und wohl auch von Würmern stammen ("New Scientist", 16. Juni 2001, S. 30). Diese Bodentiere und auch neue atmende Mikroben haben sich von der im Boden abgelagerten abgestorbenen Biomasse ernährt und dabei entsprechende Mengen von CO2 freigesetzt. Das war der Grund - oder jedenfalls einer der Gründe -, warum sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre damals stark vermehrt hat und vor 500 Millionen Jahren rund 20-mal so groß war wie heute, was ein entsprechend warmes Klima verursacht hat.

Ständiges Wechselspiel

Die Zeit seither ist laut Retallack ein ständiges Wechselspiel zwischen der Verbreitung neuer Arten von autotrophen Lebewesen, also Landpflanzen, die der Atmosphäre große Mengen von CO2 entnehmen, und der naturgemäß erst nach und nach folgenden Entwicklung von neuen heterotrophen Arten, die sich von diesen Pflanzen oder ihren abgestorbenen Überresten ernähren und dabei CO2 an die Atmosphäre abgeben.

Die ersten kleinen Landpflanzen sind rund 450 Millionen Jahre alt. Große Pflanzen, die wie riesige "Spargelbäume" aussahen, gibt es seit 400 Millionen Jahren. Da der CO2-Gehalt der Atmosphäre so groß war, sind sie mit wenigen relativ kleinen Blättern ausgekommen. Doch diese Riesenpflanzen haben der Atmosphäre viel mehr CO2 entnommen, als durch die Aktivitäten der nach und nach entstehenden neuen Heterotrophen zurückgeführt wurde. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre hat rasch abgekommen. Als es vor 350 Millionen Jahren nur mehr rund doppelt so groß war wie heute, haben sich Pflanzen mit großen Blättern entwickelt, die mehr CO2 aufnehmen konnten.

Bald darauf sind auch Bäume und Büsche entstanden, die in ihrem Holz große Mengen von Kohlenstoff gespeichert haben. Ein Teil davon ist durch Waldbrände wieder in CO2 rückverwandelt worden, aber Heterotrophe, die diese völlig neuartige Substanz als Nahrung verwerten konnten, mussten sich erst entwickeln. So hat der CO2-Gehalt der Atmosphäre weiter abgenommen und war vor 300 Millionen Jahren niedriger als heute. Es hat wiederum eine große Eiszeit gegeben.

Diesmal haben aber laut Retallack nicht nur die früher angeführten Faktoren zur schließlichen Wiedererwärmung beigetragen, sondern auch neu entstandene Arten von Tieren und wohl auch Mikroorganismen, die Holz abbauen konnten und dabei CO2 produzierten. Dazu gehören vor allem die Termiten, von denen man in etwa 275 Millionen Jahren alten fossilen Böden viele Nester findet, sowie auch große pflanzenfressende Saurier, die das im Holz enthaltene Lignin verwerten konnten.

Daneben sind auch viele neue Arten von Mikroorganismen, Kleintieren und Pilzen entstanden, die sich von Holz ernährt haben. In heutigen Wäldern in mittleren Breiten gibt es keine Termiten und auch keine großen Holz fressenden Tiere, aber abgefallene Äste, vom Wind umgeworfene Bäume und Baumstrünke vermodern trotzdem rasch - sie werden von diesen kleinen Heterotrophen abgebaut. Die Entstehung dieser Holz verwertenden Arten hat dazu beigetragen, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre wieder angestiegen ist und vor 200 Millionen Jahren mehr als fünfmal so groß war wie heute.

An der neuen CO2-Verminderung in den letzten 50 Millionen Jahren hat dann nach Retallacks Darstellung die Entwicklung von Gräsern einen wichtigen Anteil gehabt.

Oberirdisch enthalten Graslandschaften, auch üppige Savannen, pro Flächeneinheit viel weniger Biomasse als Urwälder, doch ihre Wurzelsysteme sind sehr groß und dicht, und in den Böden unter Graslandschaften ist weit mehr Kohlenstoff gespeichert als in Waldböden. Retallack vermutet, dass dies auch beim Wechsel von Eiszeiten und Zwischeneiszeiten eine wichtige Rolle gespielt hat. Vereisung in höheren Breiten bringt weltweite Abkühlung und auch eine Verminderung der Niederschlagsmengen. Die Vegetation kann auch in den nicht vereisten Regionen nicht mehr so gut gedeihen wie früher, der Atmosphäre wird weniger CO2 entnommen, aber der Abbau der im Boden gespeicherten Biomasse dauert an, selbst in von Eis bedeckten Böden, und trägt dazu bei, dass sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre wieder vermehrt.

Insbesondere die Tatsache, dass es am Ende von Eiszeiten zu einer relativ raschen Erwärmung kommt, könnte durch Vorgänge in der Biosphäre mit verursacht sein, doch die Details sind noch nicht geklärt.

Retallacks Thesen sind umstritten. Nach Ansicht anderer Wissenschaftler hat er in seiner Darstellung die Vorgänge in der Biosphäre der Ozeane und in den Sumpfgebieten zu wenig berücksichtigt. Und Veränderungen der Zusammensetzung der Atmosphäre sind zwar sicherlich ein wichtiger Faktor, aber nicht der einzige, der unser Klima beeinflusst.

Wie "New Scientist" berichtet, haben sich einige Wissenschaftszeitschriften geweigert, Beiträge von Retallack zu diesem Thema abzudrucken. Doch nun soll eine größere Arbeit von ihm im "Journal of Geology" erscheinen. Sie wird sicherlich neue Kontroversen auslösen.

Doch auch Wissenschaftler, die gegen manche Thesen Retallacks Einwände erheben, meinen, dass es der Mühe wert ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Auch wenn sich nicht alles, was er behauptet, als richtig erweisen sollte, hat er doch wahrscheinlich wichtige neue Hinweise gegeben, die genauer untersucht werden sollten.

Freitag, 27. Juli 2001

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