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Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Die Palingenesie, das Geheimnis des Vogel Phönix

Wiedergeburt in Flammen

Von P. R. Lang

Der Vogel Phönix scheint in keinem Tierlexikon oder Naturkundebuch auf. In der Zoologie ist er unbekannt. Sein Name existiert gleichwohl, nämlich als Pflanzengattung aus der Familie der Palmen. Von den zwölf Arten ist die Dattelpalme wohl die bekannteste. In den Anbaugebieten Nordafrikas, Südwestasiens und Südeuropas wurde sie zu einem wichtigen Nahrungsmittel.

Kriege und Unruhen in den europäischen Mittelmeerländern bewirkten das Ende der Palmbäume. Erst durch die Araber wurde sie neu gepflanzt, namentlich in Spanien. Ihr Wiederauftreten darf zumindest in die Nähe der griechisch-römischen Sage gerückt werden, wonach die Palme wie Phönix aus der Asche zu neuem Leben erweckt wurde.

Im Laufe der Zeit wurde es zu einem geflügelten Wort: "Wie Phönix aus der Asche." Der Vogel Phönix ist ein griechisches Wort ägyptischen Ursprungs. Er wurde als Reiher und seltener als Fasan beschrieben, der als Erscheinungsform des Sonnengottes galt.

Der Sage nach geschah Folgendes: Fühlte der Vogel Phönix sein Ende nahen, so baute er sich auf der höchsten Palme ein Nest aus duftenden Hölzern, ließ sich vor dem Sterben von der glühenden Sonne entzünden, fachte die Flammen noch mit kräftigen Flügelschlägen an und ließ sich verbrennen. Aus der Asche aber stieg ein neuer, verjüngter Vogel Phönix hervor.

Der wiedererstandene Phönix trug die Reste seines alten Körpers, in Myrrhen eingeschlossen, nach Heliopolis in Ägypten. Das gilt auch als Symbol einer bestimmten astronomischen Periode und erklärt den Durchgang des Merkur durch die Sonne. So ist auch am südlichen Himmel ein Sternbild Phönix astronomisch belegt.

Das Gefieder des Phönix haben alte Schriftsteller wie Herodot und Plinius rot und golden geschildert. Außerdem verliehen sie ihm den Nimbus des Sonnengottes. Der einen Auslegung folgte die nächste. So wird auch angenommen, dass der Vogel Phönix in der Bibel an einer Stelle vorkommt, und zwar in dem nur schwer verständlichen Buche Job, dessen Texte aus dem 4. Jahrhundert vor Christus stammen. Dort heißt es im 18. Vers des 29. Kapitels: "Mit meinem Neste werde ich sterben und gleich dem Phönix meine Tage vermehren."

Später gelangte der Phönix als Symbol ewiger Verjüngung auch in den christlichen Sagenkreis und wurde ein Emblem des byzantischen Reiches. Die Alchimisten ließen den Vogel Phönix ebenfalls auferstehen; für sie war Phönix eine von vielen Bezeichnungen für den Stein der Weisen.

Dann brach das Phönix-Rätsel in den naturphilosophischen Bereich ein und erhielt den bedeutsamen Namen "Palingenesie".

Darunter wird eine Wiederentstehung alles Vergangenen verstanden. Naturphilosophen stellten die These auf, die Natur werde, wie sie aus einem Chaos hervorgegangen sei, auch wieder in dasselbe zurückkehren, nicht aber darin verharren, sondern neu und vollkommener daraus hervorgehen.

Hier entdeckte auch die Theologie ihre spezifische Definition: Palingenesie ist danach die Auferstehung der Toten und die Wiederentstehung des ursprünglichen, durch den Sündenfall verloren gegangenen Zustandes der Dinge. An dieser Deutung ließ sich anknüpfen. Palingenesie wurde denn auch zur geistigen Wiedergeburt oder Besserung des Menschen. Die Verjüngung und Erneuerung alles Veralteten wurde ihr zugesprochen, etwa auch die Wiedergeburt eines Staates.

Im Jahre 1716 erschien ein Buch mit dem Titel "Tractätlein von der künstlichen Auferweckung der Pflanzen, Menschen und Tiere aus ihrer Asche". Königin Christine von Schweden ließ sich das Wiederaufleben einer Rose aus ihrer Asche vorführen. Das Experiment soll gelungen sein, doch dauerte es Monate. Anspruch auf diese Form der Wiederbelebung erhob übrigens auch der Habsburger-Kaiser Ferdinand III.

Der Vorgang gewann bald an Methode. Ein Rezept für das Experiment wurde entwickelt und kam immer wieder zur Anwendung: Über Einhaltung eines gewissen Rituals soll man einer Pflanze verschiedene Teile entnehmen und verbrennen. Das aus der Lauge gewonnene Salz müsse mit Dammerde vermischt werden; das Gemisch müsse in einen Blumentopf getan werden, derselbe mit einer Glasglocke bedeckt und mit Kitt bedeckt werden. Nur die Öffnung am Boden des Blumentopfs müsse frei bleiben. Nach wenigen Tagen werde dann die Blume in voller Blüte auferstehen.

Es war klar, dass mit dieser "Rezeptur" kein Blumentopf zu gewinnen war. Doch das führte keineswegs zu einem Ende der Rätsellösung des Phönix-Problems. Auch noch im frühen 20. Jahrhundert wurde versucht, Verbranntes wiedererstehen zu lassen. Nur nahm man nunmehr nicht wie die Alchimisten die Chemie zu Hilfe, sondern bediente sich - im Zeichen des damals in Blüte stehenden Spiritismus - eines Mediums.

In keinem Falle gelang es, die These der verbrannten Materie und deren Auferstehung zu beweisen. Vielmehr wurden die Medien als Schwindler entlarvt. Es nützte nichts, dass die spiritistischen Sitzungen entweder bei völliger Dunkelheit oder bei matter Rotlichtbeleuchtung stattfanden.

Auch das raffinierteste Kunststück kann bewirken, dass das PhönixProblem in irgendeiner Weise neu gedeutet werden kann. Verbrennen bedeutet völlige Zerstörung. Die Palingenesie gilt also heute mit vollem Recht als unsinnig und überholt.

Die Sage vom Ärchenvogel Phönix, der aus seiner Asche wiederersteht, enthält gleichwohl ein tiefes Symbol. Zunächst ist sie ein Symbol der Erneuerung und damit der ewigen Dauer. Auf einer Gedenkplatte in der abgelegenen, den Touristen weitgehend unbekannten Kirche "Santa Croce degli Armeni" in Venedig steht zu lesen: "Er lebte als Löwe, starb als Schwan und wird auferstehen wie ein Phönix."

Freitag, 22. September 2000

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