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Klimaänderungen als Motor des Fortschritts

Große Sprünge

Von Georg Breuer

Für einen Europäer des 20. Jahrhunderts scheint es selbstver
ständlich, dass das Ende der Eiszeit eine Klimaverbesserung war. Aber haben das die Menschen damals auch so empfunden? Insbesondere jene, die nicht in unmittelbarer Nähe des sich
zurückziehenden Eises lebten? Im Nahen Osten, in China oder in Peru haben die Menschen wohl nur wenig davon erfahren, dass sich irgendwo in weit entfernten Ländern Eisdecken zurückziehen und Land
freigeben. Was sie wahrgenommen haben, war eine Klimaveränderung · nicht nur eine Erwärmung, sondern auch Veränderungen der Niederschlagsmengen und ihrer Verteilung auf die Jahreszeiten,
Veränderungen der vorherrschenden Windrichtungen und anderes mehr.

Solche Klimaänderungen verursachen auch Veränderungen von Ökosystemen und Verschiebungen der Verbreitungsgebiete von Tier- und Pflanzenarten. In manchen Regionen ist das für die Menschen vermutlich
ein großer Segen gewesen. Aber anderswo sind Pflanzen, deren Früchte oder Wurzeln man bisher gesammelt, und Tiere, die man bisher gejagt hatte, immer seltener und von anderen bis dahin kaum bekannten
und vielleicht auch schlechter nutzbaren Arten verdrängt worden.

Wo das leicht zu bewerkstelligen war, haben die Menschen vermutlich auch ihr eigenes Verbreitungsgebiet mit dem der von ihnen verwerteten Tiere und Pflanzen verschoben. Aber sicherlich war das nicht
überall möglich · sei es, weil man dabei von unüberwindbaren Hindernissen wie hohen Gebirgen oder Meeren aufgehalten worden ist, oder auch weil das angestrebte Gebiet bereits von anderen Menschen
besetzt war. Man musste also andere Auswege suchen.

Flucht in die Landwirtschaft

Es ist wohl kein Zufall, dass Menschen in den verschiedensten Teilen der Welt gerade nach dem Ende der Eiszeit begonnen haben, Viehzucht und Ackerbau zu betreiben. Es handelte sich dabei durchwegs
um Regionen, wo das Klima auch vorher nicht so kalt gewesen war, dass Landwirtschaft unmöglich gewesen wäre. Aber was auch vorher wahrscheinlich schon möglich gewesen wäre, wurde nun notwendig, weil
man sich den veränderten Umweltbedingungen anpassen musste.

Der Übergang zur Landwirtschaft und schließlich auch zur Sesshaftigkeit erfolgte in verschiedenen Kontinenten offensichtlich unabhängig voneinander, jeweils mit den in den entsprechenden Regionen
heimischen Pflanzenarten. Oft wurden die Menschen zunächst nur gleichsam „Nebenerwerbsbauern", die weiterhin als Sammler und Jäger tätig waren, aber nach und nach wurden die Vorteile der neuen
Lebensweise immer deutlicher erkennbar. In den ersten Jahrtausenden nach dem Ende der Eiszeit war das Klima wärmer als heute. Durch das Abschmelzen der Eismassen näherte sich der Meeresspiegel dem
heutigen Niveau. Es gab mehr Niederschläge als heute, auch in Regionen, die jetzt sehr tro-cken sind.

Vor 5.800 Jahren ist es dann weltweit ein wenig kühler geworden als heute. In Ablagerungen aus jener Zeit tauchen auch die ersten Spuren von El-Niño-Ereignissen auf, die es vorher offenbar nicht
gegeben hatte. Das Klima begann sich neuerlich zu verändern. In Skandinavien ist es damals entgegen dem allgemeinen Trend deutlich wärmer geworden. Die Obergrenze des Verbreitungsgebietes
verschiedener Baumarten im Gebirge hat sich damals um 200 m in die Höhe verschoben. Ursache war vermutlich, dass der Golfstrom, dessen „Motor" durch das viele Süßwasser gestört gewesen war, das beim
Abschmelzen der Eiszeitgletscher in den Nordatlantik gelangt war, nun wieder zu funktionieren begann.

Antwort auf neue

Herausforderungen

Auch die Klimaveränderung vor 5.800 Jahren war in vielen Teilen der Welt von grundlegenden Veränderungen und Fortschritten der menschlichen Zivilisation begleitet. In Skandinavien hatte man auch
schon vorher ein wenig Getreide angebaut, berichtet Lars Larsson von der Universität Lund, Schweden, aber erst damals wurde der Ackerbau zur Hauptgrundlage der menschlichen Ernährung.

In China wurde im Tal des Jangtsekiang schon vor 8.000 Jahren Reis angebaut, während weiter im Norden nomadische Reitervölker lebten. Erst mit der Klimaänderung vor 5.800 Jahren hat sich der
Reisanbau auch nach Nordchina, Korea und Japan vebreitet.

In Ägypten hatte es in Gebieten, die heute Wüsten sind, nach der Eiszeit Steppen gegeben, wo nach der Regenzeit viel Gras gewachsen ist, das von den Herden nomadischer Hirtenvölker abgeweidet wurde.
Neue Forschungen von Fred Wendorf von der Southern Methodist University in Dallas, USA, haben ergeben, dass diese Hirtenvölker eine viel höher entwickelte Kultur hatten, als man früher angenommen
hatte. So haben sie schon große Steinmonumente und Grabhügel gebaut. Nach dem Klimawechsel vor 5.800 Jahren gab es weniger Niederschlag, die Steppen trockneten aus, es konnte nicht mehr viel Gras
wachsen. Was damals aus den Hirtenvölkern geworden ist, weiß man nicht genau. Möglicherweise waren sie die Vorfahren der Menschen, die einige Jahrhunderte später im Niltal die auf Ackerbau beruhende
altägyptische Kultur geschaffen haben.

An der Küste von Peru haben schon während der Eiszeit Fischer gelebt. Seit etwa 9.000 Jahren wurde dann im Hochland im Landesinneren und in Flusstälern eine primitive Landwirtschaft betrieben · ob
von früheren Küstenfischern, die wegen des mit dem Ende der Eiszeit stark steigenden Meeresspiegels ins Landesinnere ausgewichen sind, oder von neuen Zuwanderern, ist ungeklärt.

Vor etwa 5.800 Jahren ist es dann laut Dan Sandweiss von der University of Maine, USA, zu einer Verschmelzung dieser beiden Kulturen und zu einer sprunghaften Entwicklung gekommen. Es entstanden die
ersten größeren Siedlungen, vor allem in der Nähe von Flussmündungen, es wurden mehr wilde und auch schon domestizierte Pflanzen angebaut, und aus dieser Zeit stammen auch die ersten Tempelhügel und
Steinmonumente.

Sandweiss, Wendorf und andere sind überzeugt davon, dass die in vielen Teilen der Welt gerade zu jener Zeit zu beobachtende sprunghafte Entwicklung von Kulturen und landwirtschaftlichen Techniken
nicht bloß Ausdruck von Entwicklungen in der menschlichen Gesellschaft waren, sondern Anpassungsreaktionen auf veränderte Umweltbedingungen als Folge der Klimaänderung.

Literatur: „New Scientist", 22. Mai 1999, S. 38.

Freitag, 13. August 1999

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