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Die sogenannte „Verbesserte Wiener Methode" hilft weltweit,

bedrohte Zeitungsbestände zu retten

Wenn Zeitungen sauer werden

Die Nationalbibliothek und die Firma Henkel Austria haben in einem neunjährigen Versuchsprojekt die sogenannte „Verbesserte Wiener Methode" entwickelt. Dieses
Verfahren wird weltweit zur Rettung von archivierten Zeitungen beitragen und ist anderen Methoden ökologisch überlegen. Da die weltweite Bedrohung von Zeitungsbeständen dramatische Ausmaße angenommen
hat, werden Henkel und die ÖNB das Verfahren auch nicht schützen lassen, sondern via Internet (http://www.wiener-methode.at) weltweit allen Archiven und Museen frei zugänglich machen.

Schätzungen besagen, daß auf lange Sicht 30 bis 40 (!) Prozent des Schriftguts gefährdet sind. Etwa 25 Prozent der Bücher sind bereits so brüchig, daß man sie nicht mehr ohne weiteres benutzen kann.
Nun gelang es, ein Verfahren, das vom Institut für Restaurierung an der Österreichischen Nationalbibliothek entwickelt wurde, als erfolgreiche Gegenmaßnahme zur natürlichen Alterung von
Zeitungsbeständen zu optimieren.

Die Gründe für Alterung und Zerstörung von Papier sind vielfältig. Das Spektrum reicht von ungünstigen Umweltbedingungen wie Raumklima und Luftverschmutzung bis hin zum Befall durch Mikroorganismen.
Doch das größte Problem für Bibliothekare, Archivare und Restauratoren entstand durch die industrielle Produktion von Papier. Papier wird in „saurem Milieu" gefertigt. Die Restsäure im Papier
zerstört die Bindungen der Zellulose · den Grundstoff des Papiers. Das Papier vergilbt und wird brüchig.

Dabei hatte alles so gut begonnen. Im Jahre 105 n. Chr. erfand, nach landläufiger Ansicht, der Chinese Tsai Lun das Papier. Diesem handgeschöpften Papier aus Fasern und Bindemittel kann man kaum
echte Altersschwäche attestieren. Die Erfindung der Papiermaschine Ende des 18. Jahrhunderts revolutionierte die traditionelle Handwerkskunst. Doch erst mit der Erfindung des Holzschliffs durch
Gottlob Friedrich Keller im Jahre 1844 und der Harzleimung im sauren Milieu begann der „saure Fluch".

Eine neue Rohstoffquelle · Holz · und die industrielle saure Leimung des Papiers sind maßgeblich verantwortlich für die verkürzte Lebensdauer insbesondere von Zeitungspapier. Das größte Problem ist
jedoch die Leimung des Papiers im sauren Milieu auf einer Harz-Aluminiumsulfatbasis. Diese Säure spaltet die Zelluloseketten in immer kürzere Bruchstücke. Das folgenschwere Ergebnis: Papier wird
brüchig.

In der Österreichischen Nationalbibliothek sah man nicht tatenlos zu, wie sich Kulturgut unwiederbringlich selbst zerstörte. Man entwickelte 1986 die sogenannte Wiener Methode, ein Verfahren zur
Massenentsäuerung von Papier. Es basiert auf einer Tränkung des Papiers im wässrigen Medium. Dabei wird das Papier gleichzeitig neutralisiert und gefestigt. Entscheidend ist, daß ganze Buch- und
Zeitungsblöcke nach der Entfernung der Einbanddecken behandelt werden können. Im Gegensatz zu anderen Verfahren der Massenentsäuerung arbeitet man in Wien mit wässrigen Lösungen. Der Vorteil
gegenüber der Behandlung mit Gasen ist der ungefährlichere Umgang mit den Geräten. Außerdem sind die eingesetzten Lösungen umweltgerechter. Ein weiteres Plus der Wiener Methode: Die Papiere werden
mit der Behandlung auch noch gereinigt.

Schon 1990 hat Henkel ein Projekt initiiert, die Wiener Methode zu optimieren. Dabei standen vor allem die Wasch- und Tränkchemikalien auf dem Prüfstand. Aber auch neue und alternative Verfahrenswege
waren Forschungsgegenstand. Henkel und die Nationalbibliothek beauftragten die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien mit den notwendigen Versuchsreihen. Dabei konnte ein wichtiger Fortschritt
beim Puffer zur Neutralisation erzielt und die Papierfestigkeit eindeutig stabilisiert werden. Die Ergebnisse der verschiedenen Versuchsreihen wurden in künstlichen Alterungsversuchen bestätigt.
Diese zeigten, daß die massenentsäuerten Buch- und Zeitungsblöcke haltbarer sind und widerstandsfähiger gegen klimatische Einflüsse.

Die restaurierten Papiere müssen aber nicht nur haltbarer werden, sie dürfen auch nach der Behandlung keine umwelt- oder gesundheitsgefährdenden Spuren hinterlassen. Die für die Wiener Methode
verwendeten Tränklösungen und Zusätze müssen nicht eigens entsorgt werden. Es entstehen keine giftigen Dämpfe, die den Benutzer restaurierter Bücher oder Zeitungen gefährden könnten. Die Wiener
Methode verzichtet auf organische Lösungsmittel und chlorhaltige Chemikalien. Die modifizierte Wiener Methode ist neben ihrer eher kostengünstigen Verfahrensweise auch energiesparend,
ressourcenschonend und völlig umweltgerecht.

Freitag, 18. Juni 1999

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