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Der Grazer Spezialforschungsbereich „Electroactive Materials" entwickelt neue Technologien

Innovatoren als Spähtrupp

Von Werner Schandor

Mit fünf Spezialforschungsbereichen (SFBs) sind die steirischen Universitäten in der österreichischen Forschungslandschaft in vorderster Linie verankert.
Spezialforschungsbereiche sind spezielle Einrichtungen, die vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) 1993 gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium und der österreichischen
Rektorenkonferenz ins Leben gerufen wurden. Gefördert werden instituts-, aber auch universitätsübergreifende Großforschungsvorhaben mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Ziel ist es, wissenschaftliche
Netzwerke in Österreich aufzubauen und dadurch „Centers of Excellence" von internationalem Rang zu schaffen. Die durchschnittliche Fördersumme beträgt etwa 10 Millionen Schilling pro Jahr und SFB.
Bei den Grazer Universitäten schießen Land Steiermark und Stadt Graz zusätzlich 10% zu. Das budgetäre Sahnehäubchen wird einigen SFBs durch Gelder des Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank
aufgesetzt.

Univ. Prof. Jürgen O. Besenhard ist Sprecher des SFB „Electroactive Materials". Das Forschungsvorhaben, das 1995 als SFB genehmigt wurde und an dem acht Institute der TU Graz sowie eines der Karl-
Franzens- Universität Graz beteiligt sind, hat vor kurzem die erste Evaluierung · sie findet nach drei Jahren statt · erfolgreich hinter sich gebracht. Im Rahmen von „Electroactive Materials" werden
Materialien für Elektronik, für Energiespeicherung und - umwandlung zum Einsatz im HiTech-Bereich entwickelt und untersucht. Wichtige Forschungsziele sind etwa die Materialentwicklung für eine neue
Generation von Lithiumbatterien sowie die Entwicklung neuartiger, organischer LEDs (light-emitting devices) für Displays. „Die Stärke der TU liegt auf dem Gebiet der Materialentwicklung",
analysiert Prof. Besenhard die institutionellen Rahmenbedingungen „seines" SFBs. „Wichtig ist dabei, daß die Forschungsbereiche universitätsgerecht bleiben. Unsere Arbeitskräfte sind junge
Akademiker, die, verglichen mit Forschern in Labors großer Unternehmen, noch nicht so viele Erfahrungen haben. Die erfahrenen Hochschulangestellten wiederum sind vielfach mit Lehre oder
administrativen Tätigkeiten belastet. Bei der Materialentwicklung kann man die Arbeit gut in kleine Einheiten unterteilen. Das kommt der universitären Struktur und ihren personellen Möglichkeiten
entgegen."

Von den rund 70 Wissenschaftlern, die an „Electroactive Materials" arbeiten, erhalten 30 ihren Lohn rein aus den Geldern des SFBs. Prof. Besenhard charakterisiert die Arbeit des Forschungsvorhabens
als „anwendungsorientierte Grundlagenforschung". Teams, die an der Entwicklung von Materialen arbeiten, werden von grundlagenorientierten Forschergruppen unterstützt. Die oft gegeneinander
ausgespielten Paradigmen · Gewinn reiner Erkenntnis vs. Forschung, die auch auf Nutzen abzielt · gehen im SFB eine Symbiose ein. Die Arbeit der an „Electroactive Materials" beteiligten Institute
reicht von erkenntnisorientierten Themen wie der Untersuchung thermodynamischer und kinetischer Eigenschaften elektroaktiver Oxide bis hin zu eher technologischen Aufgabenstellungen, wie etwa der
Herstellung und Analyse von Oligo- und Polysilanen.

Grundlagen und Anwendung

Unterstützt werden die Forschungsgruppen von erprobten Einrichtungen der TU Graz, etwa dem Institut für Elektronenmikroskopie, wo Materialien bei Auflösungen im Nanometer-Bereich bis unter 1
Angström analysiert und dadurch bis in die Größenordnung einzelner Atome differenziert werden können. „Im Bereich der geleisteten Grundlagenforschung", so Prof. Besenhard, „ist es nur sehr
schwer möglich, den Laien auch nur an das Gebiet heranzuführen, wo für die Forscher die Fachproblematik beginnt." Die Formalismen, die der Wissenschaftler braucht, um komplexe Zusammenhänge
eindeutig darzustellen, seien zum Teil so hochspezifisch, daß sich selbst Fachgutachter von Journalen manchmal nicht durch die Formelwüste eines Spezialgebietes durchackern mögen. Leichter findet es
Besenhard, die anwendungsnahen Perspektiven zu vermitteln, die die Forschung eröffnet. Etwa bei den bereits erwähnten Lithiumbatterien: Die 1992 erstmals auf den Markt gebrachte Batterie ist in Japan
der mit Abstand meistproduzierte Energiespeicher für Handys. Dementsprechend sind Handys und andere Elektronikgeräte „Made in Japan" vor allem mit diesen Akkus ausgestattet.

In Europa befindet sich immerhin in jedem zweiten Handy ein Lithiumspeicher. Die Besitzer solcher Geräte werden wissen, daß das Tieftemperaturverhalten nicht optimal ist und das Handy, wenn es etwa
beim Schifahren nicht warm genug verstaut wurde, seinen Dienst versagt. Der Forschungsgruppe „Neue Materialien für Lithiumbatterien" geht es nun darum, Grundlagen zu schaffen, um das
Temperaturverhalten dieser Zellen zu verbessern. Darüber hinaus werden Materialien untersucht, die eine Vergrößerung des Speichervermögens erlauben, und jene leicht entflammbaren Lösungen, die die
Schutzfilme zwischen den Zellen bilden, sollen durch neue Lösungen ersetzt werden.

Dem Forschungsdrang des SFBs sind aber Grenzen gesetzt. „Was wir nicht leisten können, ist, mit unseren Forschungen professionell ein komplettes Gerät aufzubauen." Für die industrielle
Verwertung seien Partner aus der Industrie gefragt. Allein das langwierige und teure Procedere einer internationalen Patentanmeldung verschlinge Summen, die sich nur ein großes Unternehmen leisten
könne. Rund 100.000 US-Dollar seien notwendig, um sich die Rechte an der eigenen Entwicklung in den wichtigsten Staaten zu sichern. Die Bedeutung der universitären Forschungsgruppen in
technologischen Bereichen könne nur jene von Innovatoren sein, die verschiedene Problemstellungen hinterfragen. „Wir sind ein kleiner Spähtrupp, der abzieht, wenn die Armee mit ihren 100 Panzern
anrückt", beschreibt Besenhard die Rolle seiner Forschungsgruppe im Konzert der rund 1.000 Experten weltweit, die sich · meist in Labors japanischer Großkonzerne · mit dem gleichen Problem der
Lithiumbatterie befassen.

Firma entwickelt Produkt

Den Schritt zur Vermarktung der eigenen Entwicklung hat Univ. Prof. Günther Leising gewagt. Mit seinem Team entwickelte er am Institut für Festkörperphysik an der TU Graz bahnbrechende organische
Lichtemitter auf Basis von Parahexaphenyl. Sowohl die hohe Leuchtkraft als auch der niedrige Strombedarf der LEDs (light-emitting devices), die in der Herstellung wesentlich billiger kämen als die
zur Zeit eingesetzten LCDs, ermutigen zur Weiterentwicklung in Richtung Testreife. Mit Gründung der Firma SDS Display Systems GmbH, die die Entwicklung weiterbetreibt, wollte Leising „Akzente
setzen". Für den renommierten Physiker ist die strikte Trennung von reiner Forschung an Universitäten und industrienaher Technologieentwicklung der einzige Garant für innovative Forschung. „Nur in
einem Klima, wo einem keiner etwas dreinredet, kann Neues erforscht werden", ist Leising überzeugt. „Wenn eine Entwicklung Richtung Produkt geht, hat es auf der Hochschule nichts mehr
verloren."

Während bei SDS System Displays fünf Mann an der Prototypenentwicklung der auf organischer Basis leuchtenden Monitore arbeiten, ist der Grundlagenforscher Leising gedanklich schon mit einer neuen
Problemstellung beschäftigt: der Entwicklung optisch geboomter Laser, die in Chips von übermorgen Verwendung finden könnten.

So hilfreich anwendungsnahe Aspekte der Forschung im allgemeinen sind, so problematisch kann die Anwendungsnähe bei der Evaluierung der Arbeit sein. „Es gibt ein echtes Evaluierungsproblem, wenn
man es mit Forschung zu tun hat, die sich an der Technologie orientiert", sagt Prof. Besenhard. Die universitäre Meßlatte, nämlich wie viele Publikationen aus dem Projekt herausschauen, könne hier
nicht angelegt werden. Denn: „Bevor ich etwas publizieren kann, muß ich die Entwicklung zuerst mit einem Patent schützen lassen. Und das dauert im günstigsten Fall vier bis fünf Jahre, bis man
weltweit durch ist. Technologiethemen sind aus diesem Grund nicht so leicht zu bewerten. Bei Grundlagenforschungen nehmen die Gutachter von Journalen den Evaluatoren die Arbeit ab."

Die Publikationsliste, die im 282 Seiten starken Zwischenbericht über die Jahre 1996- 98 des SFBs „Electroactive Materials" aufscheint, ist dennoch beachtlich. Und auch der FWF stellt den
Spezialforschungsbereichen ein exzellentes Zeugnis aus. „Das Konzept SFB ist voll aufgegangen", sagt Dr. Rudolf Novak, Koordinator des Bereiches Großförderprogramme beim FWF. „Das Programm
,Spezialforschungsbereiche' ist eines der bestlaufenden und unbestrittensten Förderprogramme in Österreich geworden." Derzeit laufen österreichweit 15 SFBs, drei davon zu geisteswissenschaftlichen
Themen, die Mehrheit aber ist naturwissenschaftlich ausgerichtet. Jährlich kommen zwei SFBs dazu, insgesamt sollen es 20 werden. Angst, daß politische Veränderungen das Programm gefährden könnten,
hat Dr. Novak keine. „Es herrscht Konsens darüber, daß es sich um ein höchst sinnvolles Programm zur Förderung der grundlagenorientierten Wissenschaft in Österreich handelt."

Freitag, 04. Juni 1999

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