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Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Kommunizieren Zellen mittels Lichtsignalen? Die
Biophotonenforschung als Herausforderung herkömmlicher
Wissenschaft

Das innere Licht

Von René Freund

Mitte der siebziger Jahre fragte ein Student den deutschen Physikdozenten Fritz-Albert
Popp, ob er bei ihm dissertieren könne. Ja, meinte Popp, der junge Wissenschafter
solle nachweisen, daß es so etwas wie Licht in den Zellen gebe. Das sei unmöglich,
meinte der Student, denn laut offizieller Lehre wäre da kein Licht. Dann solle er eben
beweisen, daß es kein Licht in den Zellen gebe, meinte Popp. Daraufhin begann der
junge Physiker mit dem Bau komplizierter Apparate und mit nicht minder komplizierten
Messungen. Beseelt von dem Gedanken, nachzuweisen, daß eine Zellstrahlung nicht
existiere, demonstrierte er einleuchtend das Gegenteil: Nämlich, daß es das "Licht in
den Zellen" gibt - und zwar bei allen lebenden Organismen.

Verantwortlich dafür sind die Biophotonen. Seit den Arbeiten von Planck, Einstein,
Lewis und Bohr gilt in der Physik, daß Materie, Licht oder Strahlung in der Form von
Wellen oder von Teilchen auftritt. Diese Elementarteilchen heißen Lichtquanten oder
Photonen.

Mittlerweile wurde mehrfach nachgewiesen, daß auch lebende Zellen eine Strahlung
abgeben, deren Lichtquanten der deutsche Radiologe und Zellbiologe Fritz-Albert
Popp "Biophotonen" (nach griech. bios, Leben) nannte. Dieses Licht, das sich bei
Teilung, Schädigung oder Tod der Zelle verstärkt, ist so schwach, daß es erst seit der
Erfindung von hochempfindlichen Geräten gemessen werden kann.

Aus welcher wissenschaftlichen Tradition die Theorie der Biophotonen stammt, und vor
allem welche weitreichenden Konsequenzen sie nach sich zieht, beschreibt Marco
Bischof eindrucksvoll in seinem Buch "Biophotonen - Das Licht in unseren Zellen"
(Verlag Zweitausendeins). Das gut lesbare Standardwerk des seit Jahren in der
Erschließung neuer Wissensbereiche engagierten Autors hat allerdings einen Nachteil:
Bischof vermengt gelegentlich naturwissenschaftlich bewiesene Tatsachen mit
halbesoterischen Begriffen. Das erweist sich zwar teilweise als interessant und sogar
fruchtbar, geht aber manchmal auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Deshalb sei hier
zunächst einmal die wissenschaftliche Beweislage angeführt.

Die Strahlung des

Lebendigen: Fakten

Erst im Anhang seines Buches trennt Bischof Bewiesenes von Wahrscheinlichem und
rein Spekulativem: "Streng wissenschaftlich bewiesen ist heute, daß es die Biophotonen
gibt - was vor einigen Jahren noch gar nicht so sicher war. Bewiesen ist, daß es sich um
ein universelles Phänomen handelt; man ist sich heute einig, daß die
Biophotonenstrahlung nicht nur bei Gurkenkeimen, sondern bei allen lebendigen
Organismen auftritt. Bewiesen ist auch der wesentlichste Punkt der ganzen
Biophotonentheorie, nämlich daß die Biophotonen keine thermischen Photonen sind,
daß sie zum mindesten teilweise kohärent sind."

Diese Kohärenz (geordneter Zusammenhang) der Biophotonen stellt für Bischof
deshalb einen so zentralen Punkt dar, weil Gegner der Biophotonentheorie die meßbare
Zellstrahlung auf chaotische Prozesse innerhalb der Zelle zurückführen. Demnach wäre
das "Licht in den Zellen" nur eine Chemilumineszenz, also die Strahlung, die durch
zufällige chemische Reaktionen hervorgerufen würde.

Bischof hält diesem Argument die Untersuchungen des Biophotonenpioniers Popp
entgegen: Demnach handelt es sich bei der Biophotonenstrahlung um Licht mit einem
höheren Ordnungsgrad, um eine Art biologisches Laserlicht. Dieses ruhige und
gleichmäßige Licht ist dadurch in der Lage, selbst Ordnung zu bilden und Informationen
zu übertragen.

"Damit ist es auch wahrscheinlich", so Bischof, "daß die Biophotonen eine biologische
Funktion haben und daß sie als Basis eines Kommunikationsfeldes für die
Kommunikation im Inneren der Organismen fungieren." Nicht nur wahrscheinlich,
sondern sogar bewiesen sei eine starke Kopplung der Biophotonen an die DNS, die für
die genetische Information verantwortlich ist. Experimente, die vor kurzem in
Deutschland, Polen und China durchgeführt wurden, lassen den Schluß zu, daß die
veränderliche Spiralstruktur der DNS die Fähigkeit besitzt, Licht (Biophotonen) nicht
nur zu speichern, sondern auch wieder abzugeben.

Intelligente Zellen?

Obwohl diese Theorie noch nicht endgültig bewiesen ist, so mehren sich doch die
Hinweise auf die biologische Bedeutung der Biophotonen. So konnten zum Beispiel
Popp und zwei unabhängig von ihm arbeitende Forschergruppen nachweisen, daß
Phagozyten ("Freßzellen") in zwei etwa 1 cm voneinander entfernten Meßküvetten
mittels Biophotonenstrahlung miteinander kommunizieren. Auch die Reizübertragung
von Nervenzellen läßt sich nicht alleine durch chemische Botenstoffe erklären - einige
Experimente sprechen dafür, daß hier den Biophotonen große Bedeutung zukommt.

Selbst bei so komplizierten Vorgängen wie der Bildung oder der Regeneration von
Lebewesen spielen die Biophotonen möglicherweise eine entscheidende Rolle. Woher
erhält die Zelle die Signale für eine sinnvolle Steuerung dieser Prozesse? Die "Gene" der
Evolutionstheorie reichen hier als Erklärung nicht aus.

Bischofs Hypothese: Die morphogenetischen (formbildenden) Felder, als Information in
der Keimzelle gespeichert, sind elektromagnetische Felder, die ein harmonisches
Wachsen der Zelle steuern. Diese regulative Fähigkeit läßt sich übrigens auch bei
manchen ausgewachsenen Organismen beobachten, zum Beispiel dem Regenwurm, bei
dem aus Teilstücken wieder ein neuer ganzer Wurm entstehen kann. Diese
Regenerationsfähigkeit läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß die zukünftige Form
des Ganzen bereits in der einzelnen Zelle gespeichert ist.

Interessante Experimente haben gezeigt, daß die körpereigene "Reparatur" von
Verletzungen oder Amputationen auch elektromagnetisch stimuliert werden kann. Dem
amerikanischen Elektrobiologen Robert O. Becker etwa gelang es durch eine solche
Stimulierung, die amputierten Beinglieder von Fröschen wieder nachwachsen zu lassen
- ein Vorgang, der in der Natur bei Fröschen nicht vorkommt. Auch darin liegt ein
Hinweis auf eine elektromagnetische, durch Biophotonen gesteuerte Grundlage der
Lebensvorgänge im Organismus.

Das Strahlen "glücklicher Hühnereier"

Ob die Theorie nun richtig ist oder nicht - anwenden läßt sie sich bereits. Die Versuche,
eine Krebsfrühdiagnose anhand der exakten Messung der Strahlung des Blutes
vorzunehmen, sind zwar noch ebenso umstritten wie die verschiedenen diagnostischen
Möglichkeiten, die eine Biophotonenuntersuchung des Urins eröffnet. Doch an der
Hochschule von Tohoku in Japan arbeitet man seit den achtziger Jahren an der
Verbesserung der Methoden - mit einer staatlichen Förderung von 1,4 Mrd. Schilling.

Unbestritten sind dagegen die Erfolge bei der Untersuchung der Lebensmittelqualität.
Verschiedene Hersteller von Bioprodukten klagen schon lange darüber, daß es keine
einfache Methode zur Identifizierung von biologisch angebauten bzw. mittels
Kunstdünger und Pestiziden behandelten Lebensmitteln gibt. Ein Forscherkreis rund um
Popp belegte in einer Studie, die vom Regierungspräsidium in Stuttgart in Auftrag
gegeben worden war, daß Kartoffeln und andere Feldfrüchte aus biologisch-
dynamischem Anbau eine deutlich andere Zellstrahlung aufweisen als solche aus der
herkömmlichen Landwirtschaft.

Eine Doktorandin an der Universität Göttingen konnte mittels Biophotonenanalyse
verläßlich feststellen, ob Eier von Hühnern aus Legebatterien oder aus Freilandhaltung
stammten. Daraus lassen sich aber außer der richtigen Wahl des Frühstückseis noch
ganz andere Konsequenzen ziehen: Nachdem zwischen den Eiern unterschiedlicher
Herkunft keinerlei biochemischer Unterschied besteht, müßte eigentlich die Koheränz
der Biophotonen die Qualität der Eier bestimmen. Bischof: "Nach Popp sind nicht die
Kalorien (Energie) der entscheidende Nährwert, sondern die Information.
Nahrungsmittel sind eher Heilmitteln vergleichbar und übertragen ,fehlende
Schwingungen' auf den Organismus, der diese für die Regulation seiner raumzeitlichen
Rhythmik benötigt und nutzt."

Popp hat mittlerweile Meßgeräte zur Analyse von Lebensmitteln entwickelt, die
technisch so ausgereift sind, daß sie kurz vor der Markteinführung stehen.

Erfolge gibt es auch in Wien: Am Atominstitut der Universität arbeiten Forscher an der
Entwicklung von "Bioindikatoren", die mittels Photonenstrahlung Umweltschäden
anzeigen sollen.

Teleologie statt Mechanik?

So klein die Biophotonen auch sein mögen, die Folgen des Streits um ihren
tatsächlichen Einfluß auf den Organismus sind unabsehbar. Kein Wunder: Wenn die
Biophotonentheorie stimmt, dann zöge sie eine vollkommene Veränderung des
wissenschaftlichen Denkschemas nach sich. Gegen solche Veränderungen des
herkömmlichen Denkmusters, also den viel- (und viel falsch) zitierten
"Paradigmenwechsel", wehrt sich die traditionelle Wissenschaft natürlich, wofür es in
der Geschichte genügend Beispiele gibt.

Doch nicht nur diese psychologisch verständliche Abwehrhaltung wird die Diskussion
um die Biophotonen in Zukunft bestimmen, sondern auch die philosophischen
Schlußfolgerungen, die sich aus der Existenz dieser Lichtquanten ableiten. Denn wenn
die Biophotonen die Organisation des Lebens tatsächlich sinnvoll steuern, dann wackelt
der etablierte Mechanismus beträchtlich. Dieser geht von einem im Prinzip zufälligen
und deshalb nicht zielgerichteten (Imperfektionstheorie) Spiel von Ursache und
Wirkung in allen Dingen und Lebewesen aus.

Im Gegensatz dazu präsentiert die Biophotonentheorie ein teleologisches
(zielgerichtetes) Modell. Die Kohärenz der Teilchen bedeutet deren Kommunikation
untereinander, also möglicherweise eine sinnvolle Kooperation. Die moderne Physik hat
den Gedanken einer mechanistischen Determiniertheit physikalischer Vorgänge bereits
widerlegt. Wenn nun die Biophotonentheorie zutrifft, und alle Materie gewissermaßen
belebt und intelligent sein sollte, dann leben wir naturwissenschaftlich gesehen
tatsächlich in der "besten aller möglichen Welten", wie der Philosoph Leibniz schon vor
300 Jahren behauptet hatte.

Dieses überraschende Wiederaufleben der vitalistischen Tradition, wonach eine
umfassende "Lebenskraft" zweckmäßige innere Gesetzlichkeiten steuert, führt zu der
Frage, ob es hinter den Phänomenen unserer äußeren Welt eine "geistige", höhere
Steuerung gibt, letztendlich also zu der Frage, ob so etwas wie "Sinn" oder "Gott"
existiert.

Am Kreuzungspunkt zwischen Körper und Geist führt die Biophotonentheorie in
religiöse und (noch?) grenzwissenschaftliche Bereiche, zu denen Bischof auch einige
interessante Denkanstöße beiträgt. Die alte Vorstellung von einem alles
durchdringenden "Äther" oder von einem Astralkörper, der in christlichen Darstellungen
als Aureole oder Heiligenschein zu sehen ist, das indische Prana oder das chinesische
Chi erscheinen buchstäblich in einem neuen Licht. Auch Mesmers "tierischer
Magnetismus", Reichenbachs "Od" oder Reichs "Orgonenergie" feiern vielleicht
demnächst ihre Auferstehung aus der wissenschaftlichen Versenkung.

Ebenso könnten bislang rein esoterische Phänomene wie die "Aura" oder der
Heilmagnetismus biophysikalisch aufgeschlüsselt werden. Und selbst ein Begriff aus
dem Jugendjargon wird vielleicht einmal meßbar sein: Jene "vibrations", die zwischen
Menschen schwingen, die einander verstehen.

Marco Bischof: Biophotonen. Das Licht in unseren Zellen. Verlag
Zweitausendeins, Frankfurt a. M. 1995, 522 Seiten mit zahlreichen
Abbildungen.

Montag, 25. Mai 1998

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