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Nelly Amon baut Weihnachtskrippen -und vieles mehr

Maria im Blaudruckkittel

Von Maria Gornikiewicz (Text und Fotos)

Die sympathische Frau mit dem gepflegten weißen Haar hat am 17. Jänner ihren 73. Geburtstag, und ist ein Steinbock mit Dickschädel, wie sie sagt. Aber sie spricht erst allmählich und sehr zurückhaltend über ihr Leben, zieht ihre Biografie nicht hinter sich her wie einen Krönungsmantel. Dabei ist es ein Leben wie aus dem Bilderbuch: reich an Arbeit, Talenten, aber auch an Leid. Um über das Dasein der ruhigen und bescheidenen Frau Amon zu berichten, muss behutsam vorgegangen werden.

Ihre Urgroßeltern lebten im 19. Jahrhundert auf dem Sattel zwischen Altaussee und Grundlsee. Der Kalßn Kaspar hat den ganzen Winter geschnitzt und seine Arbeit im Sommer an d'Herrschaften verkauft.

Er ist für seine künstlerische Fertigkeit bekannt gewesen und hat davon leben können. "Die Herrschaften" waren damals begüterte Städter, die zur Sommerfrische die Häuser der Bauern frequentierten. Vom Kaspar dürfte die Nelly, in Altaussee geboren, in Bad Aussee in die Hauptschule gegangen, ihre Fähigkeiten geerbt haben. Vom Anwenden derselben war aber für die Tochter vom Fiedler-Bauern lange Zeit nicht die Rede. Sie durfte sich nur darüber freuen, wenn ihre Zeichnungen in der Schule ausgehängt waren. Auch der Fiedler hatte neben der Landwirtschaft Sommergäste. Ein berühmter war der Komponist Wilhelm Kienzl. Am Bauernhaus im Ortsteil Lerchenreith (Bad Aussee), das Nellys Sohn übernommen hat, findet man heute eine Gedenktafel an den Schöpfer des "Evangelimann".

Erinnerungen

Frau Amon ist längst in das schmucke Ausnahmehäusel gezogen. Auch an eine jüdische Familie, Besitzer eines Wiener Modesalons, erinnert sie sich noch gut: "Da war i so a Schuler-Dirndl. Von den Stoffresteln, die sie uns bracht haben, hat uns die Mutter was genäht." Vor dem Freitod dieser Familie (1938) hat man den Amons Schmuck vererbt. Einen Anhänger hat Nelly heute noch. Und sie hat als Mädchen sogar "Schneiderei" gelernt, jedoch kaum ausgeübt.

Die Zeit als junge Bäuerin und Mutter "mit an Haufen Kinder" (es waren fünf an der Zahl) hat natürlich nur knapp für praktische Handarbeiten gereicht. Der Luxus des Unnötigen ist erst spät in ihr Leben getreten. Nämlich als die vier Töchter und der Sohn schon groß waren, und der Mann abends mit der Musik unterwegs gewesen ist. Langsam hat es angefangen. Sie wurde Halbtags-Erzieherin bei "Jugend am Werk" und machte erst einmal Hinterglas-Malereien. Dann kam das Gestalten mit Salzteig.

Die Produkte waren in Bad Aussee als Auslagengestaltungen sehr begehrt.

Und weil die nicht mehr junge Schneiderin auch "G'wandeln" für Krippenfiguren genäht hat, ist schließlich Franz C. Lipp, Hofrat und Universitätsprofessor, der die Trachtenausstellung im Ausseer Kammerhofmuseum eingerichtet hat, an sie herangetreten. Es sollte ein dreidimensionales Schaubild nach dem Jakob Gauermanns Gemälde "Polsterltanz in Grundlsee" nachgestellt werden. "Versuch i's hoit", meinte Nelly, und der Versuch ist gelungen. Es folgte ein Diorama "Leben auf der Alm" und ein weiteres von Erzherzog Johann und Anna Plochl auf einer Plätte (nach dem Gemälde von Matthäus Loder).

Dann kam eine aufwändige Brautkrone, ein Elli-Riehl-Puppenmalkurs, Volkshochschulkurse, an denen sie teilnahm und die sie auch leitete. Zur Zeit hat Nelly ein Hoch bei Klosterarbeiten. Aber es gab auch ein großes Tief. Vor elf Jahren ist ihr Mann bei Heuarbeiten tödlich verunglückt. Durch diesen Schock dürfte bei Nelly Leukämie ausgebrochen sein. Ein halbes Jahr ist sie im Linzer Krankenhaus gelegen.

"Es is a Wunder, das i no do bin", sagt sie leise. "So arbeiten im Garten wie früher geht nimmer, aber des geht!" "Des" ist nähen, sticken, malen, zeichnen, Marterln, Gedenktafeln und Bilderrahmen renovieren. Etwas Neues ist für Nelly Amon immer interessant: "Gelingt's oder gelingt's net?" Und es gelingt fast immer. Besonders ihre Brauchtums-Figuren: die Trommelweiber, Flinserln, die Pleß, die Trachtenpuppen mit Dirndl oder Lodenrock und Lederhose, alle ungefähr 20 Zentimeter hoch. Schließlich waren alle Männer in der Familie bei den Trommelweibern und bei der Musik. Der Vater ist sogar Gründungsmitglied der Salinen-Trommelweiber gewesen. Nelly hat sich zur Brauchtumsexper tin gemausert. Zum Weiterverarbeiten sammelt sie Spitzen, Bänder, Kordeln und Drähte.

"Im Alter braucht' ma wos z'toa, sonst wird ma grantig und bes", meint sie schelmisch. Jetzt habe sie hart gearbeitet für die Römer, erzählt sie. Daraus geht hervor, dass sie eigentlich auch Kostümbildnerin ist. Denn am vierten Adventsonntag findet das Altausseer Herberg-Spiel statt. Diese uralte, mündlich überlieferte Tradition wurde hier vor fünf Jahren mit neuen Texten wiederbelebt. Gasthof, Hotel, Kirche, der Pfarrer, ja der halbe Ortsteil Fischerndorf spielt bei diesem Freiluftspiel mit. Die Authentizität ist groß, und die Römer werden rote Umhängetragen aus Nelly Amons Werkstatt tragen. Bei unserem Gespräch hängen sie noch in ihrem Vorzimmer. "Den Herold moch i no, dann is Schluss!" Gemeint ist, dass der Helm für den Herold aus dem Herberg-Spiel gerade in Arbeit ist. Wie durch ein Wunder hat sie auf dem "Fetzenmarkt" ein Buch über Passionsspiele gefunden, erzählt sie ganz stolz. Und ein anderes über Krippen. Da seien so viele Menschen daran vorbei gegangen, aber diese beiden Schätze hätten auf sie gewartet. Natürlich glaubt sie an eine Fügung und schicksalhafte Begegnung. Und natürlich hat sie das Modell für ihren Helm in dem Buch gefunden.

Weihnachtsvorbereitungen

Ein bisschen Advent- und Krippenstress hat die Nelly schon, aber auf eine bekömmliche Weise: "Das Schöne is, das ma mochen kaun, wos ma möcht!" Viel fort käme sie nicht, meint Frau Amon, aber am Wochenende ist eine in Linz lebende Tochter im Haus, die anscheinend in die Fußstapfen der Mutter tritt. Eine gestickte Krippe aus deren Hand ist der Beweis dafür. Und der Nachbar, Herr Putz, schneidet ihre auf Holz gemalten Trommelweiber mit der Laubsäge aus, und eine ehemalige Schulkollegin mit Tochter kommt zur Jause, und eine Katze ist der Nelly zugelaufen und fühlt sich als zweite bei der Hauskatze sehr wohl.

Eine andere Tochter wohnt im Nebenhaus und vertreibt Nellys Ausseer Ausschneidekrippen im Schuhgeschäft. Was das schon

wieder ist? Auch so ein Wunder! Auf dem Flohmarkt hat sie handgefertigte Papierfiguren gefunden. Nach diesem Vorbild hat sie selbst welche gezeichnet und bemalt, denn in ihrem Krippenbuch hat

sie nachgelesen, dass ihr Modell aus der Barockzeit stammen könnte, und die Paula Grogger beschreibt im "Grimmingtor" auch so eine Ausschneidekrippe, die ins Fenster auf Moos gestellt worden ist.

Bei der Verabschiedung wäre ich fast über einen alten beschlagenen Reisekoffer im Vorzimmer gestolpert. Und das war Nellys versenkbare Ausseer Weihnachtskrippe, die sich vor den staunenden Augen der Berichterstatterin auftat. Bereit zum Abholen für die Krippenschau im Kammerhof, dem bedeutenden Baudenkmal der Spätgotik und Renaissance. Dort kann man auch die Papierkrippen von Nelly Amon in Form von Ausschneidebogen erstehen, fern von Prunk, Pracht und Kostspieligkeit, doch zu Ehren der Geburt des Jesukindes. Alle sind da: Der Hirterbub hat ein Gamsröckerl an, der alte Hirte trägt seine Gaben im "Woadsack", Maria im Blaudruckkittel und Josef mit Langrock und Scheibenhut stehen im Zentrum. Kolorierter Druck, den sich jeder leisten kann.

Und die Nelly Amon wünscht sich, dass uns ihre Krippe den Sinn von Weihnachten auch in der heutigen Zeit näher bringen möge.

Krippenschau im Kammerhofmuseum Bad Aussee: Bis 6. 1. 2003, Samstag u. Sonntag 10 bis 12 und 15 bis 18, Dienstag, 24. 12. und Mittwoch 25. 12. von 14 bis 16 Uhr, Montag, 6. 1. 03, 10 bis 12 und 14 bis 16 Uhr.

Das Altausseer Herberg-Spiel findet am

22. 12. 2002 ab 18 Uhr im Kurpark Altaussee statt.

Freitag, 20. Dezember 2002

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