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Ottakringer "aus Sta"

Der Musikant und Maler Karl Hodina wurde 65
Von Reinhold Aumaier

Das Kalt/warm-Büfett entbietet u. a. Knierling mit Wurzelgemüse und Kren oder Blunzenknödel mit Kraut. Die Musik geht aufgrund der Geräuschkulisse rundum bloß unter die Haut, findet aber trotzdem bzw. gerade deshalb wie auf wunderbare Weise den direkten Weg mitten ins Herz. Es ist diese Mischkulanz aus Schmäh, Charme, Betriebsamkeit und Sentiment, die der Musi - in Fluss gebracht von jeder Menge guadn Wein - alle subkutanen Wegerl öffnet und freischaufelt. Der Mann beim Stehvierterl hält sich am nämlichen gar nicht mehr fest, weil er's eh in seit Jahrzehnten gleich bleibenden Rhythmen obistesst. Das junge Wirtspaar samt Kellnergarde passt in seiner reschen, feschen, nichts anbrennen lassenden, aber betont g'spürigen Art zum vieltönenden Ganzen. Karl Hodina - ihm zur Seite Rudi Koschelu, Kontragitarre - erregt, egal wie laut es um ihn herum zugeht, Aufmerksamkeit beim Musizieren, weil er sich selber höchst geistesgegenwärtig der gerade im Entstehen begriffenen Musik zuwendet.

Wir befinden uns draußt in Ottakring - im "Herrgott aus Sta" in der Speckbachergass'n. Dort, sozusagen im Wirtshaus zum Lied, gibt jeden zweiten und letzten Freitag im Monat das "Packl" Hodina/Koschelu seinen speziellen Fans, vor allem aber den Freunden der ungetrübten Wiener Volksmusik die Ehre. Es ist ein Heimspiel für die beiden gebürtigen Ottakringer. Aber sie nehmen nichts auf die leichte Schulter. Die Tänze, Lieder und Märsche haben Zug, die gewisse Erdigkeit vom "Grund" sowie die gerade richtige Mischung aus lockerer Ernsthaftigkeit und G'fühl.

"Karl Hodina, ein Magier der Farben und Töne" - so der Titel seines Porträts in Buchform, erschienen 1996 bei Kremayr & Scheriau -, ist so etwas wie eine lebende Legende. Gibt man der ganzen Wahrheit die Ehre: ein genialischer Musikant aus, in und für Wien.

Ohne nackte biographische Daten kein Menschenbild. Karl Hodina kam am 7. Juni 1935 um 2.45 Uhr auf die Welt. Seine Mutter hieß Karoline, sein Vater Hans. Die Zeiten damals waren bekanntlich schwer . . . Der Vater kränkelt und stirbt kurz vor Kriegsende; beide, Mutter wie Vater, geben das "ganze Geld" zwecks Talentförderung ihres kleinen Karls aus. Dem war nämlich etwas in die Wiege gelegt worden. Der eine Großvater, ein zugewanderter Schneider aus Mähren, malte in seiner Freizeit. Der andere - aus Bratislava kommend und von Berufs wegen Kanalräumer - spielte Knopfharmonika: im Bett liegend. Er sang sich - Steigerung musste wohl sein - im Spital eine ganze Nacht lang buchstäblich in den Tod.

Der talentierte Karli schult in der Lobau sein "malerisches" Auge und bekommt Klavierstunden. 1948 entdeckt er im Zuge eines England-Aufenthaltes das Walzenklavier. Es spornt ihn, wieder z'haus, zu verstärktem Klavierüben an. Nach der Schule beginnt er eine Lehre als Farbätzer. Dabei kommt er zum ersten Mal in Kontakt mit Malerei aus Meisterhand. Er begeistert sich für Jazz, geht 1956 eine erste Ehe ein, wird Vater und wagt erste Schritte in der Malerei. Schief gegangenen Versuchen steht eine positive Hans-Fronius-Kritik gegenüber. Die Zweigleisigkeit wird fortgesetzt. Seine erste Band heißt "Vienna Modern Jazz Quartett" und wird 1958 im "Jazzpodium" erstmals erwähnt. Auch als "Einsteiger" bei diversen Bands ist Hodina gern gesehen und gehört. Mitte der Sechziger kommt es zur zweiten Ehe und zur Konzentration auf die Malerei. Im Bericht über seine erste Ausstellung heißt es 1967 in der "Wiener Zeitung": "Ein neuer Trieb am Stamm des fantastischen Realismus wurde vorgestellt: Karl Hodina."

Zurück zur Harmonika

Es folgt, als Wink des Schicksals, die buchstäbliche Trübung des Berufs- und Künstlerlebens in Form einer Augenkrankheit. Er muss im wahrsten Wortsinn auf die Harmonika zurückgreifen. Sein erstes "Packl" bildet er zusammen mit Walter Auer an der Kontragitarre. Eine H. C. Artmann-Vertonung, "Fia d'Erni", wird zu seinem ersten Lied. Ein Plattenvertrag kommt zustande - und das Debütalbum "Straßenmusikant" wird gleich ein Erfolg. Auf einer Single-Platte interpretiert der Schmid Hansl des Meisters Lied für die Ewigkeit, den "Herrgott aus Stan". Anfang der Siebziger nimmt Edi Reiser den Platz an der Kontragitarre ein.

Gut Ding braucht Weile . . . aber mit der ersten gemeinsamen Single "'s Vogerl am Bam", der Musik zum Fernsehfilm "Der letzte Werkelmann" und der zweiten LP "Aus der untern Lad" entpuppt sich unser Mann ein entscheidendes Stückerl in seiner ganzen Vielseitigkeit. 1972 findet (Jazz-)Freund Raichl die optimale Brillenkombination - und plötzlich kann Hodina wieder sehen; besser als je zuvor.

Im selben Jahr kommt es zur produktiven Bekanntschaft mit Walter Pissecker. In seinem legendären "Panorama" läuft am 20. Juni 1972 ein Porträt des Karl unter dem Titel "Das moderne Wienerlied". Dazu ein trefflicher Satz aus der "Kärntner Tageszeitung": "Ein verträumtes Phänomen, ein Wanderer zwischen zwei Welten, der auf den Hinterhöfen von Ottakring das Heimweh zur Menschlichkeit sucht, findet - und weitergibt."

Zusammen mit dem Text dichtenden Walter P. verfasst Hodina 30 Lieder. Gleich als erstes eines der schönsten Liebeslieder, die in dieser Stadt entstanden sind: "I liassad Kirschn . . ." Weitere Meilensteine in den tollen 70ern: Bekanntschaft und gemeinsames Musizieren mit den großen Alten der Wiener Musik - der Maly Nagl und dem Duo Stadlmayr/Kroupa. '74 die erste umfangreiche Ausstellung seiner Malerei. 1976 gibt es eine umfassende Hodina-Retrospektive in der Arbeiterkammer. Titel: "Hodina - ein Wiener Beispiel".

Die Platte "Ein Kind aus Wien" gerät zum Höhepunkt der Zusammenarbeit mit Pissecker. Aus ihr entsteht auch ein Fernsehfilm, gedreht in Ottakring. 1979 wird Hodina Herausgeber einer Sammlung ältester, alter und neuer Wienerlieder. Titel des Bandes: "O du lieber Augustin". 1980 ist er in einer Folge der TV-Serie "Homo Austriacus" zu Gast.

Es folgen die fruchtbaren achtziger Jahre - u. a. auch in Form diverser Ehrungen. 1984 wird er zum Professor ernannt, 1987 erhält er die Ehrenmedaille der Stadt Wien und 1990 das Österreichische Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft. "Die Malerei, wie ich sie betreibe, ist im Grunde vorbei", sagt er im Gespräch. Dennoch - oder gerade deshalb - strahlen einige seiner Werke etwas Zeitloses, also auch Zeitgenössisches aus. Er versteht seine Bilder als Symbole, als Ausdruck von Seelenzuständen: "Jedes dieser Symbole bin immer wieder ich. Über mich kann ich nicht hinaus." Bei einer derart reichhaltigen Person kein Problem, möchte man hinzufügen; man sieht genug, um "mitzukommen", sich gern in seine (Bilder-)Welt versetzen zu lassen; unmittelbar berührt zu werden beispielsweise von der Federzeichnung "Wassermann". Da steht er, der Herrscher, über sein und verwurzelt mit seinem Reich; einsam und groß. Besonders eindrucksvoll ist das Bild "Schachmeister". Es zeigt den Schachsolisten, abgewandt vom fast figurenlosen Naturschachbrett, versunken in sich selbst. Hinter und neben ihm diese weite, fast leere Landschaft der Seele.

Hodina bezeichnet die Lobau als Ursubstanz seiner Malerei; dort hatte er alle "Materialien: den Fisch, den Baum, das Wasser, die Bisamratte, die Wolke und dergleichen mehr." "Die Landschaft ist für mich das große Lebewesen", sagt er - und beim Anblick der von ihm gestalteten Raststätte Arnwiesen sieht man, was er damit meint.

Zwischen Swing und Blues

Sein sowie unser Hauptohrenmerk aber gilt der Musik. Auf der 1983er-CD "I brauch Di' zum Red'n", auf der neben anderen seine langjährigen Mitmusikanten Gerd Bienert, Gitarre, und Richard Österreicher, Mundharmonika & Arrangements, mitwirken, umhüllen Swing, Blues & Bossa den Wienerlied-Kern. Manchmal geht der Swing einfach nur ins Blut. Ein anderes Mal übt sich der Liebhaber in beschwingtem Zweckoptimismus - "Heut' wo's grad so leiwand is'".

Dann aber trifft die kongeniale Paarung Hodina/Pissecker genau und ganz tief: "Kumm z'ruck" heißt das schwer bluesige Lied, dem ein Charles Aznavour mit Sicherheit weltweiten Ruhm verschafft hätte.

Die in Liebesdingen gravierendenUnterschiede zwischen gestern/heute/morgen werden in allen Schattierungen und Wehmutsgraden nachempfunden: "Der G'spass is vorbei", "Wia schaut sie aus" und "Gestern wollt i no a Kind von Dir". Hans Moser sang einst so berührend von der Sperrstund'. Pissecker/Hodina liefern mit "Die Zeit vergeht" eine inhaltlich ebenso zeitlose, was das musikalische Gwandl betrifft aber etwas zeitgenössischere Version dieses großen Themas für den Einzelnen wie für die Menschheit insgesamt.

Herzstück unter den Tonträgern des Karl Hodina ist aber doch die im Duo mit Edi Reiser eingespielte MC "Dort nur wo a Musi klingt". Dabei handelt es sich einerseits - anhand des Kronegger-Titelliedes, überlieferten und neu eingerichteten Tänzen bis zum Evergreen-Marsch "D' Klagenfurter" - um ein Zurück zu den Wurzeln der ungetrübten Wiener Volksmusik. Auf der anderen Seite stehen ein paar Solo- und Koproduktionen der beiden Musikanten. Krönung ist natürlich der immergrüne "Herrgott aus Stan" - eines der Genius-loci-Lieder vom Schlage eines "St. Luis Blues" oder "Waterloo Sunset".

Das Tempo arg zurücknehmen, um es im nächsten Augenblick erneut stark anzuziehen; das Süße mit dem Herben kontrastreich in Einklang zu bringen; Wehmut und G'spür nicht mit Larmoyanz und Trenzerei zu verwechseln - all das zu beherzigen heißt der Wiener Volksmusik die ihr gebührende höchste Ehre zu erweisen.

Mai 2000, Leopoldsdorf - knapp außerhalb Wiens. Karl Hodina probiert gerade mit Rudi Koschelu im neuen Domizil Material für die nächste, im Herbst erscheinen sollende CD. "An der Spittelauer Lände" wird sie heißen und neben zwei Nummern aus den "Kremser Alben" sowie anonym Tradiertem auch Gustostückln aus der Feder des Meisters und dem Jazz-Gitarristen Karl Ratzer enthalten.

Hodina ist gesprächig, spielt bereitwillig vor. Man lauscht als beglückter Ersthörer, stellt ein paar Fragen . . . und notiert: "Die Wiener Musik ist meiner Meinung nach eigentlich fertig. Sie entwickelt sich nicht weiter; sie verändert sich wahrscheinlich. Ich hab' ja den Jazz z. B., den Blues in sie eingebracht; ich war der Erste. Und dann kam der Neuwirth. Die Wiener Volksmusik ist meiner Meinung nach in den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts zum Höhepunkt gelangt - durch Kronegger, Schima. Die Gebrüder Schrammel waren ja schon etwas Gehobenes; irgendwo Intellektuelle - natürlich mit großem Herzen. Aber Katzenberger, Dibiasi und Weidinger - das waren die, die noch etwas naiver gedacht haben. Wir sind draufgekommen, dass, je naiver die Musik ist - also daherkommt wie schönes Wetter - umso heiliger werden diese Lieder."

Die Gläubigen verneigen sich vor dem Meister der Denkmalpflege und der Blutauffrischung. Sein Name: Karl Hodina. Seine Berufung: genialischer Musikant aus Wien.

Freitag, 09. Juni 2000

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