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Austrian Kipfler & Zinfandel

Eine kulinarische Reise durchs Napa Valley in Kalifornien
Von Bernhard Emerschitz

Als Österreicher mit einem angeborenem Hang zu gutem Essen und Trinken schraubt man seine Erwartungen in puncto Kulinarik nicht allzu hoch, wenn man zum ersten Mal nach Kalifornien reist. Ein kleiner Streifzug durch einige Restaurants und Feinkostläden im Napa Valley widerlegt aber einerseits das Vorurteil, dass alle Amis am liebsten Burger und Eiscreme aus der Dose essen, und bestätigt andererseits die Erkenntnis, dass es überall dort, wo die Menschen eine höhere (Wein-)Trinkkultur entwickelt haben - wie eben in Napa -, auch eine höhere Esskultur gibt.

"Life is a Cabernet"

Natürlich wimmelt es im "Golden State" von Burgerbuden. Aber wer sich bemüht und einen guten Pfadfinder hat, wie wir mit Erich Wagner, dem Chef einer Vinothek in Gmunden, der findet auch die versteckten kulinarischen Perlen. Unsere Reise - die Gruppe bestand aus Sommeliers, Köchen, einem Fotografen und mir - fing schon gut an. Abends Landung in San Francisco, rein in den Mietwagen und raus zum direkt auf die Felsen am Meer geklatschten Cliff House in der Nähe der Golden Gate Bridge: Traumblick auf den Pazifik, nostalgisches Ambiente, Poster von 50er-Jahre-Filmstars an den Wänden, Live-Pianospieler, delikate Speisen, große Weine. Dass die hölzernen Vorgänger des heutigen Gebäudes entweder unversehens vom Felsen ins Meer gestürzt oder abgebrannt sind, erzählt uns der Kellner zum Glück erst nach dem Essen.

Am nächsten Tag Weinverkostung bei Caymus-Wineyards. Der Boss Chuck Wagner ist das, was man sich unter einem zupackenden "Ok, let's do it"-Amerikaner vorstellt. Und er tut's hervorragend, etwa beim Cabernet Sauvignon Special Select. Dass man mit solchen Weinen alt werden kann, beweist Chucks Vater Charlie seit über 90 Jahren. Nach dem Winetasting sehen wir den alten Herrn gemächlichen Schrittes dem Privathaus zustreben - mit einem Flascherl Rot unterm Arm: Life is a Cabernet.

Wein macht hungrig. Im Städtchen St. Helena stoßen wir auf "Dean & Deluca", so etwas wie der Napa- Valley-Meinl am Graben, in dessen Sortiment sich etwa auch Austrian Kipfler Potatoes, Staud's Marmelade und "Bauernschinken" finden. Die kleinen Kostproben, die David Levine, der Cheese & Charcuterie-Manager, über die Budel reicht, sind so gut, dass man entrückt vor sich hinkaut und auf Davids Frage "You like it?" nur heftig nicken kann, weil man als Kind gelernt hat, mit vollem Mund nicht zu sprechen.

Beim "Godfather" des Weins

Anderntags ins Mekka des kalifornischen Weins, zur Robert-Mondavi-Winery: Den Fototermin absolviert er verbindlich-professionell, putzt sich vorher die Semmelbrösel von der Weste, schüttelt nachher die Hand, sagt "God bless you". Der Tourguide sagt über ihn: "He's an easy guy." Wir wundern uns trotzdem, dass alles so unkompliziert geht, denn der "lockere Bursche" ist immerhin Robert Mondavi, der Godfather des kalifornischen Weins. Steht man ihm leibhaftig gegenüber, ist man überrascht, dass dieser große Mann so klein ist. Gut, mittlerweile ist er 87, trägt ein Hörgerät, hat das Management seines Imperiums delegiert, aber er ist immer noch voll da. Wie er das macht? "Gemeinsam mit meiner Frau jeden Tag eine Flasche Wein, auf Parties mehr." Dass man hier über den McNapa längst hinaus ist, merken wir auch beim Essen in der Mondavi Winery, wo wir abseits einer großen Runde offenbar sehr wichtiger Persönlichkeiten zwar am Katzentisch, aber immerhin, zu gegrillten Garnelen und Mandeltorte geladen sind.

Eine vollkommen andere Welt begegnet uns in der etwas schmuddeligen Taco-Bar "The Red Hen". Dort darf sogar geraucht werden - in Kalifornien so erstaunlich, wie wenn es in einem Wiener Lokal erlaubt wäre, zu haschen. Das Essen - Tacos, Enchilladas, Tortillas - ist bodenständig und gleichzeitig fein.

Und entgegen unserer Erwartung längst nicht so scharf, dass man sich schleunigst einen Hydranten suchen müsste. Bessere Alternative: ein kühles Bier, das man zwischen den vielen, im Napa Valley unvermeidlichen Weinproben empfängt wie Moses das Manna - mit Freude und Demut.

René Schlatter vom Weingut Merryvale spricht Deutsch, ist introvertiert, nachdenklich, unamerikanisch selbstkritisch, und auch sonst merkt man ihm die europäischen Wurzeln - Vater Schweizer, Mutter Deutsche - an: Merryvale ist das "europäischeste" der Napa-Valley-Wineries, die Weine gleichen stilmäßig eher den Franzosen. Schlatters Restaurantempfehlung hingegen ist italienisch, oder zumindest das, was man hier für italienisch hält, das Tra Vigne in St. Helena.

"Napa Valley Italia Pizza Pasta Patio" steht auf der viel versprechenden Visitkarte. Alles in allem akzeptabel, sieht man davon ab, dass wir zu sechst auf Bänken für vier sitzen, es im Lokal so gemütlich zugeht wie in einem Busbahnhof zur Rush Hour, unser Kulinarik-Pfadfinder Erich Wagner die Sauvignon-Blanc-Enttäuschung seines Lebens hinnehmen und für sein Risotto einen Löffel ordern muss, weil es ihm sonst ständig durch die Gabel rinnt. Entschädigung: der formidable Espresso.

Jeffrey Baker von der anmutig zwischen den Hügeln liegenden Carmenet-Winery würde in Bezug auf Statur und Outfit auch als Leiter eines Holzfällercamps durchgehen. Aber wenn er "Spice and Pepper" in einem "Big Mountain Cab"(-ernet Sauvignon) und "great Jam" in einem Zinfandel diagnostiziert, ist er natürlich mit jeder Faser seines Herzens Winzer. Obwohl es Übereinstimmungen mit der italienischen Primitivo-Traube gibt, gilt Zinfandel als die Weintraube Kaliforniens schlechthin. Sie hat auch mit dem phonetisch ähnlichen niederösterreichischen Zierfandler nichts zu tun. Aus der Zinfandel-Traube werden verschiedene Weintypen bereitet: Zinfandel Rosé ist zart, halbsüß, fruchtig, jung zu trinken (eine interessante Erfahrung!).

Der klassische tiefrote Zinfandel aber wird wie Cabernet Sauvignon gemacht: längere Gärung mit den Traubenschalen, zweite Gärung und Reifung in Eichenbarriques. Die Stilistik reicht von breit, marmeladig, üppig bis zu schön ausbalancierten, tiefgründigen, raffinierten Zinfandels. Sehr wuchtige, kräftige, alkoholreiche Vertreter dieses Typs (15 Prozent sind keine Seltenheit) heißen in Kalifornien in Anspielung auf ihre mögliche Wirkung auch "Power-" oder "Killer-Zin". Um dies zu verhindern, wanken wir nach der Weinverkostung hungrig in die Oakville Grocery. Von außen eher unscheinbar, entpuppt sich das kleine Geschäft als Edelgreißlerei par excellence: Neben köstlichen Riesensandwiches, die nur den Nachteil haben, dass man zum Verschlingen ein Krokodilsmaul bräuchte, finden wir etwa auch die französische Kultschokolade "Valrhona", Tee aus Kaschmir oder Trüffelöl aus dem Piemont!

Reservierung und Sakko

Gastronomischer Höhepunkt unserer Kalifornien-Reise: Essen im vermutlich besten Restaurant des Napa Valley, im noblen Greystone. Bei Tisch kommt ausnahmsweise kein Economy-Class-Gefühl auf, weil genug Platz für alle Ellbogen ist. Die Kellner kennen sich tatsächlich aus mit europäisch inspirierter Speis' und US-Wein-Trank - und sie verabreichen einem nicht sämtliche Gänge bis zum Kaffee binnen einer Stunde, was sonst durchaus üblich ist in den Restaurants hier, weil jeder Tisch dreimal pro Abend vergeben wird. Um ins Greystone zu kommen, braucht man eine 14 Tage vorher erledigte Reservierung und ein Sakko. In Ermangelung des Letzteren setzen wir österreichischen Schmäh mit einer an Peinlichkeit grenzenden Überdosis ein, was die für Freundlichkeit sehr offenen Empfangsdamen aber nicht hindert, sich davon bestechen zu lassen. Das Greystone gehört zum "CIA". Dieses, von Spitzenwinzern wie Mondavi unterstützte Culinary Institute of America betreibt eine Kochschule und fördert nach Kräften und mit Erfolg die Entwicklung gehobener Gastronomie in der Region.

Dass Kalifornien nicht nur im Weinkeller, sondern auch gastronomisch viel zu bieten haben würde, weil schon die Gründerväter der USA Genießer waren und nicht nur gekochte Maiskolben knabberten, hätte ich ahnen können, wäre mir der Satz des Präsidenten und Feinschmeckers Thomas Jefferson schon vor meiner Reise untergekommen: "The Olive Tree is the richest Gift of Heaven."

Freitag, 15. Dezember 2000

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