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Von Tisch, Stuhl und Bett

Zur Geschichte der gängigsten Einrichtungsgegenstände
Von Karl Weidinger

1. Zum Tisch!

Ein Tisch ist mehr als ein Gestell mit einer Platte obenauf. Die Geschichte des Tischs ist eine Geschichte der Missverständnisse. Zuerst brauchte man ihn gar nicht - höchstens als Altar. Später benötigte man ihn erst recht nicht, weil man im alten Rom beim Essen lieber zu Tisch lag, und er (der Tisch) dabei eher hinderlich war. Denn man weiß - historisch gesehen - gar nicht mehr, was früher da war: Altar oder Tisch?

Der älteste Opfertisch oder Tischaltar hat grob geschätzte vier Jahrtausende auf dem Buckel. Es handelt sich dabei um einen mit Hörnern versehenen Altar aus Lehmziegeln. Ausgegraben wurde das gute (alte) Stück in der Stadt Megiddo in Palästina.

Altäre waren in vielen Religionen gebräuchlich. Man findet sie dennoch kaum bei den alten islamischen und afrikanischen Kulturen. Dort spielte sich das meiste am Boden ab. Hingegen finden sich bei den präkolumbianischen Indianerstämmen Nordamerikas freistehende, oftmals verzierte Steinaltäre. Im alten Ägypten gab es neben Opfermatten sowohl mobile als auch in Tempeln fix montierte Altartische.

Zuerst waren da Erdaufschüttungen und Steinhaufen mit großen Steinplatten, noch lange vor dem Tisch aus Holz/Metall/Glas, der dem entwickelten Menschen mit bereits funktionierendem aufrechten Gang sehr gelegen kam.

Von da an dauerte es nicht mehr lange: Bis zu unserem heutigen Möbelstück aus zumeist vier Stützen und einer oben liegenden Deckplatte zur Präsentation von Speisen oder zum Arbeiten. Dieses Möbel ging aus dem Opfertisch - und somit aus dem religiösen Kult - hervor. Mittlerweile sind viele Tische selbst zu Kultobjekten geworden.

Anfangs war der Speisetisch aus Brettern und Stützen bzw. Böcken mobil aufschlagbar. Später wurde er durch verstrebte Beine als ortsfestes Mobiliar gebaut. Beide Typen sind aus der klassischen Antike bekannt; Ägypter und Römer kannten auch den Tripoden, den dreibeinigen Tisch aus Bronze.

Aus dem Mittelalter sind kaum Tische erhalten geblieben, die als alltägliche Gebrauchsgegenstände dienten. Lediglich bildliche Darstellungen sind überliefert. Die frühesten erhaltenen Tische datieren aus dem 15. Jahrhundert und waren "eigenständige" Möbelstücke im heutigen Sinne.

Im üppigen Barock kam die Intarsienverzierung der Tischplatte auf. Gleichzeitig wurde das Tischtuch erfunden - um die kostbaren Kunstwerke vor Gebrauchsspuren zu schützen. Im 18. Jahrhundert entstanden kleinformatige Sondertischchen und kamen zu Kultehren - für die Bedürfnisse der gehobenen Schicht zu Spiel-, Näh-, Lese- und Schreibzwecken.

Nach den überladenen Formen des Historismus setzte sich eine einfachere, zweckgemäßere Gestaltung durch. Das Beistelltischchen oder der im englischen Sprachraum abgöttisch verehrte coffee-table kamen damit auf.

Und noch etwas wurde bei uns so Sitte: der round table.

"Runder Tisch" ist die Bezeichnung für ein politisches Gremium, das aus mehreren gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt ist und einen diskursiven Ausgleich mit der Staatsmacht sucht. In der heutigen Diskussion wird ein "Runder Tisch" angeregt, um kooperative Elemente in festgefahrene Situationen einzubringen.

Noch eins müssen alle Tische der Vollständigkeit halber haben - aber das ist schon wieder eine andere, die nächste Geschichte:

2. Nicht wegzudenken vom Tisch: Sessel

Der deutsche Satiriker Max Goldt schrieb unlängst in seiner humorigen Art, dass er immer gemutmaßt habe: Sessel wären die Kinder des Tisches! - Nun, so ist es nicht ganz, auch wenn dieser Idee ein faszinierender Gedanke innewohnt.

Ein Sessel oder ein Stuhl ist ein bewegliches Möbelstück für eine Person, das aus einer Sitzfläche, zumeist aus vier Beinen bestehend, einer Rückenlehne und gegebenenfalls aus Armlehnen zusammengefügt ist. Jahrtausendelang war so etwas Feudales ausschließlich den Königshäusern, dem Adelsstand, reichen Bürgern und Bauern sowie geistlichen Würdenträgern vorbehalten.

Erst im 16. Jahrhundert setzte sich dieses Mobiliar flächendeckend durch und wurde zu einem gängigen Einrichtungsstück. Geschichtlich betrachtet waren diese "Sitze" für die Herrschenden in fast allen Kulturen als Thron anzusehen - als Insignie der Macht. Regenten konnten über den gewöhnlichen Sterblichen thronen. Das unterstrich ihren auserwählten Status und hob die Vormachtstellung hervor, während das gemeine Volk wieder einmal auf dem Boden kauern musste.

Gründe der Bequemlichkeit dürften für den Gebrauch von Stühlen zunächst kaum ausschlaggebend gewesen sein, weil man damals immer noch lieber zwanglos herumlag.

Die ältesten bekannten Stühle waren niedrig, hatten gebogene Rückenlehnen und häufig Beine in geschnitzter Tiergestalt. Auf Gemälden und Wandreliefs sind solche Sessseltypen überliefert, die im antiken Ägypten benutzt wurden. In Babylonien setzte man auf Palmenholz, weil dieses leicht zu bearbeiten war.

Griechische Stühle aus Bugholz hatten häufig schräge vergrößerte Rückenlehnen zum Relaxen, die eine über den Dingen stehende Aura und den Eindruck der ruhenden Macht verströmten.

Die cathedra war ein tragbarer Stuhl, der ursprünglich von Frauen im antiken Griechenland und im Römischen Reich benutzt wurde. Später lehrten Professoren im Mittelalter und in der Renaissance von der cathedra, dem Stehpult, aus.

Das frühe Christentum beanspruchte diesen Begriff für den Bischofsstuhl. Kirchen, in denen diese sakrale Form eines Thrones stand, wurden Kathedralen genannt. Eine Kathedrale ist Sitz eines Bistums; der Sitz und Stützpunkt des Pontifex maximus im Vatikan heißt immer noch "Heiliger Stuhl".

Die Römer hatten als Sitzgelegenheit einen X-förmigen Klappstuhl mit Armlehnen, aber ohne Rückenteil - genannt "sella curulis". Auch dieses Möbel war den Herrscherhäusern vorbehalten. Als Rom zur Republik wurde, nahmen darauf nur Konsule, Zensoren und Magistrate Platz. Das imperiale Sitzding hatte Bronzebeine, die häufig Stoßzähnen von Elefanten nachgebildet waren (wie wir ja alle aus "Asterix" wissen). Besonders würdevoll waren Dreiersitze in Kirchen, die von den amtierenden Geistlichen benutzt und durch Schnitzereien, Malerei und Vergoldung kunstvoll aufgewertet worden waren.

Mit dem Aufkommen des Bürgertums fanden Stühle in Bürger- und Bauernhäuser Eingang. Sie waren in Nachahmung der herrschenden Klasse zunächst nur dem Hausherrn und seiner Frau vorbehalten. Genauso wie der "Sitz" war auch die "Ruhe" in der Position ein besonderes Privileg.

Aus dem Mittelalter stammt der Faltstuhl (Klapp- und Scherenstuhl), der nach 1500 in Deutschland Verwendung fand. Der Wechsel vom Stuhl als Machtsymbol zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand vollzog sich in der Renaissance. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts waren die europäischen wuchtigen Stühle aus massiver Eiche gefertigt und für gewöhnlich ungepolstert.

Je schwerer, desto mächtiger, lautete die herr-liche Gleichung, die sich etymologisch von Herr wie Herrscher ableiten ließ.

Später wollten Herren wie Herrscher bequemer und leichter leben, also wurden Polsterungen aus Leder sowie aus Samt und Seide eingeführt. Überhaupt begannen die französischen Könige an ihren Thronen herumzudesignen, was sich auf die Möbelmode auswirkte: Das 17. Jahrhundert imitierte allerorten die leichteren französischen Stühle. Schnitzereien fanden sich nur noch am Stuhlrahmen wieder.

Ein Jahrhundert später nahmen renommierte englische Möbeltischler leichte bis mittelschwere Veränderungen am typischen englischen Sitzwerk vor. Der erste und berühmteste unter ihnen war ein gewisser Thomas Chippendale, der den soliden Rückenteil durch ein durchbohrtes und geschnitztes leichtes Etwas ersetzte. Die Beine waren wohl proportioniert und im Schnitt entweder S-förmig geschwungen oder praktisch-quadratisch. Etwa um 1850 wurden Stühle als erste Möbelstücke industriell gefertigt. Eine Vorreiterrolle spielte dabei die Firma der Gebrüder Thonet, die Bugholzstühle aus gebogenem Massivholz herstellt.

Ab 1830 experimentierte der Firmengründer mit schichtverleimtem Holz, das der traditionellen Möbelbauweise technisch und ästhetisch überlegen war. 1836 stellte er den ersten Bugholzstuhl vor und seither ist der Thonet "No. 14" ein Begriff.

Dieser Thonet-Sessel aus Buchenholz mit der Typenbezeichnung "No. 14" war eines der ersten europäischen Produkte, das weltweit massenhaft Verbreitung fand und wurde zum Klassiker.

Das vergangene Jahrhundert brachte die Experimentierfreude der Möbeldesigner mit unkonventionellen Materialien und schuf völlig neue Formen. Die Stilrichtung um das legendäre Bauhaus zeichnete für originelle Entwürfe in den zwanziger Jahren verantwortlich. Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe und Marcel Breuer entwickelten berühmte, zeitlose Modelle: Der "Barcelonastuhl" aus Chromstahl mit Leder und Breuers einfacher "Wassily-Lehnstuhl" aus Stahlrohr mit Leinwand waren so genannte Freischwinger, die heute noch nach den Originalentwürfen hergestellt werden. Der finnische Architekt Alvar Aalto entwickelte in den fünfziger Jahren ein celloförmiges Modell zum Daraufsitzen aus Sperrholz, das heute noch in Konzertsälen, Büros, Schulen und Ämtern Verwendung findet - und gerne auch privat besessen wird.

3. Zum Bett

Wie man sich bettet - so liegt man, sagt man.

Betten waren bereits im alten Ägypten, Babylonien und Persien gebräuchlich. Außerhalb unserer (Bett-)Breiten findet man die unterschiedlichsten Schlafstätten vor. Denn jeder Mensch schläft anders.

So schliefen und schlafen die Maori in Neuseeland auf Matten aus Baumrinde. Japanische Betten bestanden ursprünglich aus einer einfachen Matratze, die entweder auf den Boden oder auf ein niedriges Holzgestell gelegt wurde: ein Vorläufer des modernen Futon. Traditionell hatte das japanische Bett eine hölzerne Kopfstütze, die das Haupt so hielt, dass die kunstvolle Frisur des Schlafenden nicht zerstört wurde. Dasselbe gilt für die Betten auf den Fidschi-Inseln. In Neuguinea wiederum sind Holzbetten mit "Kopfteil" gebräuchlich, in das Menschenköpfe zur Abwehr böser Geister geschnitzt sind.

Im Römischen Reich waren nur einfache Exemplare in Gebrauch. Von Julius Caesar wird überliefert, dass er im gleichen Bett wie seine Soldaten geschlafen haben soll. Im Kaiserreich dagegen übertrafen diese Bettstätten alle Vorläufer an Pracht und Herrlichkeit. Zu Beginn unserer Zeitrechnung kamen einfachere Formen des römischen Bettes bzw. der römischen Schlafliege auch hierzulande in Mode. Doch waren Betten für die Mehrheit der Bevölkerung lange Zeit unerschwingliche Luxusartikel.

Um das 8. Jahrhundert wurden Betten aus Bronzerohren hergestellt, die den späteren Messingbetten ähnelten. Im 12. und 13. Jahrhundert zählten Betten zum Standardmobiliar der Herrenhäuser und Schlösser, obwohl separate Schlafzimmer bis herauf ins 18. Jahrhundert noch keineswegs üblich waren. Bis dahin standen Betten im Wohnzimmer und wurden tagsüber als Liege oder Sitzgelegenheit genützt. Nachts trennte man sie einfach durch einen Vorhang ab.

Noch vor einem Menschenalter gab es bei uns so genannte Bettenburgen mit Bettgängern, die sich in der früher noch bevölkerungsreicheren k. u. k. Metropole Wien zumeist drei Arbeiter zu unterschiedlichen Schichten teilen mussten.

Mittlerweile gibt es Betten, die zu schön sind, um nur die Zeit darin zu verschlafen. Doch ein eigenes Bett und gesunder Schlaf können gar nicht ausreichend gewürdigt werden. Das weiß man erst zu schätzen, wenn man diese elementaren Dinge des Lebens nicht mehr genießen kann.

Freitag, 11. Mai 2001

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