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Eine Währung baut eine Union

Die Entstehung des Dollars - ein Vorbild für den Euro?
Von Andreas Rasp



Eine wesentliche Rolle spielt bei all den Debatten um die Zukunft Europas die Währungspolitik. Einerseits gibt es den Plan eine einheitliche europäische Währung einzuführen, anderseits aber
gibt es auch in allen Ländern mehr oder weniger hartnäckige Verfechter der traditionellen nationalen Währungen. Dazwischen besteht ein breites Feld von Unsicherheit und Irritationen. Viele Europäer
sehen nur die Verdrängung des alten gewohnten Geldes und befürchten allerlei zusätzliche Belastungen; sie bedenken kaum die neuen Dimensionen, die sich mit einer einheitlichen europäischen Währung
für die Festigung des europäischen Wirtschaftsraums und für die globale Position Europas ergeben.

Die Rolle des Dollars bei der Schaffung der USA kann verdeutlichen, was das Projekt einer gemeinsamen Währung für Europa bedeutet; denn eine Währung kann helfen, eine Gemeinschaft aus disparaten
Elementen zu bauen. Auf diesem Hintergrund soll ein kleiner Rückblick auf die Einführung des Dollars vor gut 200 Jahren gemacht werden.

Damals, im Jahre 1792, wurde der Dollar zur einheitlichen amerikanischen Währung. Es hatte zwar schon vorher Dollars gegeben; aber sie waren im wesentlichen Währungen der Einzelstaaten gewesen.

Der schwierige Beginn

Schon lange vor dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gab es in Amerika einheimische Währungen bzw. die Vorstufen dazu. Der Mangel an Bargeld führte dazu, daß die einzelnen Kolonien verschiedene
Arten von Papiergeld herausgaben. Den Anfang dazu machte 1690 Massachussetts. Der Mangel an Bargeld entstand durch die unausgeglichene Handelsbilanz zwischen den Kolonien und dem Mutterland, durch
die alles Metallgeld rasch nach Europa abgesaugt wurde. Die britische Regierung mißbilligte diese Emission von Kolonialgeld sehr scharf. London untersagte 1751 die Ausgabe von Papiergeld für
Neuengland und 1764 für alle Kolonien. Diese Maßnahme rief große Verbitterung hervor und war einer der vielen Gründe, die zur amerikanischen Revolution führten.

Nach dem Ende des Unabhängigkeitskriegs existierte nicht, wie man rückblickend vielleicht glauben mag, eine einheitliche amerikanische Nation, die von einer Woge des Patriotismus getragen, sich immer
größeren Aufgaben zuwandte. Es gab vielmehr 13 sehr unterschiedliche Staaten, die eifersüchtig ihre besonderen Züge verteidigten und sich eigentlich eher wie Keimformen von Nationen aufführten. Ein
einigendes Band bestand fast nicht.

Dabei ist auch anzumerken, daß keineswegs alle Amerikaner die Trennung von Großbritannien angestrebt hatten. Der Patriotismus war auf Teile der Bevölkerung beschränkt gewesen und schließlich hatten
weniger die Amerikaner selbst, als die französischen Expeditionstruppen die Briten militärisch besiegt; letztlich wurden aber die Briten weniger in Amerika geschlagen als zu Hause.

Bedenkt man diese Situation, so drängt sich der Vergleich mit Südamerika auf. Warum ist die Geschichte der USA und die Geschichte der ehemals spanischen Kolonien so unterschiedlich verlaufen? In
Spanisch-Amerika bildete sich aus jeder Kolonie ein eigener Staat · und diese Staaten brachen wieder auseinander und formten zahlreiche neue Staaten. Währenddessen wuchsen in Nordamerika die
einzelnen Kolonien zusammen und bildeten einen Staat und einen Wirtschaftsraum. Von vornherein gegeben war dieses Verhältnis nicht. Virginia und Maine z. B. hatten sicher nicht mehr miteinander
gemeinsam als Argentinien und Peru.

Die Antwort ist letztlich nicht auf der staatlichen, sondern auf der wirtschaftlichen Ebene zu suchen. In den nordamerikanischen Kolonien entstand ein einheitlicher dynamischer Wirtschaftsraum, der
auch die politische Angleichung mit sich brachte, während die südamerikanischen Exkolonien niemals eine derartige wirtschaftliche Gemeinsamkeit herstellten.

Politische Vereinigung durch Finanzen und Währung

Den wesentlichen Hebel für diese wirtschaftliche und letztlich auch politische Vereinigung bildete die Finanz- und Währungspolitik. Nach der Unabhängigkeit gab es in allen nordamerikanischen
Exkolonien große wirtschaftliche Probleme. Die einzelnen Staaten hatten große Schulden gemacht und viel Papiergeld gedruckt, um den Krieg finanzieren zu können. Die Währungspolitik lag damals
klarerweise bei den jeweiligen Exkolonien, da es ja eben keine "amerikanischen" gemeinsamen Institutionen gab.

Neben der Verschuldung und den inflationären Tendenzen litt die amerikanische Wirtschaft unter einer Art Nachkriegsdepression. Während des Krieges hatten die Bedürfnisse der Armeen, die
Kaperkriegsschiffahrt und die Ausschaltung der übermächtigen britischen Handelshäuser und Reeder für eine Art Konjunktur gesorgt. Nach Kriegsende standen nicht nur die Armeelieferanten und
Flottenausrüster, die Kaperfahrer und Blockadebrecher vor einer sehr schwierigen Neuanpassung; die amerikanischen Kaufleute und Reeder sahen sich wieder der alteingeführten und kapitalkräftigen
britischen Konkurrenz gegenüber.

Waren auf der einen Seite die Verhältnisse für die amerikanischen Kaufleute und die Stadtbevölkerung schwierig geworden, so kam es auf der anderen Seite auch zu Unruhen der ehemaligen
Kriegsteilnehmer und der Siedler im Hinterland. Die ehemaligen Kriegsteilnehmer drängten auf Bezahlung des ausständigen Solds; die Siedler im Hinterland stießen mit der Struktur der 13 Staaten
zusammen. Sie waren aus den jeweiligen Kolonien in die staatlich noch nicht umrissenen Räume jenseits der Alleghanies gezogen, wobei sich Siedlergruppen aus verschiedenen Staaten natürlich nicht
säuberlich getrennt, sondern durcheinander niederließen. Es war also kaum möglich, das Problem dieser Gebiete zu lösen, in dem man einfach die Grenzen der Staaten nach Westen weiterzog. Es mußten
neue Staaten gebildet werden.

Diese und noch andere Fragen erzeugten einen enormen Problemstau, der mit den Mitteln der einzelnen Staaten · ausgesprochene Kleinstaaten auch nach den damaligen Vorstellungen · nicht zu bewältigen
waren. Nicht zuletzt bestand die nicht ganz unbegründete Befürchtung, daß eine Gruppe nur locker verbundener agrarischer Kleinstaaten auf die Dauer nicht ihre Unabhängigkeit behaupten könnten.
Großbritannien saß noch in Kanada, hatte Positionen an den großen Seen und konnte jederzeit versuchen, die Unabhängigkeit der Exkolonien anzutasten.

Nachdem Frankreich Louisiana an Spanien abgetreten hatte, kontrollierten die Spanier das Mississippital und sperrten zeitweise diesen Weg für amerikanische Produkte; die spanischen Positionen umgaben
die entstehende USA von Florida bis zu den Grenzen Kanadas. Man übersieht heute oft, daß die spanische Expansion in Nordamerika im 17. und 18. Jahrhundert recht dynamisch war und von einem so wenig
gefestigten Gemeinwesen wie den frühen USA durchaus als Bedrohung verstanden werden konnte. Tatsächlich versuchte die spanische Kolonialverwaltung damals, die Grenzer im Westen zur Loslösung von der
Union zu treiben und auch anderen europäischen Mächten konnte Appetit auf Kolonialbesitz in Nordamerika unterstellt werden.

Nur ein funktionierendes Staatswesen konnte die Aufgabe anpacken, die Unabhängigkeit nach außen zu sichern und nach innen die verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Probleme zu lösen, die
sich angestaut hatten. Aber wie eben gezeigt, existierte ein solches Staatswesen in Nordamerika damals nicht. Auch die 13 ehemaligen Kolonien waren kaum als eigentliche Staaten anzusprechen. Es gab
aber eine Reihe von Fragen, die dringend und unmittelbar geordnet werden mußten. Der Nerv dieser Neuregelungen betraf das Wirtschaftsleben.

In einer Gesellschaft wie der amerikanischen der damaligen Zeit waren die Finanzen der eigentliche Kern der Staatstätigkeit: Bedienung der Staatsschulden, Ausgabe von Geld, Einhebung von Steuern und
damit auch die Finanzierung öffentlicher Aufgaben wie dem Straßenbau.

Da es keinen eigentlichen Staatsapparat, kein stehendes Heer, keine traditionellen Repräsentanten wie die Monarchen in Europa gab, konnte sich das einigende Band nur auf ökonomischen Weg bilden.

Von der Unabhängigkeit bis etwa 1790 wurde versucht, einen Rahmen für das neue Land zu schaffen. Es gab eine Verfassung, einen Präsidenten und Institutionen · aber sie alle übten kaum reale Macht
aus. Tatsächlich war schon wenige Jahre nach dem Friedensschluß die Union zu einem bloßen Schatten herabgesunken. Es gab Handelskriege und sogar bewaffnete Konflikte zwischen den einzelnen Staaten ·
so kämpften etwa Connecticut und New York um das Gebiet von Vermont; Pennsylvania griff im Wyoming Valley (nicht zu verwechseln mit dem Bundesstaat Wyoming im Westen) Siedler aus Connecticut an. Der
Kontinentalkongreß, der eine neue Verfassung beschloß und eine Regierung ins Leben rief, die diese Mißstände steuern sollte, stand zunächst fast in einem luftleeren Raum. Es fehlten ihm die
Machtmittel, das als richtig Erkannte auch durchzusetzen. Die Verhältnisse in den damaligen USA charakterisiert George Washington sehr treffend 1788 in einen Brief an Lafayette: "Es wäre müßig,
unsererseits an Handelsverordnungen zu denken. Ein Staat beschließt ein Schutzgesetz gegen irgendeinen Artikel, ein anderer Staat öffnet ihm weit den Zulassungsweg. Eine Versammlung macht einen Plan,
eine andere macht ihn zunichte."

Die Lehre des Dollars

Etwa 1790 stand Nordamerika am Scheideweg: Würde die wirtschaftliche Entscheidungskompetenz bei den Einzelstaaten bleiben und würden damit diese Staaten sich zu realen Staatswesen verfestigen?
Dann würde die Union ein bloßer Schatten eines Staates sein wie das Heilige Römische Reich und sich wohl bald in seine Einzelteile auflösen wie das spanische Amerika. Oder würde die entscheidende
Wirtschaftskompetenz zu der Union übergehen und damit ein Staatswesen auf kontinentaler Basis entstehen?

Die USA wählte den zweiten Weg. Das war zu einem beträchtlichen Teil das Verdienst Alexander Hamiltons. Er setzte mit vielen Kompromissen durch, daß die wirtschaftliche und Währungskompetenz sich
beim Bund konzentrierte. Der Bund übernahm die Schulden der Einzelstaaten und hatte damit auch die Handhabe, Steuern und Zölle einzuführen, um diese Schulden bedienen zu können. Eine Nationalbank als
Aktiengesellschaft wurde eingesetzt, die als einzige das Recht hatte, Banknoten auszugeben.

Das war der entscheidende Wendepunkt. Bis jetzt hatte es zwar den Dollar als Name gegeben; real war er jedoch nur in Form der Währungen der 13 Einzelstaaten vorhanden gewesen. Mit dem Übergang der
Währungsausgabe und der Währungskontrolle von den Einzelstaaten wurde die Weiche gestellt zur Schaffung der USA selbst.

In anderen Ländern, so in den alten Staaten Europas, war die politische Macht im Gleichklang mit der Währungsentwicklung gewachsen oder war ihr vorausgegangen: Ein Monarch oder eine sonstiges bereits
etabliertes politisches Machtzentrum zog die Finanzpolitik an sich.

Amerika ging den umgekehrten Weg. Die Staatsgewalt wurde von der Währung her aufgebaut. In Zukunft waren auch die Siedler an der Grenze durch das Band des Dollars, durch die Zölle und Steuern mit dem
Staat verbunden. Der Trapper und Pelzhändler an den Grenzen kaufte für Dollars ein und verkaufte für Dollars; auf den Waren, die er erwarb, lagen die Steuern und Zölle ebenso, als ob er sie direkt
entrichtet hätte.

Damit hatte Hamilton einen neuen Weg zum Aufbau eines Staates gefunden. Nicht mehr die monarchische, feudale oder kirchliche Macht oder überkommene Stammesstrukturen lieferten die Grundlage des
Staates, sondern die Währung, die Nationalbank und die Staatsfinanzen. Damit war der Dollar in eine Funktion eingerückt, die keine Währung vor ihm hatte · er wurde zu einem aktiven Faktor der
Politik, ja zum Mitschöpfer einer Nation.

Auch wenn in Europa nicht die Schaffung einer Nation unmittelbar auf der Tagesordnung steht, so zeigt doch die Geschichte der USA, daß ein einheitlicher und abgestimmter Wirtschaftsraum eine
gemeinsame Währung benötigt. Sie zeigt ebenso, daß eine solche gemeinsame Währung auch einen mächtigen Impuls für politische Zusammenschlüsse bedeutet, die auf freiwilliger Zusammenarbeit und nicht
auf Eroberung beruhen.

Freitag, 08. Mai 1998

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