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Als die Kirche springen woll te

Vor 40 Jahren, am 8. Dezember 1965, endete in Rom das Zweite Vatikanische Konzil
Die Bischöfe (Konzilsväter) beim Auszug aus der Konzilsaula in der Peterskirche. Foto: Archiv

Die Bischöfe (Konzilsväter) beim Auszug aus der Konzilsaula in der Peterskirche. Foto: Archiv

Von Heiner Boberski

Das Zweite Vatikanische Konzil, das als 21. ökumenisches Konzil gilt und vor genau 40 Jahren zu Ende ging, war die größte Kirchenversammlung in der 2000-jährigen Geschichte der Christenheit. Papst Johannes XXIII. (1958–1963) hatte es am 25. Jänner 1959 in der römischen Basilika St. Paul vor den Mauern angekündigt, am 25. Dezember 1961 offiziell einberufen und am 11. Oktober 1962 mit einer denkwürdigen Rede, in der er den Schwarzmalereien der "Unglückspropheten" seine Hoffnung auf eine erneuerte, den Dialog mit der modernen Welt führende Kirche entgegensetzte, eröffnet.

Drei Jahre lang waren insgesamt rund 3000 Konzilsväter (Kardinäle, Patriarchen, Bischöfe und Äbte) in unterschiedlichem Maß bemüht, dem Wunsch des Papstes nach "aggiornamento", nach einer "Verheutigung" der römisch-katholischen Kirche, zu entsprechen. An den Sitzungen im Petersdom nahmen auch mehr als 100 Beobachter-Delegierte nichtkatholischer Kirchen und Gemeinschaften teil.

Zweifel der Kurie

Johannes XXIII. wollte die Fenster der Kirche öffnen und frische Luft hereinlassen. Es ging ihm nicht um die Anpassung an einen modernen Zeitgeist, sondern um eine Standortbestimmung der Kirche, um eine Reform nicht mehr tragbarer Strukturen und um eine zeitgemäße Art der Verkündigung.

In der römischen Kurie stand man dem Unterfangen von Anfang an kritisch gegenüber. Da das Erste Vaticanum 1870 das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes verkündet hatte, sahen manche gar keinen Bedarf mehr an einem Konzil – im Ernstfall könnte ohnehin der Papst "ex cathedra" ohne lange Beratungen Glaubens- und Sittenfragen entscheiden. Dass der als "Übergangspapst" nach Pius XII. (1939–1958) gewählte Patriarch von Venedig, Angelo Giuseppe Roncalli, ein so dynamisches Pontifikat entfalten würde, hatte man nicht erwartet. Die Strategie der Kurie, bei der Besetzung der Kommissionen hauptsächlich ihr genehme Personen und bei der Erstellung der Themen ihre Vorstellungen durchzusetzen, scheiterte am erwachenden Selbstbewusstsein der Konzilsväter.

Schon in den ersten Sitzungen erkämpften sie mit dem Kölner Kardinal Josef Frings und Kardinal Achille Liénart von Lille an der Spitze volle Redefreiheit und Beschlussfähigkeit über die Zusammensetzung der Gremien und die Liste der Themen. Hinter Frings war als theologischer Berater ("peritus") Joseph Ratzinger, der heutige Papst Benedikt XVI., am Werk. Den konservativen Flügel führte der italienische Kardinal Alfredo Ottaviani an, Präfekt des Heiligen Offiziums, jener Behörde, die einst den Namen "Inquisition" trug und später die Bezeichnung "Kongregation für die Glaubenslehre" bekam. Diese Kurienbehörde wurde bekanntlich von 1981 bis 2005 von Ratzinger geleitet.

Aus der Vielzahl bedeutender deutschsprachiger Konzilsväter ragten noch der Wiener Erzbischof Kardinal Franz König, als dessen "peritus" der angesehene Jesuit Karl Rahner agierte, der Münchner Oberhirte Kardinal Julius Döpfner und der deutsche Kurienkardinal Augustin Bea, Präsident des Sekretariats für die Förderung der Einheit der Christen, heraus. Das später von Rahner mit Herbert Vorgrimler herausgegebene "Kleine Konzilskompendium" (2004 in 34. Auflage bei Herder erschienen) mit den Texten aller Konzilsdokumente ist zum Standardwerk für alle geworden, die sich rasch, aber umfassend über das Konzil informieren wollen.

Von den theologischen Beratern brachten sich noch die beiden Schweizer Hans Urs von Balthasar und Hans Küng stark in die Gespräche ein. Zu den Abstimmungen in der Konzilsaula im Petersdom waren aber nur offizielle Konzilsväter zugelassen.

Mit Johannes XXIII., der im Juni 1963 starb, wurde, wie Kardinal König einmal formulierte, "der Glanz des Konzils" verbunden, mit dem neuen Papst, Paul VI. (1963–1978), "die Last des Konzils". Der am 21. Juni 1963 zum Petrusnachfolger gewählte Kardinal-Erzbischof von Mailand, Giovanni Battista Montini, zögerte nicht, das mit dem Tod des Vorgängers automatisch abgebrochene Konzil fortzusetzen und mit Mühe zu Ende zu bringen.

Das Konzil verstand sich als "pastorales Konzil". Es verkündete keine Dogmen, doch es erarbeitete 16 Dokumente (zwei dogmatische und zwei pastorale Konstitutionen, neun Dekrete und drei Erklärungen). Darin wurden Aussagen gemacht, die vielen heute selbstverständlich erscheinen, aber gegenüber früheren Kirchentexten zumindest den Versuch eines Sprunges über eigene Schatten darstellten. Die Texte widerspiegeln das neue Selbstverständnis der Kirche, ihre offene Haltung zur Welt. Die Liturgie wurde reformiert, die Landessprache möglich (aber nicht zur Pflicht) gemacht, die Rolle der Laien aufgewertet.

Besondere Bedeutung erlangten die Erklärungen zur Religionsfreiheit und über das Verhältnis zu den anderen christlichen Konfessionen sowie zu den nichtchristlichen Religionen, insbesondere zum Judentum – an letzterem waren Kardinal König und der aus Mähren stammende, 1938 aus Österreich geflüchtete Prälat Johannes Oesterreicher federführend beteiligt.

Fast alle Texte wurden mit einer überwältigenden Mehrheit beschlossen. Das lag auch daran, dass auf Wunsch von Paul VI. in umstrittene Dokumente noch Formulierungen eingebaut wurden, die auch dem in der Minderheit befindlichen konservativen Flügel der Kirche die Zustimmung erleichtern sollten, jenem Personenkreis, der ursprünglich gar kein Konzil wollte oder jedenfalls nur eines, das von der römischen Kurie vorbereitete Texte kritiklos absegnen sollte.

Konflikte nach Konzilende

Mit dem imposanten Abschlussgottesdienst vor 40 Jahren – am 8. Dezember 1965 – ging das Konzil zu Ende, der Konflikt über die Umsetzung ihrer Impulse aber erst richtig los. Konservativen Kirchenkreisen war es viel zu weit gegangen, einzelne scheuten sich nicht, Verleumdungen über Johannes XXIII. zu verbreiten und diese mit dem Satz "Aber er war doch schuld am Konzil" zu rechtfertigen. Der progressive Flügel sah das Konzil schon durch die "kompromisslichen" Endformulierungen "im Sprung gehemmt" , wie es der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl, seinerzeit Stenograf beim Konzil und langer Weggefährte Kardinal Königs, in einem Buchtitel ausdrückte. Er rät heute dazu, die Konzilstexte neu zu lesen, und zeigt sich enttäuscht darüber, "dass man die Vorgaben des Konzils nicht konsequent weiterdenkt und in die Tat umsetzt" .

Die Geschichte lehrt, dass auf jedes Konzil eine Zeit der Krise folgte, die mitunter Jahrhunderte dauern konnte. Im Fall des Zweiten Vaticanums verschärfte das bald darauf folgende Jahr 1968 mit seinem kulturellen Umbruch, aber auch mit der damals von Papst Paul VI. veröffentlichten, eine "künstliche" Empfängnisverhütung ablehnenden Enzyklika "Humanae vitae" die Konflikte innerhalb der Kirche, die bis heute nicht zur Ruhe gekommen ist.

Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, hat vor wenigen Wochen beim "Dies facultatis" der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät betont, das Konzil habe die Öffnung der Kirche zur Welt gewollt, aber stattdessen habe sich die Kirche mit sich selbst beschäftigt. Das Konzil habe mit Laienapostolat nicht nur das innerkirchliche Engagement der Laien gemeint: "Statt den Geist des Evangeliums durch die geöffneten Fenster und Türen in die Welt hinauszutragen, ist vielfach der Geist der Welt in die Kirche hereingekommen."

Auch Weihbischof Krätzl ortet statt einer Öffnung zur Welt ein Zurückziehen in eine Spiritualität der eigenen Genügsamkeit: "Die Kirche scheut zu sehr die Auseinandersetzung mit der Welt." Es fehle das "herausfordernde Gespräch mit der Politik".

Die Zeit für ein neues Konzil halten viele für noch nicht reif. Die Bischofsernennungen der letzten Jahrzehnte, die vorwiegend den konservativen Flügel gestärkt haben, würden eher eine Korrektur des Zweiten Vatikanischen Konzils als einen neuen mutigen Aufbruch erwarten lassen.

Freitag, 02. Dezember 2005

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