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Sankt Stephans Kunstschätze

70 Jahre Dom-und Diözesanmuseum in Wien
Von Johann Werfring

Am vergangenen Dienstag, dem 3. Juni, feierte das Dom- und Diözesanmuseum Wien den 70. Jahrestag seiner Gründung. Die Eröffnung der bemerkenswerten Sammlung erfolgte in der Amtszeit des Kardinals Innitzer (1875-1955). Sie umfasste in den Anfängen im Wesentlichen Kunstschätze aus der Domkirche zu St. Stephan und - zum kleineren Teil - auch aus anderen Gotteshäusern Wiens.

Während das Museum zunächst vorwiegend Objekte aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit beherbergte, kam in den 70er-Jahren des jüngst verflossenen Säkulums die so genannte "Sammlung Mauer" hinzu. Der Leiter der "Galerie nächst St. Stephan", Monsignore Otto Mauer, hatte nämlich in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg einer Reihe von jungen Künstlern, unter ihnen Boeckl, Rainer und Mickl, eine Möglichkeit zur Präsentation ihres Schaffens geboten und mehr als 3000 Kunstwerke erworben, die er dem Prälaten Karl Strobel vermachte, welcher sie im Jahr 1980 dem Dom- und Diözesanmuseum übereignete. Nicht wenige der Künstler, von denen sich Bilder in der Sammlung befinden, genießen heute Weltruhm.

Die bedeutendsten Exponate des Museums stammen freilich aus dem ursprünglichen Fundus. Das bei weitem wertvollste Museumsstück ist das um 1365 entstandene Bildnis Rudolfs IV. (1339-1365), mit dem es eine ganz besondere Bewandtnis hat. Wenn der gelernte Restaurator und jetzige Direktor des Dommuseums, Gerhard Ederndorfer, bei seinen engagierten Führungen auf das Bild zu sprechen kommt, gerät er regelrecht ins Schwärmen. Das farbige Porträt stellt einen König mit Zackenkrone und Stirnbügel dar, der auf den Betrachter einen etwas geistesabwesenden Eindruck macht. Auf dem originalen Rahmen prangt die Aufschrift "Rudolfus Archidux Austriae & cetii" (= Rudolf, Erzherzog von Österreich et cetera). Indes war Rudolf in seinem ganzen Leben weder König noch Erzherzog gewesen - letzterer Titel existierte damals als Adelsprädikat überhaupt nicht!

Die Geschichte eines Titels

Pointiert und spannend setzt Ederndorfer seinen Besuchern die Hintergründe der seltsam anmutenden Titelanmaßung auseinander: Bereits in jungen Jahren (1354) traf Rudolf als Sohn eines Herzogs im Stift Zwettl auf seinen späteren Schwiegervater, der als Karl IV. (1316-1378) den römisch-deutschen Kaiserthron bestiegen hatte. Noch heute ist das Handschreiben eines Zisterziensermönches aus jener Zeit erhalten, das die Begegnung schildert: "Der Kaiser kam aus Prag. Aus Wien traf der junge Rudolf mit großem Gefolge ein und trat auf wie ein römischer König."

Wenig später, und zwar im Jahr 1356, erließ Karl IV. die "Goldene Bulle", womit erstmals und endgültig die Kaiserwahl und die Stellung der Kurfürsten geregelt wurde. Dass das österreichische Herrscherhaus von der Kurfürstenwürde ausgeschlossen bleiben sollte, war für den ehrgeizigen Rudolf ein unerträglicher Gedanke. Prompt ließ er (unter dem Datum des "Privilegium minus", womit Österreich 1156 als Herzogtum einen besonderen Status erhalten hatte) eine Serie von gefälschten Urkunden anfertigen (später als "Privilegium maius" bezeichnet), die allesamt in alte Zeiten rückdatiert wurden. Mit ihrer Hilfe sollte eine Angleichung der österreichischen Herrschaft an die Stellung der Kurfürstentümer bezweckt werden. Allerdings verweigerte Kaiser Karl IV. dem von Rudolf präsentierten Privileg, welches (vorgeblich) nicht nur auf Friedrich I. Barbarossa (1122-1190), sondern auch auf römische Imperatoren, namentlich auf Kaiser Nero und Julius Cäsar, zurückgehen sollte, seine Anerkennung, nachdem es von dem bedeutenden Humanisten Petrarca (1304-1374) als Schwindel entlarvt worden war.

Jedoch ließ sich Rudolf von diesem Misserfolg keineswegs aus der Bahn werfen, so Ederndorfer, sondern strebte nun umso mehr nach höchsten Würden, indem er in Wien geradezu kaiserlichen Prunk auffahren ließ. Sobald Karl IV. an seinem Herrschersitz ein großes Bauwerk, etwa den Prager Dom, ins Werk setzen ließ, tat es ihm Rudolf in Wien gleich mit der Errichtung des gotischen Stephansdomes und anderer großartiger Gebäude. Die Rivalität des österreichischen Herzogs mit dem Kaiser hat Wien groß gemacht.

Das Rudolfsporträt ist in diesem Zusammenhang als ein sehr starkes Symbol zu verstehen, mit dem der Abgebildete signalisieren wollte, dass an den aufstrebenden österreichischen Herrschern in Reichsangelegenheiten künftighin kein Weg vorbeiführen würde. Schon zu seinen Lebzeiten ließ er es im Chor der damals noch romanischen Stephanskirche aufhängen. Das war zu jener Zeit eine Ungeheuerlichkeit, denn bis dahin hatte man in den Gotteshäusern des Landes bloß sakrale Bilder gesehen. Das Platzieren des Porträts im Kirchenraum verlieh dem Herzog etwas Sakrosanktes, wie es ja nur einem König zukommen konnte.

Zwar sollte der titelanmaßende Herzog zu Lebzeiten nicht vollkommen an sein Ziel gelangen, jedoch setzte sich der von ihm erfundene Titel späterhin durch, denn als Friedrich III. (1415-1493) den Kaiser-Thron bestieg, kam es zur Anerkennung des Privilegium maius. Und das Rudolfsporträt hing noch bis zum 17. Jahrhundert im Wiener Stephansdom.

Wer das Rudolfsbildnis näher betrachtet, wird bemerken, dass der Herzog zu jener Zeit, als dieses angefertigt wurde, bereits von Krankheit gezeichnet war. Aus den schlaffen Gesichtszügen kann durchaus eine schwere Form von "Facialis parese" herausgelesen werden. Dass Rudolf aber nicht nur an einer hartnäckigen Gesichtslähmung litt, erklärt der Museumsdirektor mithilfe einer Schilderung der allgemein harten Lebensumstände zu jener Zeit, denen mitunter selbst ein Herrscher ausgesetzt war. Als Rudolf schließlich 1365 in Mailand seine Augen für immer schloss, wurde der leblose Körper zum Zwecke des langen Transports nach Wien in Kuhhäute eingenäht. Da der solcherart verschnürte herrscherliche Leichnam, der während der langen Reise immer wieder in Kirchen aufgebahrt wurde, keinen schönen Anblick darbot, umgab man das menschliche Paket mit einem prunkvollen Tuch, das zuvor dem persischen Herrscher Abdu Said gehört hatte. Das golddurchwirkte herzogliche Leichentuch aus feinster Seide, das heute im Wiener Dom- und Diözesanmuseum zu bestaunen ist, nimmt Ederndorfer zum Anlass, seine Zuhörer in die Welt des venezianischen Handels jener Zeit zu entführen und ihnen die Hintergründe der mittelalterlichen Tuchherstellung zu erläutern. Kilometerlang seien die die Seide durchwirkenden feinen Goldfäden, welche in zahllosen Arbeitsstunden zunächst gezogen, gehämmert und dann wieder gezogen wurden, ehe sie in das wertvolle Prachtgewand eingearbeitet werden konnten.

Zwei kostbare Flaschen

Weitere "Highlights" des Museums sind zwei syrische Glasflaschen aus dem 13. Jahrhundert, in denen der Legende nach im Gefolge des Kindsmordes von Bethlehem das Blut der "unschuldigen Kinder" aufbewahrt wurde. Die beiden einzigartigen Gefäße, denen ein Versicherungswert von rund vier Millionen Euro zukommt, sind nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine kunsthandwerkliche Meisterleistung. Bei den seltenen Handhabungen dürfen sie nur von Experten mit weichen Stoffhandschuhen berührt werden. Ausgerechnet am pechschwarzen 11. September 2001 waren die beiden unersetzlichen Museumsstücke nach Amerika unterwegs, wo sie in der Ausstellung "The glas of the Sultan" zur Schau gestellt werden sollten. Wegen der New Yorker Katastrophe musste die Ausstellung auf mehrere Wochen verschoben werden, weshalb die wertvollen Leihgaben länger außer Landes blieben als geplant.

Eine eigene Führung widmet Direktor Ederndorfer dem großartigen "Ober St. Veiter Altar" aus der Zeit der Gotik. Aspekte des Alltagslebens spielen bei solchen Veranstaltungen, bei denen es sich die Museumsbesucher jeweils mit Sesseln vor dem riesigen Altar gemütlich machen dürfen, ebenso eine Rolle wie kunst- und wissenschaftsgeschichtliche Belange. Kein Geringerer als Albrecht Dürer (1471-1528) hat bei dem dreiteiligen Flügelaltar die Vorzeichnung gemacht; die Ausführung in Ölfarben übernahm dessen Schüler Hans Schäufelein.

Albrecht Dürer ist derzeit (noch bis 28. Juni) im Rahmen einer großartigen Sonderausstellung im Dom- und Diözesanmuseum Wien zu Gast. Die Ausstellung "Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk" findet zum 475. Todestag des Meisters statt. Es darf vermutet werden, dass das Wiener Dommuseum mit dieser hervorragenden Schau nebenbei auch seinen Stammgästen ein reizendes Geschenk zum 70. Bestandsjubiläum machen wollte.

Erzbischöfliches Dom- und Diözesanmuseum 1010 Wien, Stephansplatz 6. Geöffnet Di. bis Sa. 10-17 Uhr, Eintritt: 5 Euro, Führungen nach Voranmeldung. Info: 01/515-52/36 89 bzw. http://www.dommuseum.at

Gratisführung für Leser
Am Mittwoch, 11. Juni, 18 Uhr, findet im Rahmen der Medienpartnerschaft, die das Dommuseum mit der "Wiener Zeitung" auf Dauer der Dürer-Ausstellung eingegangen ist, für "Wiener Zeitung"-Leser bei freiem Eintritt eine Führung mit Direktor Gerhard Ederndorfer statt. Bitte um verbindliche Anmeldung unter 01/206-99/515 od. j.werfring@wienerzeitung.at Da aus organisatorischen Gründen nur eine begrenzte Personenanzahl teilnehmen kann, wird die Reihung nach dem Zeitpunkt der Anmeldung vorgenommen.

Freitag, 06. Juni 2003

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