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Auferstehung per Hebeldruck

"Heilige Gräber" erleben im Alpenland eine Renaissance
Von Reinhard Kriechbaum

Früher, als er noch Ministrant war, so erinnert sich ein alter Mann aus Salzburg, da gab's halt noch was zu schauen bei der "Auferstehung". Der "Grablieger" (also die Figur des im Grab liegenden Christus) wurde an der passenden Stelle des Gottesdienstes mit einer Apparatur, wie sie auch an Theatern üblich ist, "in die Versenkung" geschickt - zugleich wurde mit einem Seilzug der Auferstandene hochgezogen. Und plötzlich, wie von Geisterhand herbeigeholt, saß eine weiß gewandete Engelsfigur in der jetzt leeren Grabkammer. Dazu das Brausen der Orgel und Glockengeläut . . .

In Kufstein (Tirol) haben sich zwar nur kärgliche Überreste des einst so raffiniert bewegten "Heiligen Grabes" erhalten - aber es gibt noch einen alten Papier-Ausschneidebogen, der zeigt, wie die Mechanik ursprünglich funktioniert hat: Durch Umlegen eines kleinen Hebelchens brachte man die Auferstehung in Gang!

Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils hat solchem "Maschinentheater" in der Kirche ein Ende gemacht. Oder doch nicht ganz? In Tirol, Oberbayern und Salzburg ist derzeit eine Renaissance der Heiligen Gräber zu beobachten. Es sind Anlagen, die Erwachsene wie Kinder staunen lassen. Die Fenster der Kirchen oder Kapellen, wo die Heiligen Gräber aufgestellt werden, sind meist mit schwarzen Tüchern verhängt. Die Grabanlage wird mit Kerzen erhellt, die hinter mundgeblasenen, mit gefärbtem Wasser angefüllten Glaskugeln stehen. Das flackernde Kerzenlicht bricht sich und erzeugt eine magische Stimmung. Im Zentrum der Anlage steht natürlich die Grabkammer mit einer gemalten oder plastisch gearbeiteten Figur des toten Christus. Die römischen Grabwächter sind meist auf Pappe oder Holzbretter gemalt. Mancherorts rahmen zudem bogenförmige Kulissenteile das Heilige Grab ein. Über dem Grab steht eine mit weißem Tuch verhüllte Monstranz.

Kugeln, mit Rotwein gefüllt

Wo jetzt Heilige Gräber aufgebaut werden - und das geschieht in gar nicht so wenigen Kirchen -, sind sie Anziehungspunkte für Gläubige und Schaulustige. Rund 15.000 Menschen kommen, wenn alle drei Jahre (das nächste Mal 2004) das Grab in Höglwörth, einem ehemaligen Kloster im bayerischen Rupertiwinkel, aufgestellt wird. Es ist riesig und nimmt den ganzen Altarraum ein. Ausgeklügelte Mechanik lässt Engel mit Kerzen und "Arma Christi" (den Leidenswerkzeugen) vorbeifliegen. Vor dem Heiligen Grab prangt Blumenschmuck, der den Garten Gethsemanae versinnbildlicht, wo laut Bibelbericht Jesus von Judas mit einem Kuss begrüßt und von den Soldaten gefangengenommen wurde.

Mitten in der Stadt Salzburg, in der Stiftskirche St. Peter, wird seit einigen Jahren ebenfalls wieder ein Heiliges Grab aufgestellt. Gut eine halbe Stunde ist Frater Gerhard damit beschäftigt, die Kerzen hinter allen 180 wassergefüllten Glaskugeln anzuzünden. In früheren Jahrhunderten war das Färben des Wassers ein Geheimnis, das von Mesner zu Mesner weitergegeben wurde. "Ich habe einfach Malfarbe genommen, wie sie zum Marmorieren verwendet wird." Andere Mesner schwören auf Farben, wie sie zum Färben der Eier im Supermarkt bereit liegen.

Im schweizerischen Sankt Gallen hat man einst Kugeln mit Rotwein gefüllt, um rotes Licht zu erhalten. Wenn dann das Heilige Grab abgebaut wurde, war das eine feucht-fröhliche Angelegenheit. Manche Helfer sind verständlicherweise nach der Fastenzeit einem guten Schluck nicht abgeneigt gewesen - von "lockerer Stimmung" ist in einer alten Chronik zu lesen.

Und die Heiligen Gräber heute? An immer mehr Orten werden die gemalten Kulissen, entweder noch aus der Barockzeit stammend oder später rekonstruiert, für den Karfreitag und Karsamstag aus dem Depot geholt. Der Aufbau der Heiligen Gräber ist vielen Leuten ein Herzensanliegen. Es sei wirklich beeindruckend, mit welcher Einsatzbereitschaft, mit wie viel Liebe und Begeisterung die Mesner und ihre Helfer in den Kirchen die prachtvollen Heiligen Gräber aufstellen, sagt der Kunsthistoriker und Journalist Thomas Kamm, der sich seit vielen Jahren mit den Heiligen Gräbern und ihrer Geschichte beschäftigt. Diese lebendigen Zeichen der Volksfrömmigkeit hätten ihn schließlich sogar bewogen, vom evangelischen zum katholischen Glauben zu konvertieren.

Im Zeitalter der Aufklärung, Ende des 18. Jahrhunderts, haben Bischöfe mit rigorosen liturgischen Entschlackungs-Anweisungen den Heiligen Gräbern beinahe das Todesurteil gesprochen. Barocke Formen der Frömmigkeit wurden damals gar nicht mehr gern gesehen und es gab geradezu einen Bildersturm auf die Heiligen Gräber. Nur in Glücksfällen haben in Pfarrhöfen, auf Dachböden oder in Gerümpelkammern die originalen Figuren und Dekorationsteile überlebt. Doch die Gläubigen erinnerten sich bald mit Wehmut an "ihre" Gräber. Nach wenigen Jahrzehnten, im frühen 19. Jahrhundert, beeilte man sich, sie zu rekonstruieren. Manches ging im Krieg verloren: Das 18 Meter hohe Heilige Grab in der Stiftskirche Wilten (Innsbruck) wurde in Notzeiten als Heizmaterial verwendet. Als nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils kein Platz mehr für solchen vermeintlich antiquierten Firlefanz zu sein schien, waren die "Heiligen Gräber" wieder akut in Gefahr - doch es sieht ganz so aus, als ob sich das Bedürfnis der Menschen nach "greifbarer" Umsetzung von Glaubensgeheimnissen wieder einmal durchsetzen sollte. Kein Jahr vergeht, ohne dass in irgendeiner Kirche in Oberbayern, Salzburg und Tirol ein neues Heiliges Grab errichtet oder alte Anlagen liebevoll restauriert und wieder aufgebaut würden. Mutig geworden durch die Revitalisierung des Heiligen Grabs in St. Peter (Salzburg), hat man im Vorjahr in Laufen an der Salzach (Bayern) ein prachtvolles Heiliges Grab im Sinn der barocken Tradition eingerichtet. In Reit im Winkl, südlich des Chiemsees, wird man das restaurierte Heilige Grab heuer zum ersten Mal seit 1960 wieder präsentieren, ein wertvolles Stück aus dem 18. Jahrhundert.

In der Kirche am Dürrnberg bei Hallein (Salzburg) stellt Schwester Rosa König, eine Ordensfrau, zwei schon etwas farblose Figurinen auf, gemalte schlafende Grabwächter. "Die Tafeln haben wir auf dem Dachboden gefunden." Auf dem Dürrnberg - die Kirche steht nur wenige hundert Meter entfernt vom Eingang ins Salzbergwerk - hat sich eine alte Tradition erhalten: An den Kar-Tagen stehen Salzknappen zu zweit vor dem Grab Wache, zu jeder halben Stunde erfolgt die Wachablöse. Auch das ist ein

Zeremoniell, das Jahr für Jahr

viele Zuschauer anlockt. Während dem "Gloria" in der Messe zur Osternacht wird übrigens der Vorhang vor der Grabkammer zugezogen, dafür öffnet man jenen, der bis dahin das Altarbild verborgen hat: Der Auferstandene wird sichtbar.

Haltegriffe des Glaubens

Heilige Gräber sind im Frühbarock aufgekommen. Um sie hat sich ein reiches Brauchtum entwickelt, mit Prozessionen und Andachten vor dem Grab. Der junge Mozart hat für einen solchen Anlass eine "Grabmusik" geschrieben. In einem Brief ist davon die Rede, dass die Familie Mozart an einem Karsamstag mehrere Heilige Gräber im Stadtgebiet besucht habe: eine kleine private "Wallfahrt", wie sie damals viele Städter zu den Kar-Tagen unternommen haben.

Im Salzburger Tennengau (der Region südlich der Landeshauptstadt) ist es wie in alten Zeiten auch heute noch üblich, von Kirche zu Kirche zu fahren, um "Grab zu schauen" und Andachten abzuhalten. Das Rosenkranzgebet reißt kaum ab am Nachmittag des Karfreitags und am liturgiefreien Karsamstag. "In vierzehn von fünfzehn Pfarreien unseres Dekanates gibt es ein Heiliges Grab", weiß Michael Neureiter, ein Landespolitiker, der sich sehr verdient macht um die Sicherung alter Stücke: "Alle historischen Anlagen haben wir in Betrieb."

In unserer nüchternen Zeit mag eine derartige "Theaterkulisse" manche Menschen befremden. Im Heiligen Grab in Kuchl (Salzburg) sind sogar noch die (nicht mehr genutzten) Apparaturen erhalten, mit denen beim Gottesdienst während der Osternacht die Figuren gewechselt und die Figur des Auferstandenen "herbeigezaubert" wurden. Eine fließende Grenze zum Mummenschanz? "Auch heute noch brauchen wir Haltegriffe des Glaubens", sagt Michael Neureiter. "Viele Menschen wollen bildlich angesprochen sein." So erklärt er das wieder erwachte Interesse an Heiligen Gräbern.

Die schönsten "Heiligen Gräber" in Österreich:

Stift Zwettl - ein barockes Heiliges Grab (1744), das ein Vorbild vom Wiener Kaiserhof nachahmt.

Pfarrkirche St. Andrä in Lienz (Osttirol) - ab Gründonnerstag wird täglich die "Kulisse" gewechselt und verschiedene Szenen der Leidensgeschichte werden sichtbar (aus dem Jahr 1752).

Stiftskirche St. Peter in Salzburg - eines der stimmungsvollsten Heiligen Gräber in Österreich, teils aus dem Barock, teils rekonstruiert.

Patsch (bei Innsbruck), Franziskanerkirche Schwaz, Schönberg, Mariastein - Tirol ist reich an Heiligen Gräbern aus dem Spätbarock und dem Rokoko.

Freitag, 18. April 2003

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