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Der Ahnherr aller Nikoläuse

Nikólaos von Myra war ein Bischof, wie er sein soll
Von Barbara Schleicher

Alljährlich fiebern die Kinder dem 6. Dezember entgegen, dem Tag, an dem der heilige Nikolaus bepackt mit Naschwerk und Spielzeug auf die Erde kommt. Bekanntermaßen handelt es sich um einen alten würdigen Herrn mit langem weißen Bart, Mitra, Hirtenstab und Bischofsring. Weltweit ist Nikolaus mit Kutsche, Schiff, Rentierschlitten oder Pferd unterwegs: Als Santa Claus in den angelsächsischen Ländern, als Père Noel in Frankreich, als Samischlaus in der Schweiz, als Nils Skinnemaker in Norwegen, als Sintaklaas in den Niederlanden und als Noelbaba in der Türkei, wobei der Weihnachtsmann vielerorts zum gemütlich runden Weihnachtsmann mutiert ist. In manchen Kulturkreisen wird er von Krampus, Knecht Rupprecht oder dem zwarten Piet begleitet, die den unartigen Kindern zuweilen mit der Zuchtrute drohen.

Dass hinter dem heiligen Nikolaus weitaus mehr steckt als eine kinderliebende Kulturfigur und ein kommerzieller Werbeträger zeigt der Blick auf die historische Gestalt: Nikólaos von Myra. Nachweislich gibt es nur wenige biographische Quellen, da die ersten Lebensbeschreibungen (Viten) erst 500 bis 600 Jahre nach seinem Tod verfasst wurden. Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, dass im Laufe der Jahrhunderte vieles der Vergessenheit anheim fiel und letztlich dazu führte, dass seine Biographie auf seltsame Weise mit der Lebensgeschichte des Abtes Nikolaos von Sion verworben wurde. So entstand ein Lebensbild des heiligen Nikolaus, der viele positive Charaktereigenschaften in sich vereint. Die biographischen Lücken boten genügend Spielraum für zahlreiche Legenden und Hagiographien, die weniger der historischen Wahrheitsfindung als vielmehr der Glaubensstärkung dienten.

Geboren wurde Nikolaus in Patara, der größten Hafenstadt der kleinasischen Provinz Lykien (Türkei), die bereits bei Herodot erwähnt und vom Apostel Paulus auf seinen Missionsreisen besucht wurde. Hier wurde Nikolaus etwa 280 n. Chr. als einziger Sohn von Epiphanius und Johanna geboren, die einen florierenden Getreidehandel betrieben. Getauft auf den griechischen Namen "Nikólaos" , was übersetzt soviel wie "Sieger für das Volk" heißt, vollbrachte er bereits als Säugling einige Wundertaten. Die Legende erzählt, dass er beim ersten Bad aufrecht im Becken stehen konnte und mittwochs und freitags nur "einmal am Tage zu der durch Fastenordnung festgesetzten Stunde Milch" trank. In seiner Kindheit entwickelte sich Nikólaos ganz im Sinne christlicher Tugenden und studierte in jungen Jahren eifrig in der Heiligen Schrift. Nach dem frühzeitigen Tod seiner Eltern verfügte er über ein ansehnliches Vermögen, das er - wie überliefert - großzügig an Bedürftige verteilte.

In seiner unmittelbaren Nachbarschaft lebte der wohlhabende Menelaos, der plötzlich "durch große Armut und Mittellosigkeit ins äußerste Unglück gestoßen" wurde. Da er die Mitgift für seine heranwachsenden Töchter nicht aufbringen konnte, fand sich auch kein Mann zur Heirat bereit. In dieser ausweglosen Situation beschloss Menelaos seine Töchter an ein Freudenhaus zu verkaufen. Als Nikolaus von dem bevorstehenden Unheil hörte, kam er in drei aufeinanderfolgenden Nächten und warf jedes Mal einen gefüllten Sack Gold durch das Fenster. So stand einer standesgemäßen Vermählung der Töchter nichts mehr im Wege. Nikolaus indes zeigte sich als Verteidiger der Menschenwürde.

Bereits als junger Mann trat Nikolaus dem Mönchsorden des nahegelegenen Klosters von Sion bei. Um 300 n. Chr. starb der Metropolit von Myra, weshalb alle kirchlichen Würdenträger Lykiens in die Küstenstadt reisten, um einen neuen Bischof zu wählen. Einer Vita zufolge wurde dem ältesten Würdenträger die Weisheit zuteil "Geht bei Nacht in das Haus Gottes und stellt euch an die Türen im Vorraum. Wer als erster die Kirche betritt, den haltet fest und weiht ihn zum Bischof. Nikólaos ist sein Name." Am nächsten Morgen betrat ein junger Mönch die Kirche und antwortete auf die Frage nach seinem Namen: "Ich bin Nikolaus, der Diener Eurer Heiligkeit." Der Weissagung folgend wurde er zum neuen Bischof von Myra geweiht.

Martyrien und Wundertaten

Es spricht vieles dafür, dass Nikolaus Opfer der großen Diokletianischen Christenverfolgung wurde. Mehrmalige Kerkerstrafen und Folterungen musste er erdulden, ehe die Freilassung unter Kaiser Konstantin erfolgte. Es war eine Zeit des religiösen Umbruchs, in der auch mit dem Toleranzedikt von Mailand die Weichen für die Ausbreitung des Christentums im Römischen Reich gesetzt wurden. In Lykien war es Bischof Nikolaus der dem Christentum - seinem Namen folgend - zum Sieg verhalf.

Viele Wundertaten wurden Bischof Nikolaus zugeschrieben. Die wohl älteste und bekannteste ist die Stratelaten- oder Feldherrenlegende, die aufgrund historischer Namensnennungen und Eckdaten überzeugt. Nachdem in Phyrgien (westliches Anatolien) ein Volksaufstand gegen die römischen Besatzer ausgebrochen war, sandte Kaiser Konstantin ein Heer unter Führung der Feldherren Nepotianos, Ursus und Herpylion. Ungünstige Windverhältnisse zwangen das Schiff in Andriake, dem Handelshafen von Myra, vor Anker zu gehen. Als drei Soldaten vom korrupten Provinzialstatthalter Eustathios unschuldig zum Tode verurteilt wurden, rettet Nikolaus deren Leben. "Nikolaus warf sich beherzt dazwischen, entriss dem Henker das Schwert und löste die Fesseln der Unschuldigen." Dem gierigen Eustathios drohte er mit einer Anzeige beim Kaiser, bis dieser um Gnade flehte. Nikolaus segnete die Heerführer, die anschließend ihre Mission in Phyrgien ohne Blutvergießen fortsetzten.

Nachdem das Heer in die neue byzantinische Hauptstadt Konstantinopel zurückgekehrt war, wartete keine Auszeichnung auf Nepotianos, Ursus und Herpylion, sondern eine Verleumdungsklage durch den bestochenen Präfekt Ablabios und die Todesstrafe durch Kaiser Konstantin. Verzweifelt beteten die drei Feldherren zu Bischof Nikolaus, der in derselben Nacht dem ungerechten Kaiser und dem korrupten Präfekten im Traum erschien und unter Kriegsandrohung deren Freilassung forderte.

Am nächsten Morgen wurden die drei Feldherren zu Kaiser Konstantin geführt, der sie neugierig nach Bischof Nikolaus befragte: "Geht und dankt Gott, dass er euch um des Heiligen willen befreit hat. Und bringt ihm von mir Geschenke und bittet ihn, dass er mir in Zukunft nicht mehr drohe, sondern Gott für mich, meine Herrschaft und mein Geschlecht bittet."

Als der römische Kaiser Konstantin im Jahr 325 zum ersten ökumenischen Konzil in Nicäa (Türkei) einlud, nahmen 318 der insgesamt 1.800 Bischöfe des Römischen Reiches daran teil. Nachweislich waren auch lykische Bischöfe anwesend - vermutlich auch Nikolaus. Der Überlieferung zufolge kam es auf dem Konzil zu folgender Szene: "Plötzlich wurde es still im Saal. Alle erhoben sich ehrfurchtsvoll von ihren Plätzen, als ein Mann den Raum betrat, dem anzusehen war, wie er gelitten hatte. Die achtungsvolle Begrüßung galt Bischof Nikolaus von Myra, der trotz seiner Schmerzen die beschwerliche Reise auf sich genommen hatte, um an der Zusammenkunft teilzunehmen." In Nicäa wurde Kirchengeschichte geschrieben, indem das bis heute gebetete Glaubensbekenntnis verfasst und der alexandrinische Presbyter Arius als Irrlehrer verbannt wurde. Der Legende nach, hatte Bischof Nikolaus auf dem Konzil den Ketzer öffentlich geohrfeigt.

Bischof Nikolaus starb am 6. Dezember 345 und wurde der Tradition folgend auf der Stadtnekropole in Myra beigesetzt. Erst in der Folgezeit wurde über der Grabstätte eine Kapelle, später die Nikólaos-Basilika errichtet, die im frühen Mittelalter ein berühmtes Reise- und Pilgerziel war. Die Nikolaus-Verehrung blieb nicht auf Myra beschränkt, sondern fand mit der Errichtung der prachtvollen Nikólaos-Kirche am Goldenen Horn in Konstantinopel unter dem letzten römischen Kaiser Justinian dem Großen einen ersten Höhepunkt.

Postume Verehrung

Die meisten Überlieferungstexte, Wundersammlungen und Viten stammten aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Die damalige Nikolausverehrung war mehr als nur eine Modeerscheinung - sie hing vielmehr mit den politischen Verhältnissen dieser Epoche zusammen. Der große Nikolausforscher Gustav Anrich erklärt: "In einer Zeit, da die Kaiser und die Hofpartei sich in schroffem Gegensatz befanden zu den Trägern der Frömmigkeit, da Verbannung, Gefängnis und sonstige Leiden letztere vielfach trafen, gab es da einen besseren Beschützer als den Heiligen, der einst zu Unrecht Verdächtigte und unschuldig Verurteilte vom Richtplatz weg und aus dem Kerker gerettet, der insbesondere dem Kaiser und Eparchen (Präfekten) erschienen war, die Ränke des allgewaltigen Hofmannes durchkreuzt und den Kaiser von seiner Verblendung geheilt hatte? "

Im Lauf der Geschichte war Myra und damit auch die Nikólaos-Kirche von kriegerischen Arabern und Seldschuken mehrmals geplündert und zerstört worden. Um Grabräubern zuvorzukommen, hatte Kaiser Basileios die Reliquien aus dem ursprünglichen Sarkophag entnehmen und an einen geheimen Ort in der Kirche beisetzen lassen. Mit der Errichtung einer dreischiffigen Kuppelkirche durch Kaiser Konstantin IX und seine Frau Zoe zeigte sich das Byzantinische Reich nochmals in all seinem Glanz und Reichtum (1042), obwohl der Untergang unablässig näherrückte. Etwa 30 Jahre später verlor Byzanz seine letzte westliche Bastion - die italienische Provinz Bari. Vermutlich aus einem erwachenden Überlegenheitsgefühl heraus, heuerten reiche Barenser Kaufleute drei Schiffe an, um die sterblichen Überreste des heiligen Nikolaus zu überführen (1087). Die Seeleute und Priester brachen ungehindert den Sarkophag auf und nahmen die (vermeintlichen) Reliquien mit. Ausgehend von Bari wurde der ursprünglich byzantinische Heilige, wie Gustav Anrich aufzeigt "bis zu den Enden der Erde, bis nach Indien und Britannien, ja bis hin zu den Barbaren" populär.

Doch zurück nach Myra, wo im Jahr 1850 die russische Gräfin Anna Galicia in geheimer Mission des Zaren Nikolaus das Territorium rund um die Grabeskirche erstand. Geplant war, zu Ehren des beliebtesten russischen Schutzpatrons die verschüttete Grabeskirche wiederaufzubauen. Mit der Aufgabe wurde der elsässische Fotograf und Hobbyarchäologe August Salzmann beauftragt. Acht Meter Lößsand ließ er zur Freilegung der Grundmauern abtragen, wobei ihm schwere Fehler unterliefen. Unerklärlich ist, weshalb er die ursprüngliche Kuppel durch ein Kreuzgratgewölbe ersetzte und somit den historischen Charakter der Kirche vollständig verfälschte. Lange vor Fertigstellung der Grabeskirche machten die osmanischen Herrscher ihrem Erzfeind einen gewaltigen Strich durch die Rechnung - da man russische Kolonialisierungsabsichten befürchtete. Angesichts des bevorstehenden Krimkrieges waren diese Ängste nicht aus der Luft gegriffen. Kurzerhand wurden die Russen des Landes verwiesen und die Arbeiten gestoppt. Etwa 50 Jahre später fand der deutsche Archäologe Hans Rott Myra als riesige Baustelle vor: "Der schönste verarbeitete Marmor liegt seit einem Menschenalter um die Nikolauskirche herum, die Gewölbe fangen an wieder einzustürzen und während meiner Untersuchungen drunten in der Kirche regnet das Oberwasser förmlich durch die Gewölbedecken."

Nach jahrelangem Stillstand wurde im Jahr 1962 mit der Entfernung von meterdicken Erdschichten bzw. der Freilegung des Kirchenkomplexes durch türkische Archäologen begonnen. Größter Wert wird dabei auf die genaue Rekonstruktion der verschiedenen Baustile byzantinischer Kirchenarchitektur gelegt.

Aus heutiger Sicht stellt der heilige Nikolaus den Prototypen des idealen Bischofs dar, der sich mit sozialem Engagement, Gerechtigkeitssinn, Humanität und Zivilcourage für das Kirchenvolk einsetzte und dabei Konflikte mit den weltlichen Machthabern nicht scheute. Unmissverständliche Worte findet die Frankfurter Nikolausinitiative: "Hätte es doch mehr solcher mutiger, evangeliumstreuer Bischöfe und Kirchenführer in der Geschichte gegeben."

Literatur: Gustav Anrich: Hagios Nikolaos. Der Heilige Nikolaos in der griechischen Kirche, 2 Bände, Berlin 1917.

Frankfurter Nikolausinitiative (Hrsg.): Nikolaus von Myra, Bonn 2000.

Lothar Heiser: Nikolaus von Myra, Trier 1978.

Museum Antalya (Hrsg.): Die St. Nikolaus Kirche in Myra, Antalya 1998.

Hans Rott: Kleinasiatische Denkmäler, Leipzig 1908.

Freitag, 30. November 2001

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