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Fürsprecher und Nothelfer

Für jedes Missgeschick gibt es einen Heiligen
Von Reinhard Kriechbaum

Aller Heiligen gedenkt die katholische Kirche am 1. November, und das sind nicht wenige: Nach neuestem Stand 6.540. Das "Martyrologium Romanum", das offizielle vatikanische Verzeichnis, nennt 6.538. Es ist erst Anfang Oktober als Neuauflage erschienen, also beinahe auf dem neuesten Stand. Und doch ist es schon wieder nicht ganz komplett, denn erst dieser Tage hat der Papst - zum ersten Mal überhaupt - ein Ehepaar heilig gesprochen. Luigi Beltrame Quattrocchi (1880 bis 1951) und Maria Corsini (1884 bis 1965) haben ein vorbildliches Eheleben geführt. Drei von ihren vier Kindern haben eine geistliche Laufbahn eingeschlagen.

Sollten Luigi und Maria einmal als Statuen in einer Kirche landen - woran wird man sie dann wohl erkennen? Meistens haben die Heiligen ja ihre speziellen Attribute, und wer sich ein wenig auskennt in ihren Lebensgeschichten, der kann sich anhand dieser Symbole mit ein wenig Kombinationsgabe ausmalen, wofür die Heiligen als Fürsprecher im Himmel "zuständig" sind.

Sankt Petrus trägt den Himmelsschlüssel - eben daran ist er spielend leicht zu identifizieren. Petrus kann sich vermutlich nicht über Arbeitsmangel beklagen: Wegen des Schlüssels haben ihn die Schlosser, Schmiede und andere Metallarbeiter, aber auch die Eisenhändler zu ihrem Patron erkoren. Das Wort Petrus heißt im Lateinischen "Fels". Der Apostel ist also jener Fels, auf den Jesus seine Kirche baute, indem er Petrus zum Oberhaupt der Apostel und damit zum ersten Papst machte. So haben auch die Maurer, Ziegelbrenner, Steinhauer und Töpfer in Petrus "ihren" Hausheiligen gefunden. Von Beruf war Petrus Fischer: Also liegt obendrein dieser Berufsstand, mitsamt Netzmachern und Fischhändlern, in seinem Zuständigkeitsbereich.

Der "Erzmärtyrer"

Der erste Christ, der um seines Glaubens Willen getötet wurde, ist der heilige Stephanus. Der Stephanitag ist deshalb der einzige Apostel-Gedenktag, der bei uns noch arbeitsfrei ist. Er wurde gesteinigt, es ist also durchaus naheliegend, dass die Steinhauer und Maurer auch auf ihn große Stücke halten. Streng genommen gibt es allerdings eine Gruppe von Märtyrern, die noch früher für Christus gestorben ist: jene unschuldigen Kinder, die Herodes töten ließ, nachdem ihm die heiligen drei Könige von der Geburt des Messias, eines neuen Königs, berichtet hatten. Da dürfen wir uns keinen Massenmord vorstellen: Da die drei Weisen aus dem Morgenland ja ziemlich genau Bescheid wussten über den Geburtsort, mussten vermutlich zwei Dutzend Kinder sterben. Diese wurden schon in der Antike als erste Märtyrer verehrt und es ist logisch, dass sie die Kinder-Patrone schlechthin wurden. Schüler und Ministranten fallen ebenso in ihren Schutzbereich. Das hat mit mittelalterlichen Bräuchen zu tun: Am Fest der "Unschuldigen Kinder" (28. Dezember) war es in Klosterschulen üblich, dass die Zöglinge für einen Tag die Regentschaft übernahmen. Es wurde ein "Knabenbischof" gewählt und allerlei Mummenschanz getrieben.

Nicht wenige Märtyrer würden sich ohne Zweifel sehr wundern, erführen sie von ihren Patronaten: Laurentius, der auf einem Rost über dem Feuer hingerichtet wurde, gilt jetzt als Fürsprecher der Köche. Mahlzeit! Der heilige Sebastian, von Pfeilen durchbohrt, wurde wegen der vielen von seinem Körper abstehenden Stäbe ausgerechnet zum Patron der Bürstenbinder. Sankt Veit (Vitus), bei lebendigem Leib in einen Ölkessel geworfen, ist eben deshalb Patron der Kesselschmiede. Die heilige Lucia trägt zwei Augäpfel auf einem Tablett. Der Legende nach riss sie sich die Augen heraus, um ihren künftigen heidnischen Ehemann nicht anschauen zu müssen. So erklärt sich ihr Patronat für Augenkrankheiten. Doch weil Lucia schließlich doch vom Schwert durchbohrt wurde, ist sie auch die Schutzheilige der Messerschmiede. Der Märtyrerin Agatha riss man mit glühenden Zangen die Brüste ab - kurioserweise wurde sie zur Schutzheiligen der Ammen. Noch makabrer: An den Märtyrer Bartholomäus, dem die Haut abgezogen wurde, richten die Gerber und Fleischhauer ihre Bitten um Hilfe.

Die byzantinische Kaiserin Helena habe, so heißt es, das Kreuz Jesu aufgefunden. Zur Patronin der Nagelschmiede wurde sie gewählt, weil ja die Nägel zu den Symbolen der Kreuzigung gehören. Nahe liegend ist, dass man den Evangelisten Johannes zum himmlischen Fürsprecher der Papiererzeuger, Buchdrucker und Buchbinder machte: Immerhin hat er mit seinem Evangelium jenen Bericht über Jesus geschrieben, der sich durch die größte Lebensnähe auszeichnet. Die "Offenbarung" (griechisch: Apokalypse) des Johannes gehört zu jenen rätselhaften Texten, die Zukunftsbeschwörer seit je her in ihren Bann zieht.

Im Gegensatz zum heiligen Johannes dem Täufer, von dem es in einem liturgischen Text heißt, dass er weder Wein noch harte Getränke zu sich nahm, war sein Namensvetter, der Evangelist, durchaus für einen guten Schluck zu haben - und einmal auch für einen weniger guten: Man zwang ihn, einen Becher mit vergiftetem Wein zu trinken. Johannes machte das Kreuz darüber und überstand die Prozedur - im Gegensatz zu zwei Vorkostern - unbeschadet.

Deshalb wird an seinem Gedenktag, dem 27. Dezember, noch heute in den Kirchen Wein gesegnet. Johannes ist einer der Wein-Patrone. Wichtiger für die Winzer freilich ist der heilige Urban, ein Papst aus dem frühen 3. Jahrhundert. In seinem Leben gab es allerdings keine Vorkommnisse, die auch nur entfernt mit Alkohol zu tun haben. Da ist die Geschichte eine ganz andere: Sein Gedenktag ist der 25. Mai, und das ist im bäuerlichen Jahreskreis ein Lostag: "Hat Urbanstag schön Sonnenschein, verspricht er viel und guten Wein." Deshalb also Bilder und Statuen Urbans in Weingärten und an Gebäuden von Weinbauern. Sie sind damit immerhin besser dran als die Bierbrauer, deren Gambrinus pure Erfindung ist: Einen Heiligen dieses Namens hat es nie gegeben - und das ist schon ein kleines Kunststück, weil man im Heiligenverzeichnis sonst kaum nach einem Namen vergeblich sucht.

Auch ganz moderne Berufe kennen ihre Heiligen. Den Postbeamten und den Fernmeldetechnikern wurde aus plausiblen Gründen der

Erzengel Gabriel zugeordnet. Er überbrachte bekanntlich Maria die Botschaft, dass sie als Jungfrau Gottes Sohn gebären werde. Christophorus und die Autofahrer? An gotischen Kirchen sieht man

nicht selten riesenhafte Gemälde, die den hünenhaften Heiligen mit dem Jesuskind auf den Schultern trägt.

Der "Christusträger" galt als Glücksbringer: Wer ihn schon frühmorgens sah, fühlte sich den ganzen Tag vor Unbill gefeit. Daher die großen Fresken an der Außenmauer. Als Träger des göttlichen Kindes (eine Geschichte, die hier zu erzählen zu weit führte) wurde Christophorus zum Patron der Fuhrleute und in Folge zu jenem der Autofahrer.

Manche Berufsgruppen zeigten sich erfinderisch: So vertrauten sich die Parfum- und Puderhersteller Maria Magdalena an: Sie salbte Jesu Füße. Bevor sie Buße tat und sich der Schar um Jesu anschloss, ging Maria Magdalena dem ältesten Gewerbe der Welt nach. Dass sie deshalb auch Patronin der Prostituierten ist, versteht sich von selbst.

Wie die Jungfrau zum Kind ist die heilige Caecilia zu ihrem Patronat für Musiker gekommen. Die ganze Sache beruht auf einem Übersetzungsfehler, der Lateinprofessoren bis ins Mark trifft. Am Beginn der Gedenkmesse für die Heilige heißt es sinngemäß: Während im Brautsaal schon die Instrumente spielten, schloss sich die fromme Caecilia in ihrer Kammer ein und betete zu Gott, um nicht einen Ungetauften heiraten zu müssen. Sie wollte also partout die Hochzeitsmusik nicht hören, doch das lateinische Wort "Organis" am Beginn des lateinischen Gesanges wurde missgedeutet: Das führte zur Zuschreibung als Patronin der Organisten und später der ganzen Musikerzunft, auch der Instrumentenbauer.

Patrone gegen Krankheiten

Gerade im Krankheitsfall war es ja nahe liegend, sich an Heilige um Schutz oder Fürsprache zu wenden. Die heilige Apollonia wurde vom heidnischen Pöbel misshandelt, man schlug ihr alle Zähne aus. Sie hält jetzt als Erkennungszeichen eine Zange mit Backenzahn in Händen. Bei Zahnschmerzen ist sie natürlich die erste Adresse. Der heilige Valentin als Helfer bei Epilepsie? Ein Analogiezauber, denn im Namen "Valentin" hörte man eine Entsprechung zum Wort "fallen".

Volkstümlich bei uns ist der heilige Blasius. Er habe, berichtet die Legende, einem Jüngling das Leben gerettet, dem eine Fischgräte im Hals steckengeblieben war. Am 3. Februar wird in unseren Kirchen der so genannte "Blasiussegen" erteilt, mit zwei überkreuzten Kerzen - es soll gegen Halskrankheiten helfen. Dionysius wurde geköpft, er trägt auf Abbildungen seinen Kopf unter dem Arm - gegen Kopfweh zu ihm zu beten, ist also nicht verkehrt. Bei Gallensteinen sollte man sich an den gesteinigten Apostel Stephanus wenden.

Auch die Ärzte haben eine Vielzahl von Patronen. Die hierzulande populärsten sind die antiken Krankenheiler Kosmas und Damian. Sie taten's unentgeltlich und verlangten nicht einmal einen Krankenschein. Im Namen "Kosmas" steckt das griechische Wort für "heilen". Die Legende berichtet, dass er einem Mann, der ein Bein verloren hatte, das Bein eines Mohren annähte.

Es war vielleicht ein für die damalige Zeit noch etwas kühner Eingriff - aber die Kosmetik hat von dort ihren Namen her. Warum ist Hubert zum heiligen Adressaten der Optiker geworden? Mag sein, dass er seinen Augen nicht traute und sich eine starke Brille gewünscht hätte, als er den Hirsch mit dem Kreuz im Geweih entdeckte.

Der Zuwachs an Heiligen ist auch in unserer Zeit beachtlich: Allein in den 23 Jahren des Pontifikats von Johannes Paul II. sind 1.274 Selige und 452 Heilige dazugekommen. Die inflationäre Entwicklung ist verwunderlich: Jeder sechste Selige oder Heilige der katholischen Kirche ist im vergangenen Vierteljahrhundert zu dieser Ehre gekommen.

Der Unterschied zwischen "selig" und "heilig"? Sowohl Selig- als auch Heiligsprechung erfolgen nach einer strengen Prüfung in verschiedenen diözesanen und päpstlichen Instanzen. Seligsprechung bedeutet, dass die Frau oder der Mann in einem regional begrenzten Gebiet verehrt wird. Ein Heiliger wird hingegen - nach nochmaliger kritischer Prüfung - als internationale Größe "zur Ehre der Altäre" erhoben. Er (oder sie) gilt dann weltweit als ein leuchtendes Vorbild für Christen.

Literaturhinweise:

Das Standardwerk zum Thema ist das im Verlag Tyrolia (Innsbruck) erschienene "Lexikon der Namen und Heiligen".

Das praktische Büchlein "O Gott, wer hilft mir" von Reinhard Rinnerthaler ist unlängst im Verlag St. Peter erschienen: Es passt in die Westentasche und leistet deshalb bei der Besichtigung einer Kirche vor Ort gute Dienste.

Freitag, 02. November 2001

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