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Dominikaner: Die "Hunde des Herrn"

Die Dominikaner gehen ihren Weg mit unerbittlicher Konsequenz
Von Franz Severin Berger

Der Mann, der auf der elenden Karrenstraße des Languedoc dahinwandert, geht barfuß. Seine abgetragenen Schnürschuhe hat er sich um den Hals gehängt. Er trägt das weiße Chorherrenhemd und den schwarzen Mantel der regulierten Augustinerchorherren. Barhäuptig wandelt er unter Südfrankreichs Sonne und man sieht den Haarkranz rund um die Tonsur rotblond leuchten. Mitte der Dreißig ist dieser Mönch. Er ist klein und schmächtig, hat ein schmales, asketisches Gesicht mit einer deutlich ausgeprägten Adlernase und seine scharfen blauen Augen sind sehr wachsam. Er betet halblaut vor sich hin, das zeigen die ständig bewegten Lippen.

Das Knacken und Rascheln im Gebüsch hört er scheinbar nicht. Nach kurzer Zeit haben sich vier stämmige Burschen breit auf der Straße aufgebaut und bringen den Wanderer zum Stehen. Es sind raue, wohlbewaffnete Gesellen, die als Sympathisanten der Katharer, der Ketzer gegen die römische Kirche, Jagd auf alles machen, was da katholisch ist und Geld bei sich führen könnte. Der Habit des Wandermönchs schließt zwar mitgeführte Besitztümer aus, aber schließlich wollen die Männer doch auch ihren Spaß haben. Als sie mit viel Gelächter dem Wanderer ihre blitzenden Dolche unter die Nase halten, blinzelt der in die Sonne und verzieht sonst keine Miene.

"Werte Herren, ich kann euch an eurem Vorhaben nicht hindern. Aber bedenkt doch, wenn ihr mich nun tötet, so macht ihr mich zum Märtyrer für meine Kirche. Das ist ein hoher Rang und den verdienen nur heilige Frauen und Männer, zu denen ich mich in meiner sündigen Erbärmlichkeit nicht zählen darf. Wollt ihr mich also wirklich weit über meine Bedeutung und meine Bedeutung durch diese Mordtat erheben?"

Die Heiligengeschichte des späteren Ordensgründers Dominikus erzählt, dass die Wegelagerer zuerst verblüfft gewesen und dann über so viel witzige Schlagfertigkeit, verbunden mit Unerschrockenheit, lachend abgezogen seien. Vielleicht haben sie sich auch nur über den Akzent des Mönchs amüsiert, denn dieser war für südfranzösische Ohren sicherlich sehr hart. Bruder Dominikus, als Domenico Guzman um 1170 in Kastilien geboren, ist ein waschechter Spanier. Französisch wird ihm nicht so leicht von der Zunge gekommen sein wie das von Kindheit an geübte Latein. Jedenfalls kann von dieser Anekdote behauptet werden, dass, wenn sie nicht wahr ist, sie doch ausgezeichnet erfunden ist.

Ein neuer Orden

Die Gründung des Predigerordens erfolgte im April 1215 durch Bischof Fulko in Toulouse. Es war eine kleine Gruppe von Männern, die sich nach einer Schenkung in der Stadt niedergelassen hatte und um den Bruder Dominikus herum den ersten Konvent bildete. Dies geschah in einer außergewöhnlich bewegten und sich wandelnden Zeit. 1208 hatte der von Papst Innozenz III. ausgerufene Kreuzzug gegen die Katharer Südfrankreichs begonnen, einer der blutigsten und hässlichsten Kriege Europas. Zwei Jahre zuvor war der Mönch Dominikus aus dem spanischen Osma mit seinem Ordensprior und Bischof Diego vom Papst nach Südfrankreich geschickt worden, um gegen die Katharer zu predigen. Die Städte des französischen Südens schienen der römischen Kirche verloren. Es war Diego, der die Idee hatte, den so genannten Ketzern nicht hoch zu Ross, sondern barfuß, ohne Schmuck und Geld, in apostolischer Armut und Demut entgegenzutreten. Nur so hatten sie eine Chance, überhaupt ernst genommen zu werden. 1207 starb Diego bei einem Aufenthalt in seiner Heimat und nun war Dominikus der Hauptprediger gegen die so genannten Ketzer. In ihm keimte längst schon der Gedanke, dass es einen speziell auf die Glaubensverkündung ausgerichteten Orden bräuchte, der der Intelligenz und Bildung der Abweichler etwas entgegensetzen könnte. So blieb er auch während der schrecklichen Kriegsjahre im Land.

Die Ordensgründung war Sache eines Bischofs und Fulko, einst Troubadour und Oberhaupt einer zahlreichen Familie, wird froh gewesen sein, tüchtige Prediger in seine Stadt bekommen zu haben. Aber eine neue Ordensregel, die die Predigt der Brüder gestattete und legitimierte, das war ausschließlich Sache Roms. Innozenz III. gestattete keine neue Ordensregel, also nahm Dominikus die bereits bewilligte zweite augustinische Regel an. Nicht weil sie ihm etwas gestattete, sondern weil sie ihm vieles nicht verbot. Endgültig wurde der Orden in seiner Aufgabe und Zielsetzung als Glaubensverkünder erst 1217 vom Papst Honorius III. bestätigt.

Als Dominikus 1221 in Bologna stirbt, ist es ihm aber bereits gelungen, den Predigerbrüdern eine Struktur zu geben, wie sie für das Spätmittelalter moderner nicht sein konnte. Grundlage ist die vita apostolica, das Leben der Apostel als Vorbild. Armut, Gehorsam, Keuschheit. Kein Pferd, kein Wagen darf benutzt werden. Mindestens zu zweit und zu Fuß dürfen die Prediger reisen. Alles was sie brauchen, Verpflegung, Unterkunft, muss erbettelt werden. Zehn Brüder braucht es, um einen Konvent, ein Ordenshaus in einer Stadt zu gründen. Diese zehn wählen einen Prior auf Zeit. Die Prioren wählen wiederum einen Provinzial, den Vorsteher einer Ordensprovinz, ebenfalls nur auf Zeit. Und am Generalkapitel des Ordens wird wiederum der Ordensmeister gewählt. Die Predigerbrüder haben die Welt für ihre Missionstätigkeit in Provinzen aufgeteilt. Diese Aufteilung kümmert sich bis heute wenig um Reichs- oder Staatsgrenzen. Das heutige Österreich gehört z. B. zur Ordensprovinz Süddeutschland, die nach dem Hl. Albertus Magnus benannt ist.

Dieses geradezu marketing-mäßige Denken und Vorgehen ließ den Orden in erstaunlich kurzer Zeit sich nicht nur über ganz Europa und weit in den Osten ausbreiten, sondern auch selbstverständlich in die Neue Welt. Die beinahe demokratische Führungsstruktur war für die an sich rein autokratische Kirche so außergewöhnlich, dass der Orden alle jene jungen Männer anzog, die von Reformgedanken erfüllt waren. Im 13. Jahrhundert, der Zeit der größten Wachstumsrate der Dominikaner, hatte sich die europäische Wirtschaft vom Naturalsystem zur Geldwirtschaft gewandelt. Die Städte und ihre Kultur - Handwerk und Handel - hatten gegenüber dem alten Feudalsystem an Einfluss und Macht gewonnen.

Die Dominikaner, wie übrigens die Franziskaner auch, setzten "vertriebsmäßig" voll auf die Städte, in denen sie ihre Ordenshäuser erbettelten. Obwohl sie selbst als Mönche kein Geld besitzen oder bei sich führen durften, profitierten die Ordenshäuser von den Spenden aus der aufblühenden Prosperität der Städte ungemein. Dafür boten sich die Dominikaner nebst ihrer seelsorgerischen Tätigkeiten und ihrer eigentlichen Predigeraufgabe auch als hochmittelalterlicher "think-thank" an. Ihre Angehörigen, vom Novizen bis zu den ersten Universitätsprofessoren an den Universitäten von Paris und Bologna, waren hochgebildete Intellektuelle.

Das dunkle Kapitel

Die zweite Stufe zum Aufstieg zu Macht und Dominanz erfolgte ebenfalls schon früh. 1232 überträgt Papst Gregor IX., zu Lebzeiten des Dominikus als Kardinal Hugolino einer der ersten Freunde und Förderer des Ordensgründers, dem Dominikanerorden die Aufgaben der Inquisition. Damit beginnt das dunkle Kapitel des Ordens. War die Inquisition - das Wort bedeutet an sich nicht mehr als Erforschung - vom Ursprung her eine administrative Waffe gegen die antikirchliche Ketzerei, deren Methode das einfache Verhörgespräch war, so wurde sie mit der von späteren Päpsten legitimierten Anwendung von Folter zur grauenvollsten und pervertiertesten Einrichtung. Kein Wunder, dass die in der Bibel und im Glauben am besten ausgebildeten Predigerbrüder auch am besten als Untersuchungsrichter eingesetzt werden konnten. Inquisitoren waren auch Franziskaner. Doch die blutigsten, grausamsten und mörderischsten Hexenjäger und Ketzervernichter der Geschichte waren Dominikaner. Tomas de Torquemada (1420 bis 1498), der Großinquisitor Spaniens, der über 16.000 Menschen verbrennen ließ und mehr als 160.000 Juden aus Spanien gewaltsam vertrieb, die Dominikaner Jakob Sprenger und Heinrich Institoris, die 1489 den "Hexenhammer" veröffentlicht haben und damit in Europa mindestens zwei Millionen unschuldige Menschen, hauptsächlich Frauen, auf schrecklichste Art zu Tode brachten, sie stehen nur als einzelne hervorstechende Schreckensnamen für tausende andere unerbittlich handelnde "Hunde des Herrn". Dieser Name - aus domini canes abgeleitet, einer bewussten Fehlinterpretation über den Namen des Ordensgründers - war ursprünglich spöttisch gemeint und sollte die Treue und die Wachsamkeit der "Hunde um Gottes Thron" beschreiben.

Doch später wurde dieser Begriff zu einem Schreckensruf, denn die Hunde hatten entsetzliche Zähne und schier unersättlichen Blutdurst. "Tötet sie alle!", soll der Inquisitor Bernardo Gui gesagt haben, als er gefragt wurde, wie man bei der Erstürmung einer Stadt die Rechtgläubigen von den Ketzern unterscheiden könne. "Tötet sie alle! Der Herr wird die seinen schon erkennen."

Visionäre und Kämpfer

Schwarz und Weiß ist der Habit des Predigerordens. Schwarz und Weiß, erschreckend, aber auch lichtvoll und begeisternd ist die Geschichte dieses Ordens. Denn neben der Blutspur, die sich vom Hochmittelalter bis zur beginnenden Neuzeit in den Fußstapfen der Predigerbrüder heraufzieht, sind auch Dominikanermönche und eine Dominikanerin als außergewöhnliche und hervorragende Menschen zu preisen.

Auch Giordano Bruno (1548 bis 1600) war Dominikaner, ein Genie, ein Feuergeist, der alle Vorschriften des Ordenslebens und des Denkens in der zu seiner Zeit bereits veralteten Scholastik sprengte. Nach Glaubenskonflikten und anderen intellektuellen Reibereien innerhalb des Ordens und später mit der Kirche wurde er propagandawirksam zum "Fürsten der Ketzer" verteufelt. Neun Jahre lang saß Giordano Bruno schließlich im Kerker der Engelsburg und hielt bewundernswürdig trotz Folterungen durch. Er schwor nicht ab. Was hatte dieser Ketzer alles behauptet? Dass die Erdkugel an den Polen abgeplattet sei, dass die Sterne selbst wieder Sonnen seien, um die Planeten kreisen, dass der Kosmos ein lebendiges Wesen voller Welten sei, dass es keine Dreifaltigkeit gäbe und dass Jesus Christus ein Mensch war, der als Mensch auch Sünden begangen hätte. Die Verbrennung Brunos am 17. Februar 1600 am Blumenmarkt, dem campo de' fiori, war ein "festlicher Auftakt" des Heiligen Jahres 1600. Vielen kirchlichen Kreisen ist er bis heute ein provokantes Ärgernis.

Zu den Lichtgestalten des Dominikanerordens zählen auch Bartolomé de las Casas, Tomaso Campanella und Caterina da Siena, alle drei sind - jeder in seiner Art - der Inquisition entkommen.

Bartolomé de las Casas (1584 bis 1566), der Bäckersohn aus Sevilla, der als junger Soldat in die Neue Welt kam um gegen die Indianer zu kämpfen, wurde ihr hervorragendster Anwalt und Verteidiger. Zuerst selbst Grundherr auf der Hispaniola, dem heutigen Haiti, und Ausbeuter der versklavten Ureinwohner, ließ er sich später zum Priester weihen. In den Dominikanerorden trat er ein, nachdem er provokativ alle seine Güter zurückgelegt hatte. Dann folgte ein Leben voll Kampf für die indigenen Völker Mittelamerikas. Seine erbittertsten Gegner waren Mitglieder des eigenen Ordens.

27 Jahre lang saß der Philosoph Tommaso Campanella (1568 bis 1639) als Rebell gegen die spanische Krone im Gefängnis. Der mehrfachen Folter hat er sich jedes Mal entzogen, indem er ins Delirium fiel. Ob wirklich oder vorgetäuscht, ist bis heute unklar. In der Haft in Neapel schreibt Campanella sein Hauptwerk, den "Sonnenstaat". 1623 erscheint dieses Buch zum ersten Mal gedruckt in Frankfurt. Da sitzt Campanella noch im Gefängnis, wenn auch schon in leichterer Haft. Über komplizierte diplomatische Umwege gelingt es schließlich, ihn zu befreien und nach Frankreich zu bringen. Campanella beschließt sein Leben als geehrter und angesehener Mann in Paris. Er stirbt im Konvent St. Jacques, in dem die bedeutendsten Wissenschaftler der Dominikaner, Albertus Magnus (1200 bis 1280), Thomas von Aquin (1225 bis 1274) und der Mystiker Meister Eckhart (1260 bis 1328) gelehrt hatten.

Die Färberstochter Caterina da Siena (1347 bis 1380), die scheinbar zarteste Gestalt im Dominikanerkleid, ist eine Mystikerin mit extrem asketischen Zügen und der Fähigkeit zu außergewöhnlichen Ekstasen und Visionen. Die des Lesens und Schreibens unkundige und ungebildete Frau mischte sich unerschrocken in gefährliche Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Stadtstaaten Florenz und Siena ein, beschimpfte im Palast des Papstes zu Avignon die Kardinäle, die dort mit Konkubinen und Familien lebten und führte einen nimmermüden Kampf für die Rückkehr des Papstes nach Rom. Die Unbequeme wurde auch zur "Überprüfung" vor ein Generalkapitel des Ordens in Florenz gestellt. Sie hielt ohne zu zaudern auch den kritischsten Blicken geschultester Inquisitoren mit ihren Antworten stand.

Ob diese Dominikaner aus heutiger Sicht Heilige waren, ob sie als Ketzer den Tod fanden oder gar selbst die gefürchtetsten Inquisitoren waren, eines verbindet sie: die unerbittliche Konsequenz ihres Weges. Auch die Dominikaner heute, ein weltweiter Orden mit vielen Aufgaben, verstehen sich als Kampfgemeinschaft. Ihr Kampf richtet sich gegen Tod und Krankheit, gegen Armut und Not, gegen Unverständnis und Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und anderen Religionen. Die Hunde des Herren bewachen noch immer Gottes Thron, aber sie fletschen ihre mächtigen Zähne nicht mehr gegen die Menschen, sondern für sie.

Literatur:

Franz Severin Berger: Kämpfer, Ketzer, Heilige - Die Dominikaner. Verlag Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten 2000, 255 Seiten.

Freitag, 22. Dezember 2000

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