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Buddha, Jesus und Mohammed

Die Religionen Indonesiens bilden ein labiles Gleichgewicht
Von Barbara Allmann

Wallfahrer anno 850 kamen per pedes, auf Schiffen oder hoch zu Ross und Elefant nach Borobudur, der großen buddhistischen Tempelanlage auf Java: Auf der Suche nach
Erleuchtung fanden sie hier die auf 60.000 m² Stein gemeißelten Bilder, die den Dhamma, die buddhistische Lehre und den javanesischen Alltag vor über 1.000 Jahren illustrieren · ein Massenmedium zu
einer Zeit, in der nur die wenigsten Menschen lesen konnten.

Der moderne Pilger kommt organisiert im Touristenbus nach Borobudur und macht sich, buddhistischer Tradition gemäß, im Uhrzeigersinn auf den 5 km langen Rundgang: Durch enge Korridore, vorbei an
1.460 erzählenden und 1.212 dekorativen Reliefs, über die 432 Buddhas erhaben in ihren Steinnischen meditieren.

Vier Bildgalerien beschreiben auf fabelhafte Weise menschliches Verhalten; mit dem zweiköpfigen Vogel beispielsweise. Der eine pickt nach den feinsten Früchten, der andere muss hungern. „Kommt
alles in einen Magen", meint der Gierschlund, während der zweite in seiner Not einen Giftpilz frisst und schließlich der ganze Vogel mit beiden Köpfen stirbt. Solcherart erklärt Borobudur das
Gesetz von Ursache und Wirkung: das Karma. In seiner Essenz besagt es, dass Gier und Hass all unser Elend und den Tod nach sich ziehen. Und in einer Welt voller Leidenschaften werden nur jene, die
ihre Sinne zu zügeln wissen und ein moralisches Leben führen, durch Reinkarnationen in höheren Daseinsformen belohnt · bis sie sich aus dem Kreislauf der Wiedergeburten lösen und in das Nirvana
eingehen können. So wie es dem historischen Buddha Siddhattha Gotama vor 2.500 Jahren gelungen sein soll.

In Indien als Sohn in ein reiches Herrschergeschlecht geboren, zog Siddhattha nach Jahren des verwöhnten Lebens aus, um diese letzte Wahrheit zu erfahren. Schritt für Schritt seines Weges zur
Erleuchtung sind in Borobudur dokumentiert: Der junge Gotama, wie er die Kleider eines toten Sklaven wäscht, sie anzieht und sich auf die Seite der Armen schlägt. Ein Inder, der ihm ein Kissen aus
geflochtenem Gras schenkt, auf dem er unter dem Bodhi-Baum die Erleuchtung erfährt. Rückblenden auf die verschiedenen Reinkarnationen des Buddha, bevor er als Mensch geboren wurde, zeigen ihn u. a.
als Hasen, der einem hungrigen Brahmanen sein Leben anbietet, da er sonst nichts zu geben hatte. Die verdienstvollen Taten sind das Hauptthema dieser „Jatakas", die den Buddha in spe von anderen
Geschöpfen unterscheiden sollen. Die Anhäufung tadellosen Verhaltens charakterisiert die Vorbereitungszeit, nach der schließlich Buddhaschaft und das „formlose Reich" erlangt wird, symbolisiert durch
72, teilweise vergitterte Stupas. In jeder sitzt ein meditierender Buddha, auf der höchsten Ebene des Tempels, dort wo die Ruhe am größten ist. Von hier weitet sich der Blick auf grüne Palmenhaine,
Zuckerrohrplantagen und Reisfelder.

Vision des Kosmos

Mit dem Niedergang des Buddhismus und der königlichen Machtverlagerung nach Ostjava wurde Borobudur schon bald nach seiner Fertigstellung vernachlässigt, vergessen und unter Vulkanasche begraben.
1815 entdeckt, machten sich 100 Jahre später die ehemaligen holländischen Kolonialherren daran, Borobudur zu restaurieren. Zwischen 1973 und 1984 flossen 25 Mill. US-$ in das gigantische
Restaurierungsprojekt von UNESCO und indonesischer Regierung.

Gebaut als symmetrische Stupa mit 118 m Länge und 118 m Breite, sind hier sechs quadratische und drei runde Terrassen entstanden. Aus der Vogelperspektive mutet die Anlage wie ein enormes
dreidimensionales Mandala an. Das Monument in seiner Gesamtheit steht für die buddhistische Vision des Kosmos, beginnend mit dem Kamadhatu, der alltäglichen Welt der Objekte und Phänomene. Ein
spirituell weiter entwickelter Mensch gelangt von hier aus in das Rupadhatu, jene Übergangssphäre, in der er sich von weltlichen Dingen löst, um schließlich im Arupadhatu, dem formlosen Reich
aufzugehen. Einmal pro Jahr während Vollmond im Mai oder Juni kommen tausende Buddhisten aus ganz Indonesien nach Borobudur und in den nahegelegenen Mendut-Tempel, um das Vaicak abzuhalten, jene
Zeremonie, die an Geburt, Erleuchtung und Tod des Buddha erinnern soll.

Inschriften in Sanskrit, Schreine und Statuen aus dem 5. Jahrhundert wurden in vielen Teilen des über 17.000 Inseln umfassenden Archipels gefunden, denn Buddhismus und Hinduismus haben viele der
alten Königtümer durchdrungen. Borobudur und der nahegelegene Hindutempel Prambanan sind die eindrucksvollsten Zeugen dieser zwei indischen Religionen in Indonesien. Sie lassen sich allerdings nicht
klar voneinander trennen, da sie vermischt wurden und mit älterem, animistischem Glauben einhergingen.

Der Islam

Heute gehören 90 Prozent der Indonesier mit unterschiedlicher Vehemenz dem Islam an. Seine Traditionen und Rituale greifen jedenfalls in alle Lebensbereiche. Wie Buddhismus und Hinduismus zuvor,
wird nun auch die Lehre Mohammeds mit älteren religiösen Formen konfrontiert. Der Sieg des Islam in Indonesien ist allenfalls ein nominaler. Was den Alltag prägt, ist ein im Hindu-Buddhismus
verankerter Islam, der es mit animistischem Glauben und dem „adat", dem traditionellen Gesetz matrilinearer und matriarchaler Gesellschaften aufnehmen muss.

Die Minangkabau auf Sumatra beispielsweise sind eine starke muslemische Gruppe, die an ihrem „adat" festhält, das im Kontrast mit der starken männlichen Suprematie des Islam steht. Bei ihren
Landsleuten haben sie den Ruf einer anpassungsfähigen, wirtschaftlich erfolgreichen ethnischen Gruppierung. Die Männer der Minangkabau haben keinerlei Gewalt über ihre Frauen, außer dem Recht, das
eheliche Treueversprechen einzufordern. Das Sagen hat die jeweils älteste Frau in der Familie, die als absolute Autorität in allen familiären Angelegenheiten gilt.

Das Festhalten animistischer Traditionen lässt Indonesier ihre zahlreichen heiligen Plätze aufsuchen; und das trotz islamischen Verbots. Auch Megawati Sukarnoputri, der indonesischen Vizepräsidentin,
werden mystische Neigungen nachgesagt; sie reise oft an Javas Südküste, um mit dem Geist ihres toten Vaters zu sprechen. Die Opposition gegen ihre Kandidatur rührte teilweise auch von der Einstellung
her, sie wäre eine „nicht genügende Muslimin" und deshalb kaum geeignet, die Nation zu führen.

Auch Präsident Abdurrahman Wahid hat eine mystische Ader, als einflussreicher Muslim weist er allerdings auch Züge eines westlichen Intellektuellen auf. Er hat den Ruf eines religiös toleranten
Führers, der den Glauben nicht als Staatsräson, sondern als Privatsache erachtet: „Wenn die neuen politischen Parteien dem Islam eine moralische Führungsrolle zusprechen, ist das in Ordnung, aber
wenn sie mit den Gesetzen pfuschen wollen, müssen wir dagegen sein", meinte Wahid einmal in einem Interview. Der Präsident weiß jedenfalls um die Religion als einer der destabilisierenden Faktoren
in der indonesischen Politik. Deshalb hat er schon zwei Tage nach seinem Präsidentschaftsantritt mit einem Ausflug zu einem Hindu-Ashram und einem balinesischen Tempel zeigen wollen, dass zwischen
Islam und Demokratie keine inhärenten Widersprüche bestünden.

Christlichen Missionaren gelang es, zumindest eine Handvoll der indonesischen Bevölkerung zu konvertieren. Seitdem war ein relativ friedliches, wenn auch labiles Zusammenleben zwischen ethnischen und
konfessionellen Gruppen möglich, bis mancherorts Migranten die ursprüngliche Bevölkerung zu verdrängen versuchten. Mit der Umsiedlungspolitik des Regimes Suharto, der solcherart die Hauptinseln
entlasten wollte, sind die Spannungen gestiegen und seit dem Fall dieses Präsidenten im Mai 1998 explodiert: Die Liste der Gewalttaten in Osttimor, Ambon und Banda Aceh im Internet ist seitdem immer
länger geworden.

Freitag, 07. April 2000

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