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Schatzsuche im Gebetbuch

Die Bäuerin Emma Ligges sammelt Sterbe-und Andachtsbilder
Von Roman Urbaner

In Mappen, Schachteln und Schränken verstaut sie Verstorbene und Heilige - Letztere sorgfältig sortiert nach Namen und Geschlecht. Seit mehr als 30 Jahren hat Emma Ligges, Bäuerin im oberinntaler Flaurling, eine der größten österreichschen Privatsammlungen an Andachtsbildern zusammengetragen. Zehntausende Bildchen verschiedenster Formate lagern geordnet in Kisten und Kartons: kleine Kostbarkeiten aus Papier, die für Frau Ligges mehr sind als nur historische Dokumente der Volksfrömmigkeit.

Die genaue Zahl der Sterbe- und Heiligenbildchen - das älteste stammt aus dem Jahr 1795 - will sie uns nicht verraten. Auf Zahlenspielereien und Superlative lässt sich die rüstige Witwe, die fast täglich die Lupe in die Hand nimmt und ihre Bildchen betrachtet, gar nicht erst ein; vermutlich hat sie die Kärtchen auch nie gezählt.

Am Anfang ihrer Leidenschaft, vor Jahrzehnten, stand ein abgegriffenes Gebetbuch, das der Bäuerin durch Zufall beim Stöbern auf der Suche nach Faschingsutensilien in die Hände fiel. Ein handkoloriertes Bildchen, das dem Brauch entsprechend zwischen die Seiten gelegt war, hat eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die zum obsessiven Sammeln führte. Inzwischen hat sich ihr Hobby zur Lebensaufgabe ausgewachsen. Nur für kurze Zeit, erzählt uns Frau Ligges, während sie ihre Schätze in der Bauernstube vor uns ausbreitet, habe sie ihre Sammelleidenschaft ad acta gelegt - ihrem Mann zuliebe, dem ihr ausuferndes Hobby allmählich zuviel geworden sei.

Denn ständig hätten sich neue Sammlungsgebiete für sie aufgetan. "Mich interessiert alles Religiöse, am meisten die verklärten Gesichter auf den Darstellungen", erläutert sie und schwärmt von der Vielfalt von Gebets- und Wallfahrtsbildern, von Fleißzettelchen, Primiz- und Totenbildchen und von bonbonfarbenen "Hauchkärtchen" (die sich im warmen Atemhauch auf der Handfläche krümmen).

Für Militaria-Sammler, die nur Augen für Gefallenenbilder aus dem Zweiten Weltkrieg haben (und für U-Boot-Kapitäne oder SS-Männer mitunter bis zu 100 Euro zahlen), hat sie nur Kopfschütteln übrig. Wirkliche Kenner fänden Gefallen an den Motiven, Gebetsformeln oder an den Fotoporträts von

Verstorbenen. Ihr selbst hätten es vor allem die Totenkärtchen für Kinder angetan, fügt Frau Ligges hinzu und springt von der Ofenbank auf, um neue Ordner zu

holen.

Ihre Begeisterung hat sich im Laufe der Jahre herumgesprochen; immer wieder kommt es vor, dass man

ihr ganze Sammlungen einfach schenkt. "Das sind dann die schönsten Momente", sagt Frau

Ligges, bevor sie auf das

dichte Netzwerk von befreun-

deten Sammlern zu sprechen kommt, das sich allmählich herausgebildet hat. Auch die Flohmärkte und Antiquariate der Gegend durchforstet die Pensionistin regelmäßig nach Kärtchen und alten Gebetbüchern. Das Gros ihrer Sammlung verdankt sie aber in

erster Linie dem Tauschkontakt

mit anderen Sammlern und den Bildern, die ihr zugesandt wer-

den, weil viele es nicht übers

Herz bringen, die alten Sterbebildchen einfach in den Papierkorb zu werfen.

Für die Erhaltung ihres Lebenswerks versucht die Pensionistin schon jetzt vorzusorgen. In den letzten Jahren hat auch ihre Nichte begonnen, sich für das Hobby ihrer Tante zu begeistern, und ist dieser beim Katalogisieren der Kärtchen öfters zur Hand gegangen. Ihr Interesse sei inzwischen allerdings ein wenig abgeflaut. "Seit sie verliebt ist", sagt Frau Ligges und zuckt mit den Achseln.

Freitag, 29. Oktober 2004

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