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Blutrausch fürs Paradies

Legenden und Historien über Heilige Krieger im Islam
Von Klaus Hoffmann-Reicker

Islamische Fundamentalisten kämpfen seit fast 1.000 Jahren für ein Moslemparadies auf Erden. Ihre Selbstopfer leben in vergeistigter Form als mystische Traditionen fort. Ayatolla Khomeini hat der Welt vorgeführt, was Worte in diesem geografischen Raum vermögen. Noch immer bedienen sich Mächtige der Dolche eines Fedawi (sich Opfernden), der sein Leben als Preisgeld für den Eintritt ins Paradies hergibt. Doch diese Metho-den des Terrors richten sich letztlich stets gegen die vermeintlichen Nutznießer - die Völker selbst. Ihr geistiger Vater dürfte nach neueren Forschungen nicht Ibn Laden, sondern Hassan-i-Sabbah heißen. Dieses Urbild eines Terroristen füllt eine ganze Bibliothek.

"Der Alte vom Berge"

Diese gern kolportierte Geschichte berichtet Marco Polo (1254 bis 1324) als Erster. Er versichert, sie in dieser Form von vielen Personen gehört zu haben. In der persischen Provinz Mulchet am Indus hatte Aloeddin einen eigenen Staat errichtet. In einem Tal ließ er einen herrlichen Garten anlegen mit

Palästen auf Terrassen übereinander gebaut. Den geheimen Eingang bewachte eine unbezwingliche Festung. Umgeben war das Ganze von Blumen und köstlichen Früchten.

Darin hielten sich schöne Mädchen auf, die den Gästen alle Wünsche erfüllten, die Mohammed den Gläubigen im Paradies versprach. In dieses Paradies ließ der Alte vom Berge Jünglinge bringen, die vorher ein Schlafmittel bekommen hatten. Als sie erwachten, wurden sie mit Liebkosungen verwöhnt. In Bächen floss Honig, Wein und Milch. Wieder in die Burg zurückgekehrt, erzählten sie, im Paradies gewesen zu sein. Der Alte vom Berge brauchte ihnen nur noch zu sagen: Wir haben die Versicherung des Propheten, dass der, welcher seinen Herrn verteidigt, ins Paradies kommt. Diese Jünglinge meuchelten auf Befehl ihres Fürsten jeden, auf den sein Stab zeigte.

Erst 1262 soll der Großchan eine Armee gesandt haben, welche die Burg Tigado in Afghanistan nach 27 Jahren Belagerung eingenommen habe und den Alten von Berge hinrichten ließ. Doch nach neueren Forschungen sind Marco Polos Quellen offensichtlich Sagen oder Legenden der Karawansereien und der nächtlichen Lagerfeuer an der persischen Seidenstraße.

Aber es gibt auch historische Vorbilder, etwa die Assassinen. Bereits Zedlers und Meyers Lexikon sprechen von einer "Mörderbande". Ihr fanatischer Geist rief häufig Blutbäder hervor. Seit dem 11. Jh. erschüttern von Zeit zu Zeit solche Fanatiker aus dem Hindukusch und seinen Ausläufern mit blutigen Mordattacken die Welt. Der extremste Zweig dieser Ismaeliten wütete in der Zeit der Kreuzzüge in Persien, Syrien und dem Liba-non.

Als höchste Form des Opfers betrachten Fedawi das Opfer des eigenen Lebens, um wiedergeboren zu werden. Tötet mich, o Freunde, denn nur im Tod ist mein Leben. Ihr übler Ruf drang bis nach Europa. Aus der Bezeichnung Haschischin (Haschischfresser) für solche Ordensbrüder wurde das französische assassin (Mörder). Das Englische und Italienische übernahmen es als Lehnwort.

Spezielle Eingreiftruppe

Die Assassiner sind ursprünglich ein Volk aus der Gegend von Tyros. Sie lebten von Raub und Mord. Ihr Fürst nannte sich "Der Alte des Gebirges". Die Erbschaft der Imame war am Ende der SeldschukenHerrschaft in eine tiefe Krise geraten, berichten islamische Historiker. Die Geistlichen wollten wieder zurück zu den Ursprüngen des Is-lam. Eine spezielle politische Eingreiftruppe wurde nötig.

Da gründete Hassan-i-Sabbah aus der Gegend um Herat einen geistlichen Ritterorden. Er errichtete einen regelrechten ismaelitischen Staat, der sich trotz seldschukischer und mongolischer Angriffe an der Macht hielt. Die Tempelritter sind offenbar diesem Muster nachgebildet. Jedenfalls gibt es Ähnlichkeiten und Beziehungen zu den Assassinen.

Im schwer zugänglichen Randgebirge des Kaspischen Meeres,

75 km nordöstlich von Teheran, liegt die Burg Alamut - Adlernest auf einem liegenden Löwen. Am

4. September 1090 erschien der Großmeister Hassan mit seinem Geheimbund in der Festung und besetzte sie für 160 Jahre. Der Sultan zahlte dem ehemaligen Besitzer 3.000 Goldstücke Abfindung. Fortan nannte sich Hassan der "Alte vom Berge". Zunächst umgab er sich mit der Aura des Geheimnisvollen.

Dann proklamierte er die große Wiederauferstehung im Paradies auf Erden, das kein Gesetz mehr kennt. Im Haschischrausch wurden besonders kräftigen und mutigen jungen Männern die Vorfreuden des Paradieses vorgegaukelt. Zurückversetzt in eine der bald 60

Ordensburgen, erwarteten sie mit Ungeduld den Tod, um endlich

die vorgekostete Seligkeit zu erleben.

Von Hassan-i-Sabbah wird sogar berichtet, dass er einen Sturm auf dem Meer gestillt habe. Sieben Stufen der Offenbarung durchliefen die Mitglieder seines Ordens, um auf der höchsten Ebene zu erfahren, das Himmel und Hölle eigentlich das Gleiche sind. König Ludwig IX. von Frankreich verhandelte mit den Assassinen Syriens und tauschte Gesandtschaften. Der Orden zahlte Steuern. Der 1119 gegründete Templerorden soll jedenfalls mit solchen Sarazenen im geheimen Bund gestanden haben.

Mörderische Sekte

Zu den Zielen der misslungenen Dolch-Attacken von Hassans Fedawi zählten Sultan Saladin, der Führer der Kreuzfahrer Konrad von Montferrat und König Phillip II. August von Frankreich. Es starben einige Kalifen und Wesire. Sogar Ludwig von Bayern soll einem Fedawi-Dolch zum Opfer gefallen sein.

Der Alte vom Berge wurde dabei älter als 100 Jahre. Seine kleinen

5-Mann-Kommandos hebelten eine ganze damalige Welt aus den Angeln. Selbstmord als extremste Form des Mordes! Aus dem religiös-politischen Orden war eine mörderische Sekte geworden.

Dschin-gis-Chans Enkel Hülägü belagerte Alamut. Am 24. November 1256 ließ er die Festung schleifen und alle Anhänger bis auf das Kind in der Wiege niedermachen. Darunter war auch Imam Roknodin Horsah. Das syrische Zentrum Aleppo wurde erst 1270 vom ägyptischen Sultan Bibar erobert.

Noch 1807 leisteten 40 Assassinen in der Burg Masias Jussuf Pascha drei Monate Widerstand. Als rein religiöse Sekte leben sie im Libanon, in der iranisch-afghanischen Bergwelt und Ostafrika weiter.

Freitag, 02. November 2001

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