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Leitung ins Jenseits

Die Wiener Tonbandstimmenforscher kommunizieren mit Toten

Von Michael Hafner

„Ich lebe", „Ich seh' euch", ächzt die Stimme aus dem kleinen Kassettenrecorder. „Ich weiß genau, wer das ist", sagt Maria Manov: „Heute redet mein
Mann zu uns." Sie lässt keine Zweifel gelten: „Hören Sie genau auf die Aussprache: Er sagt ,Ich säh euch`, mit bulgarischem Akzent" · und das, obwohl er vor über vier Jahren gestorben ist.

Maria Manov ist Obfrau des Vereins österreichischer Tonbandstimmenforscher. Jeden Dienstag trifft sich die Gruppe aus Hinterbliebenen jeden Alters, um in den Vereinsräumlichkeiten mit der Aura eines
Klassenzimmers Kontakt mit dem Jenseits zu suchen. „Wir sehen uns durchaus als Erste-Hilfe-Station für Hinterbliebene: Es kommen ja viele Verzweifelte zu uns. Und mit unseren Forschungen können
wir beweisen, dass es eine nachtodliche Existenz gibt." Frisch verwitwete Frauen reiferen Alters sind denn auch die Hauptkundschaft des Vereins: Tote Ehemänner werden nach neuerlichen
Liebesgeständnissen befragt, um Rat gebeten und aufgefordert, anderen Jenseitigen Grüße auszurichten. „Mein Mann hat mich gefragt, ob ich auch regelmäßig in den Turnverein gehe", erzählt eine
der Teilnehmerinnen; „Und meiner hat mich vor dem Zahnarzt gewarnt", meint eine andere.

Tonbandstimmen verkünden aber nicht nur Banalitäten: Sie eröffnen jenen, die sie empfangen, immer breiteres Wissen über ein Leben nach dem Tod und die Existenz als Jenseitiger · „und Antworten auf
selbst gestellte Fragen und eigene Erfahrungen erhöhen natürlich die Freude an diesem Wissen." Diese Erfahrungen feiern heuer 40-jähriges Jubiläum: Tonbandstimmen wurden 1959 von dem schwedischen
Maler Friedrich Jürgenson entdeckt: Als er in seinem Garten Vogelstimmen aufnehmen wollte, mischten sich erstmals die „Jenseitigen" ein. Fidelio Köberle, Präsident der deutschen
Tonbandstimmenforscher, setzte die Bedeutung dieser Entdeckung mit jener Amerikas gleich. Jürgenson, der erst an verirrte Funksprüche, dann an UFOs und erst zuletzt an Verstorbene gedacht hatte,
freundete sich mit den Toten an, genoss die „tüchtige Portion Humors" jener „da drüben" und gelangte schließlich zur „freudigen Gewissheit, es gibt keinen Tod."

Paranormales Wissen beruhigt: Auch Maria Manov hat für den Tod nur ein Achselzucken übrig. „Das ist eine Metamorphose, ein Weitergehen in eine andere Dimension", sagt sie, die den Verein und
ihre Forschungen mit straffer Energie führt: Mal lachend, mal entsetzt über die Auskünfte der Toten oder die Dummheit der ungläubigen Lebenden · und trotz aller Attacken durch Skeptiker bemüht, ganz
im Dienst der Jenseitigen zu stehen. Jenseitige, wie die Toten im Tonbandstimmenforscher-Jargon heißen, leben in „Dimensionen weiter, die wir dreidimensionalen Menschen mit unseren Augen nicht
sehen können, aber sie machen sich Sorgen um uns und sie lieben uns. Und sie bestätigen uns, was in allen Kulturen seit tausenden Jahren über das Leben nach dem Tod berichtet wird."

Trotzdem hat die Stimmenforschung nichts mit Religion zu tun, sie ist vorrangig mit technischen Fragen beschäftigt · „obwohl auch die spirituellen Eigenschaften nicht außer Acht gelassen werden
dürfen. Nicht jeder eignet sich dazu, jenseitigen Kontakt zu erreichen." Auch im Jenseits gibt es Hierarchien. Bevor Verstorbene kontaktfähig sind, müssen sich die Hinterbliebenen gedulden:
„Kaum jemand gelingt es, wie Mutter Theresa noch am Tag seines Todes ins Licht zu kommen." Doch ums Licht dreht sich alles: „Die Ferne vom Licht bedeutet die Ferne von Gott. Und wer wenig
Licht hat, hat wenig Schwingung, fühlt sich einsam und wird auch von anderen Wesenheiten kaum wahrgenommen."

Sterben lernen

Obwohl nichts von einer Hölle bekannt ist · „auch vom angeblichen Dies Irae hat mir noch kein Jenseitiger erzählt" · sind Verstorbene dazu angehalten, ihr Leben unter Anleitung eines
Lichtwesens Revue passieren zu lassen: „Dabei beurteilt allerdings jeder sich selbst. Aber auch wenn es keine echte Bestrafung gibt, muss man doch für alles gerade stehen." · Und bekommt die
Rechnung in Form von schwachem Licht präsentiert. Trotzdem gehört dem Mutigen auch das Jenseits, meint Maira Manov: „Es ist mir wichtig, hier eine ganz eindringliche Aufforderung anzuschließen:
Man muss auch das Sterben lernen. Jeder muss sofort nach seinem Tod das Licht suchen. Das spart ungeheuer viel Mühe in der Entwicklung des Geistes, und vor allem jene, die kein tadelloses Leben
geführt haben, können sich damit den Weg erleichtern. Das Licht zeigt sich nämlich gleich am Anfang, es leuchtet ungeheuer grell und schüchtert den gerade erst Gestorbenen ein. Die meisten zögern,
überlegen noch einmal, fragen sich ob sie wirklich dorthin gehen sollen · und dann ist es schon weg. Aber ich kann nur sagen: Gehen Sie darauf zu, laufen Sie ins Licht. Denn bei der zweiten
Erscheinung ist es schon viel blasser. Und dann zeigt es sich lange nicht mehr."

„Hab noch immer kein Licht, bete für mich", war auch eine der ersten Nachrichten, die Tonbandstimmenforscher-Vorstandsmitglied Anton Rosenberger von seiner 1996 verstorbenen Frau Gusti erhielt.
Nach fleißigem Beten folgte die Entwarnung: „Schon alles Licht bin." Seither nimmt Rosenberger mit einer Mischung aus Sachlichkeit und Beschwingtheit am regelmäßigen Vereinsleben teil. Alle
Äußerungen seiner Frau werden buchstabengetreu protokolliert und im Verwandtenkreis besprochen, und der Glaube an eine den Tod überdauernde Liebe hält den alten Mann jung. Gusti teilte ihrem Toni
auch mit: „Trauer ist falsch im Leben."

Die Toten nämlich sind unter uns · egal, wie weit sie sich bereits entwickelt haben mögen, sind alle Mitglieder überzeugt. „Rund um uns, in diesem Raum, befinden sich sicher 20 Wesenheiten, die
alles hören und sehen." Während Diesseitige Jenseitige im besten Fall nur hören, nehmen diese alles wahr. · Anton Rosenbergers Frau schließlich sprach ihren Mann auch auf einen neuen Ofen in
dessen Wohnung an. Und verbat es sich, zum Geburtstag rote Rosen aufs Grab gelegt zu bekommen: „Spare lieber." Als er den Weg zum Augenarzt hinauszögerte, sendete sie: „Warum meldest du
nicht, mit den Augen schlecht? Ich habe alles Kontrolle · klar?" Und häufig tröstete sie: „Bin bei dir."

Trost „von drüben"

Verstorbene legen offensichtlich Wert darauf, ihre Anwesenheit zu betonen: „Sitzen neben dir", „Stehen hinter dir", „Wir, die Schatten, sind daneben, Alleluja" · das sind Antworten, die
angeblich sehr häufig kommen. „Und natürlich wird's einem ganz anders ums Herz, wenn man mit diesem Wissen Friedhöfe besucht", bekennt Maria Manov. „Es entstehen sehr zwiespältige Gefühle,
wenn ich vor dem Grab meines Mannes stehe und weiß, dass ich seinen Leichnam dort beerdigt habe · und doch gleichzeitig weiß, dass er in diesem Moment neben mir steht, den Arm um mich legt und seinen
Körper schon lange uninteressant findet."

Von Toten umgeben zu sein ist nicht jedermanns Sache · es sollen nach solchen Auskünften auch schon Neugierige entsetzt geflohen sein. Durchaus verständlich. Denn am aufdringlichsten ist oft das
Böse: „Ich bin der Teufel und ich stehe hinter der Tür", „Grüß dich, auch der Satan tut helfen, hilft gerne", drängt es sich mit Vorliebe seelisch ungefestigten Forschern auf. Das Böse nutzt
jede Gelegenheit; es „fliegt" auch Diesseitige mit angekratzter Aura an · und die ist schnell beschädigt: „Süchte jeder Art öffnen die Aura für das Böse. Und wer bis drei Uhr früh in der Disco
ist, säuft und vielleicht noch Haschisch raucht, ist natürlich besonders gefährdet." Das Gute nämlich kommt nur im Stillen: Gebete, Meditationen und viel Ruhe tragen dazu bei, die persönlichen
Schwingungen zu verbessern und für die Ansprache durch höhere Wesenheiten bereit zu machen.

Auch dabei allerdings muss man hellhörig bleiben: Oft tarnen sich böse Wesenheiten. „Aber ihr Tonfall ist verräterisch." Wie im richtigen Leben: Während anständige Lichtwesen gleich zur Sache
kommen oder höflich grüßen, melden sich die anderen „so süßlich und klebrig: ,Ja grüüüüüß dich`." Schlechte Angewohnheiten verliert man offenbar auch im Jenseits nicht. „Trotzdem ist es
tröstlich zu wissen, dass man nicht allein ist · weder im Leben noch im Tod."

Wenn die Brücke ins Jenseits einmal errichtet wurde, können besonders hingebungsvolle Forscher sogar auf die Hilfe einer „Geistführerin" hoffen. „Meine Führerin heißt Elisabeth, ist eine Nonne,
und hat mich vor allem zu intensiveren und besseren Gebeten angehalten", weiß Maria Manov. Das sorgt für die spirituelle Basis. Schließlich geht es im Jenseits „nur um die Liebe und die
Absicht, in der ein Mensch gehandelt hat. Reichtümer sind uninteressant." Weshalb auch jeder noch auf Erden wandelnde Mensch „in Hinblick auf seine künftige geistige Existenz an sich arbeiten
sollte."

Kontakte erfordern Geduld

Dennoch erfordert das Zustandekommen der Kontakte viel Geduld · und Niederlagen muss man hinnehmen. Selbst für Anton Rosenberger endete die erste Sitzung mit Tränen. Niemand meldete sich. „Ich
war viel zu skeptisch und konnte mich nicht auf meine Anliegen konzentrieren." Erst bei den folgenden Versuchen kam die Nachricht: „Man wird es ausrichten", und dann die Erlösung: „Ich
rufe Anton, Geliebter." Jene, die spirituell halbwegs mit den Jenseitigen mithalten können, werden bevorzugt behandelt. Eigene Vermittler kümmern sich um deren Anliegen und Personen-Anfragen.
„Meine Vermittlerin heißt Christine", weiß Maria Manov. Dieses Service erleichtert den Kontakt ungemein: „Man kann sich die Aufrufe im Jenseits so vorstellen, wie die alten Telefonzentralen
oder Sprechhallen in den Postämtern: Die Anrufe werden weitergeleitet, die Gerufenen müssen erst gesucht werden und sind nicht immer ansprechbar. Einerseits treten sie kurz nach dem Tod in einen
langwierigen Schlafzustand ein, andererseits habe ich auch schon die Antwort bekommen: ,Der bekommt eine Spritze'." Und das sei wörtlich zu nehmen: Denn Jenseitige werden auch behandelt;
Krankheiten, die mit dem Fleisch zu tun haben, sollen vor allem dann geheilt werden, wenn die Wiedergeburt beabsichtigt ist.

Grundsätzlich ist es also fein im Jenseits: Man trifft all jene wieder, mit denen man sich im Diesseits gut verstanden hat, bleibt über die Hinterbliebenen auf dem Laufenden und kann diesen
Nachrichten und Anweisungen übermitteln. · Nur wissen zu wenige auf Erden davon, „sogar manche Jenseitige wissen nicht davon, dass sie mit uns reden können". Und noch weniger, sowohl im Dies-
als auch im Jenseits, wollen daran glauben. „Wir sind schon so oft als Spinner beschimpft worden · da stumpft man ab", meint Maria Manov. „Tonbandstimmenforschung wird nie zum volkstümlichen
Breitensport werden; dafür braucht es zu viele Voraussetzungen."

Dabei fügt sich die Logik des Tonbandstimmenforschens nahezu nahtlos in die eines tatsächlichen volkstümlichen Wiener Gemeinguts: Auch im Wienerlied sind schließlich tote lokale Berühmtheiten
zentraler Bestandteil · nur haben sie meist nichts anderes zu tun, als mehr oder weniger betrunken fröhlich vom Himmel herunter zu schauen. Eine eindringliche Unterhaltung mit Maria Manov aber sorgt
für Gänsehaut. Denken Sie daran, wenn es dunkel wird: Wo auch immer Sie sind, Sie sind von Toten umgeben. Hinter der Tür steht womöglich der Teufel. Sie merken nichts davon. Aber mit jedem Zug an der
Zigarette, mit jedem Schluck Wein kommt er Ihrer beschädigten Aura näher.

Hinweis: Ab November gibt es Tonbandstimmen-Vorführungen für Einsteiger, jeden Dienstag, 17 bis 18 Uhr, in den Räumen des Wiener Versuchssenderverbands, Eisvogelgasse 4,

1060 Wien.

Freitag, 29. Oktober 1999

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