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Gute Besserung!

Von Hermann Schlösser

Politiker können für die Belastungen und Belästigungen ihres Jobs kein großes Mitgefühl von der Öffentlichkeit verlangen. Was von ihnen erwartet wird, sind
Leistungen.

Der Satz, der dieses Leistungsdenken gegenüber den politischen Repräsentanten am klarsten auf den Punkt bringt, stammt wohl nicht zufällig aus den Vereinigten Staaten. Er heißt: Wer die Hitze nicht
aushält, soll die Küche verlassen. Oder im O-Ton:„If you can`t stand the heat, get out of the kitchen." Und damit, so möchte man meinen, ist alles gesagt: Wer sich auf die Politik einlässt,
muss wissen, dass sie ein hartes Geschäft ist, und wer dem nicht gewachsen ist, soll verschwinden. Ende der Durchsage.

In letzter Zeit habe ich allerdings manchmal das Gefühl, dass das letzte Wort mit diesem harten Urteil nicht gesprochen ist, oder jedenfalls: dass es nicht gesprochen sein sollte. Denn „die
Öffentlichkeit" steht den Politikern und Politikerinnen ja weder als unbeteiligte Beobachterin gegenüber, noch agiert sie als neutraler Notengeber wie ein Schiedsrichter beim Eiskunstlauf. Sie trägt
vielmehr aktiv zu den Problemen bei, die den Repräsentanten der Politik zu schaffen machen, ja, man könnte überspitzt sagen: Sie ist genau die Küche, in der die Hitze produziert wird, die dann unter
Umständen schwer zu ertragen ist.

Ein Beispiel gefällig? Man braucht nicht lange danach zu suchen: In der vergangenen Woche sind zwei Spitzenpolitiker krank geworden, mussten ins Spital, fielen also in der heißen Phase des Wahlkampfs
für eine Zeit lang aus. Das kann passieren, denn auch der energischste und willenstärkste Macher lebt in einem Körper, der anfällig ist für Krankheiten und Anspruch darauf hat, gepflegt und kuriert
zu werden.

Ein Privatmann könnte sich bei einem Kreislaufkollaps oder bei einer Lungenentzündung des Mitleids seiner Mitmenschen einigermaßen sicher sein. Bei einem Politiker dagegen ist das nicht
gewährleistet. Sobald nämlich jemand seine Anteilnahme ausdrückt, tritt der Verdacht auf, der Kranke oder seine Berater wollten aus dem „Mitleidseffekt" Kapital schlagen. Das kann in manchen Fällen
bis zu der Vermutung getrieben werden, der Politiker sei gar nicht so krank, sondern setze eine kleine Unpässlichkeit als unlauteres Mittel zur Sympathiewerbung ein.

Ebenso kann jedoch lanciert werden, der Politiker sei in Wahrheit womöglich noch kränker, als er zugebe, und deshalb gar nicht erst wählbar.

So lassen sich noch andere · mehr oder weniger hinterhältige · Varianten denken. Aber was auch immer im einzelnen geredet wird, fest steht jedenfalls, dass ein Politiker nicht in Ruhe krank sein und
wieder gesund werden darf. Denn sein Zustand wird immer als politisches Problem erörtert werden, und ob dies seiner Genesung förderlich oder hinderlich ist, spielt dabei keine Rolle.

Freilich lassen sich Gründe angeben, die dieses öffentliche Interesse am Gesundheitszustand eines Kanzlers oder eines Finanzministers rechtfertigen. Man muss schließlich wissen, woran man ist, man
will im Bilde sein über das Risiko, das ein nicht gesunder Politiker unter Umständen bedeutet und derlei mehr.

Trotzdem sehe ich diese Neugier mit Unbehagen. Mir wäre es lieber, man könnte einen Politiker für die Dauer seines Krankenstandes außer Streit stellen, und müsste ihm bis auf weiteres nichts anderes
wünschen als: gute Besserung.

Freitag, 01. Oktober 1999

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